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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Aufruf. Nur 15 Liberale leisteten es unbedingt, die 30 Clericalen blieben
unbeweglich auf ihren Sitzen; ihre Seelenhirten, die Bischöfe von Brixen
und Trient waren wohl absichtlich noch nicht eingetroffen. Auch in Vorarl¬
berg hatte der Weihbischof Amberg, ein Suffraaan jenes von Brixen, die
Leistung des Gelöbnisses verweigert, in Folge dessen er schon am 20., gleich
bei der ersten Sitzung, vom dortigen Landeshauptmann v. Froschauer auf¬
gefordert wurde, den Saal zu verlassen. Wenn Dr. v. Grebmer nicht in gleicher
Weise vorging, scheint der Grund davon darin gelegen zu haben, daß er,
wenn auch der Eintritt in den Landtag durch die Angelobung bedingt ist,
in der abgegebenen Erklärung noch keine Mandatsniederlegung erblickte.
Dieser Ansicht war auch insbesondere der Statthalter Freiherr von Lasser.
der in seinem Berichte an das Ministerium die Declaranten zur Angelobung
nochmals aufzufordern und im Falle neuerlicher Widersetzlichkeit die Auf¬
lösung des Landtags und die Ausschreibung directer Reichsrathswahlen be¬
antragte. Jede konstitutionelle Regierung wäre darauf eingegangen, die
Langmuth des Ministeriums Potocki war aber auf Alles gefaßt, es dachte
jeder entschiedenen Maßregel auszuweichen. Darauf rechneten auch die
Clerical-Feudalen. die hierbei der Unterstützung ihres Freundes Baron Pe-
trino im Ministerrathe versichert waren. Gleich Tags nachher sandten sie
einen ihrer Vertrauten, den Freiherrn Dipauli. nach Wien, dem dort der
gnädige Bescheid ertheilt wurde, die Gelöbnißfrage sei eine "interne" Ange¬
legenheit des Landes und somit vom Landtage selbst zu schlichten, gleich als
stände diesem die Entscheidung zu, ob die vom Kaiser erlassene Landesord¬
nung Geltung habe. Der Statthalter, der durch den Telegraphen zum Mi¬
nister des Innern berufen wurde, und auf seinem Antrage beharrte. wurde
in eben dieser Weise bedeutet. Seine Erwiderung darauf mochte wohl so
gelautet haben, wie er sich kurz nachher im salzburger Landtage vernehmen
ließ. Als er nämlich auf seiner Rückreise daselbst zum Reichsrathsabgeord-
neten gewählt wurde, betonte er bei der Annahme dieses Maubads, daß
dieses nie belastender gewesen, als eben jetzt und in der nächsten Zukunft,
"angesichts der sich von vielen Seiten aufthürmenden Schwierigkeiten im
Innern, denen man nahezu rathlos gegenübersteht, und unterliegen wird,
wenn nicht den unberechtigten, mitunter nebelhaften Prätensionen, den sich
verzweigenden und die Achtung vor dem Gesetze versöhnenden Umtrieben,
den staatsgefährlichen, ja staatsmörderischen Agitationen unverzagt, ent¬
schlossen, beharrlich entgegengetreten wird."

Durch die in Wien erhaltene Antwort ermuthigt, verlangten am 26. August
einige Abgeordnete der Clericalen vom Landeshauptmann die Anordnung
einer Sitzung und als er diese für so lange verweigerte, bis sie sich bereit er¬
klärten, die Angelobung unbedingt zu leisten, erhielt er noch am selben Tage


Aufruf. Nur 15 Liberale leisteten es unbedingt, die 30 Clericalen blieben
unbeweglich auf ihren Sitzen; ihre Seelenhirten, die Bischöfe von Brixen
und Trient waren wohl absichtlich noch nicht eingetroffen. Auch in Vorarl¬
berg hatte der Weihbischof Amberg, ein Suffraaan jenes von Brixen, die
Leistung des Gelöbnisses verweigert, in Folge dessen er schon am 20., gleich
bei der ersten Sitzung, vom dortigen Landeshauptmann v. Froschauer auf¬
gefordert wurde, den Saal zu verlassen. Wenn Dr. v. Grebmer nicht in gleicher
Weise vorging, scheint der Grund davon darin gelegen zu haben, daß er,
wenn auch der Eintritt in den Landtag durch die Angelobung bedingt ist,
in der abgegebenen Erklärung noch keine Mandatsniederlegung erblickte.
Dieser Ansicht war auch insbesondere der Statthalter Freiherr von Lasser.
der in seinem Berichte an das Ministerium die Declaranten zur Angelobung
nochmals aufzufordern und im Falle neuerlicher Widersetzlichkeit die Auf¬
lösung des Landtags und die Ausschreibung directer Reichsrathswahlen be¬
antragte. Jede konstitutionelle Regierung wäre darauf eingegangen, die
Langmuth des Ministeriums Potocki war aber auf Alles gefaßt, es dachte
jeder entschiedenen Maßregel auszuweichen. Darauf rechneten auch die
Clerical-Feudalen. die hierbei der Unterstützung ihres Freundes Baron Pe-
trino im Ministerrathe versichert waren. Gleich Tags nachher sandten sie
einen ihrer Vertrauten, den Freiherrn Dipauli. nach Wien, dem dort der
gnädige Bescheid ertheilt wurde, die Gelöbnißfrage sei eine „interne" Ange¬
legenheit des Landes und somit vom Landtage selbst zu schlichten, gleich als
stände diesem die Entscheidung zu, ob die vom Kaiser erlassene Landesord¬
nung Geltung habe. Der Statthalter, der durch den Telegraphen zum Mi¬
nister des Innern berufen wurde, und auf seinem Antrage beharrte. wurde
in eben dieser Weise bedeutet. Seine Erwiderung darauf mochte wohl so
gelautet haben, wie er sich kurz nachher im salzburger Landtage vernehmen
ließ. Als er nämlich auf seiner Rückreise daselbst zum Reichsrathsabgeord-
neten gewählt wurde, betonte er bei der Annahme dieses Maubads, daß
dieses nie belastender gewesen, als eben jetzt und in der nächsten Zukunft,
„angesichts der sich von vielen Seiten aufthürmenden Schwierigkeiten im
Innern, denen man nahezu rathlos gegenübersteht, und unterliegen wird,
wenn nicht den unberechtigten, mitunter nebelhaften Prätensionen, den sich
verzweigenden und die Achtung vor dem Gesetze versöhnenden Umtrieben,
den staatsgefährlichen, ja staatsmörderischen Agitationen unverzagt, ent¬
schlossen, beharrlich entgegengetreten wird."

Durch die in Wien erhaltene Antwort ermuthigt, verlangten am 26. August
einige Abgeordnete der Clericalen vom Landeshauptmann die Anordnung
einer Sitzung und als er diese für so lange verweigerte, bis sie sich bereit er¬
klärten, die Angelobung unbedingt zu leisten, erhielt er noch am selben Tage


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/302>, abgerufen am 22.12.2024.