Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.physische Kraft älterer und erprobterer Soldaten vernichtet haben! Glück¬ Gegen Mitternacht läßt der General alle Commandeure zusammen kom¬ Anderthalb Stunden nach Mitternacht beginnt das große Werk der physische Kraft älterer und erprobterer Soldaten vernichtet haben! Glück¬ Gegen Mitternacht läßt der General alle Commandeure zusammen kom¬ Anderthalb Stunden nach Mitternacht beginnt das große Werk der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0254" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124960"/> <p xml:id="ID_784" prev="#ID_783"> physische Kraft älterer und erprobterer Soldaten vernichtet haben! Glück¬<lb/> licherweise versäumten die Franzosen den ihnen günstigen Augenblick, der —<lb/> Dank der Entschlossenheit Hammersteins und Scharnhorsts! — nicht wieder¬<lb/> kehren sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_785"> Gegen Mitternacht läßt der General alle Commandeure zusammen kom¬<lb/> men. Scharnhorst selbst hat uns ein höchst lebensvolles Bild des nun fol¬<lb/> genden Auftrittes hinterlassen. Das Zimmer, worin die Zusammenkunft<lb/> stattfinden soll, wird mehr von dem Gluthschein der furchtbaren Feuersbrunst,<lb/> der durch die Fenster fällt, erleuchtet, als von den brennenden Lichtern. Un¬<lb/> aufhörlich ertönt das donnernde Krachen der Brandgeschosse, welche ringsum¬<lb/> her in die nächste Nachbarschaft, in den Garten, in das Haus selbst einschla¬<lb/> gen. Im Zimmer, auf dem Fußboden liegen die Adjutanten, denen ihre<lb/> tödtliche Ermüdung nach vier ruhelosen Tagen und Nächten trotz Tod und<lb/> Gefahr einen tiefen, festen Schlaf vergönnt. Aus der Nebenstube schallt ver¬<lb/> nehmlich das qualvolle Stöhnen eines verwundeten Officiers herüber, dem<lb/> ein Schenkel abgerissen ist. Endlich tritt Hammerstein ein. Eiserne Ent¬<lb/> schlossenheit prägt sich auf seinen festen, markigen Zügen aus. „Nicht um<lb/> einen Kriegsrath abzuhalten, meine Herren, bin ich hier," spricht er mit<lb/> ruhiger, honorer Stimme; „mein Entschluß ist unwiderruflich gefaßt! In zwei<lb/> Stunden werden wir versuchen uns durchzuschlagen. Lieber will ich im freien<lb/> Felde sterben, als capituliren!" Und nun folgt die vom Hauptmann Scharn¬<lb/> horst entworfene Anordnung des Ausfalls. Jedem Trnppentheil wird das<lb/> Feld seiner ehrenvollen Thätigkeit zugewiesen. Der Oberstlieutenant von<lb/> Spangenberg, soll mit 200 Mann und 10 Geschützen zurückbleiben und die<lb/> Stadt am nächsten Morgen um 9 Uhr übergeben, wenn bis dahin kein Er¬<lb/> satz eingetroffen ist. — Kaum hat der General geendet, so umringen ihn<lb/> stürmisch sämmtliche Commandeure, den bedauernswerthen Spangenberg allein<lb/> ausgenommen, um ihm für den kühnen, kraftvollen Entschluß mit begeisterten<lb/> Worten zu danken und Ehre und Leben für die ebenso kühne Ausführung<lb/> Zu verpfänden. Der schönste Lohn des Führers, sich so in opferfreudiger<lb/> Todesverachtung mit den Seinen untrennbar verbunden zu sehen! — Auf<lb/> der Esplanade sammeln sich die Truppen, vor sich die brüllenden Feuer-<lb/> schlünde des Feindes, hinter sich das wogende Flammenmeer der dem Ver¬<lb/> derben geweihten Stadt und über sich die feurigen Bahnen der heulenden<lb/> Bomben, die fort und fort Brand und Vernichtung nach Menin hineintragen.<lb/> Unverzagte Zuversicht malt sich auf allen Gesichtern; in siegesfreudiger Er¬<lb/> regung antwortet namentlich das Bataillon Loyal Emigrant der Anrede des<lb/> Generals, die ihm den einzig möglichen Weg zur Rettung von schmäh¬<lb/> lichem Henkerstode erschließt.</p><lb/> <p xml:id="ID_786" next="#ID_787"> Anderthalb Stunden nach Mitternacht beginnt das große Werk der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0254]
physische Kraft älterer und erprobterer Soldaten vernichtet haben! Glück¬
licherweise versäumten die Franzosen den ihnen günstigen Augenblick, der —
Dank der Entschlossenheit Hammersteins und Scharnhorsts! — nicht wieder¬
kehren sollte.
