Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Ignaz Giovanelli, daß der k. k. oberste Gerichtshof für die wahnwitzigen Weiber, Nach diesem Intermezzo, der Erledigung localer und administrativer Grenzboten IV. 1870. 38
Ignaz Giovanelli, daß der k. k. oberste Gerichtshof für die wahnwitzigen Weiber, Nach diesem Intermezzo, der Erledigung localer und administrativer Grenzboten IV. 1870. 38
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Ignaz Giovanelli, daß der k. k. oberste Gerichtshof für die wahnwitzigen Weiber,
die sich durch geistlichen Rath und Antrieb von der Kanzel und im Beicht«
Stuhle zu Ausschreitungen hatten verleiten lassen, die Straferkenntnisse erster
Instanz, nachdem sie durch seine Hilfe und Mitwirkung vom k. k, Oberlan-
desgerichte zu Innsbruck aufgehoben worden, aufrecht erhielt, und seine ge¬
wichtige Anwaltschaft verschmähte. Die Weiber von Asm, die dem Inspector
Urthaler eine Kopfwunde beigebracht, hatte selbst das milde innsbrucker Ober-
gericht nicht von aller Strafe befreien können. Diesen pflichtgetreuen und
unschuldigen Leuten mußte geholfen, und überdies dem gerechten Abscheu des
tiroler Volkes gegen die gottlosen Schulgesetze Ausdruck geliehen werden.
Freiherr Giovanelli verfaßte daher wieder ein Majestätsgesuch, und ließ es
durch einen seiner Trabanten dem Landtage zur Annahme empfehlen. Es
Wurde darin gesagt, der ungünstige Eindruck, den die provisorische Schul¬
ordnung gemacht, und die schweren Folgen, die ihre Durchführung her¬
vorgerufen, hätten eine Mißstimmung erzeugt, die selbst nachgerade noch
eine mächtige sei. „Gegenüber den folgenschweren Ereignissen, deren
Schauplatz Europa geworden, erscheine es von höchster Wichtigkeit,
daß die erregten Gemüther sich beruhigen, das entschwundene Vertrauen wie¬
derkehre, und im Herzen des tirolischen Volkes jene Gefühle ungetrübt fort¬
bestehen, deren Frucht hingebungsvoller Patriotismus, Muth und wahre
Opferwilligkeit sind." Der „treugehorsamste" Landtag lege sohin schließlich
„im Interesse des Landes auf den Stufen des allerhöchsten Thrones die ehr¬
furchtsvollste Bitte nieder, Se. Majestät wolle in allen angedeuteten Unter-
suchungs- und Straffällen eine umfassende, auch auf alle Folgen der Verur¬
teilung sich erstreckende Amnestie eintreten lassen." Begreiflicher Weise blieb
das „unterthänigste" Bittgesuch von liberaler Seite nicht unangefochten.
Man bemerkte, daß die Aufregung nur in den Köpfen derer spuke, die sie
angeblasen, leuchtete den loyalen Gefühlen hinter die gleißende Maske und
verwies auf den Mangel jeder statthaften Begründung, da die Nachsicht der
Strafe nicht durch die Reue, sondern nur durch eine Beschönigung des be¬
gangenen Unrechts zu rechtfertigen versucht werde. Damit war wenigstens
der Wahrheit Zeugniß gegeben und der Rechtsstandpunkt klar gemacht, an
eine Zurückziehung des Antrags war selbstverständlich nicht zu denken. Galt
es doch zunächst und vor allem mit einer Demonstration gegen die neue
Schulverfafsung Lärm zu machen. Die Absendung des Amnesttegesuches wurde
daher mit 31 gegen 16 Stimmen beschlossen.
Nach diesem Intermezzo, der Erledigung localer und administrativer
Gegenstände und einigen Beschlüssen über die Abänderung der Gemeinde-
und Landtagswahlordnung, wozu auch die Feststellung der Wahlberechtigung
aller in der Seelsorge bleibend angestellten, wenn auch im Orte ihres zeit-
Grenzboten IV. 1870. 38
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