Gegen Mitternacht läßt der General alle Commandeure zusammen kom¬
men. Scharnhorst selbst hat uns ein höchst lebensvolles Bild des nun fol¬
genden Auftrittes hinterlassen. Das Zimmer, worin die Zusammenkunft
stattfinden soll, wird mehr von dem Gluthschein der furchtbaren Feuersbrunst,
der durch die Fenster fällt, erleuchtet, als von den brennenden Lichtern. Un¬
aufhörlich ertönt das donnernde Krachen der Brandgeschosse, welche ringsum¬
her in die nächste Nachbarschaft, in den Garten, in das Haus selbst einschla¬
gen. Im Zimmer, auf dem Fußboden liegen die Adjutanten, denen ihre
tödtliche Ermüdung nach vier ruhelosen Tagen und Nächten trotz Tod und
Gefahr einen tiefen, festen Schlaf vergönnt. Aus der Nebenstube schallt ver¬
nehmlich das qualvolle Stöhnen eines verwundeten Officiers herüber, dem
ein Schenkel abgerissen ist. Endlich tritt Hammerstein ein. Eiserne Ent¬
schlossenheit prägt sich auf seinen festen, markigen Zügen aus. „Nicht um
einen Kriegsrath abzuhalten, meine Herren, bin ich hier," spricht er mit
ruhiger, honorer Stimme; „mein Entschluß ist unwiderruflich gefaßt! In zwei
Stunden werden wir versuchen uns durchzuschlagen. Lieber will ich im freien
Felde sterben, als capituliren!" Und nun folgt die vom Hauptmann Scharn¬
horst entworfene Anordnung des Ausfalls. Jedem Trnppentheil wird das
Feld seiner ehrenvollen Thätigkeit zugewiesen. Der Oberstlieutenant von
Spangenberg, soll mit 200 Mann und 10 Geschützen zurückbleiben und die
Stadt am nächsten Morgen um 9 Uhr übergeben, wenn bis dahin kein Er¬
satz eingetroffen ist. — Kaum hat der General geendet, so umringen ihn
stürmisch sämmtliche Commandeure, den bedauernswerthen Spangenberg allein
ausgenommen, um ihm für den kühnen, kraftvollen Entschluß mit begeisterten
Worten zu danken und Ehre und Leben für die ebenso kühne Ausführung
Zu verpfänden. Der schönste Lohn des Führers, sich so in opferfreudiger
Todesverachtung mit den Seinen untrennbar verbunden zu sehen! — Auf
der Esplanade sammeln sich die Truppen, vor sich die brüllenden Feuer-
schlünde des Feindes, hinter sich das wogende Flammenmeer der dem Ver¬
derben geweihten Stadt und über sich die feurigen Bahnen der heulenden
Bomben, die fort und fort Brand und Vernichtung nach Menin hineintragen.
Unverzagte Zuversicht malt sich auf allen Gesichtern; in siegesfreudiger Er¬
regung antwortet namentlich das Bataillon Loyal Emigrant der Anrede des
Generals, die ihm den einzig möglichen Weg zur Rettung von schmäh¬
lichem Henkerstode erschließt.
Anderthalb Stunden nach Mitternacht beginnt das große Werk der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |