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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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weiter entwickelt werden und die dergestalt erzeugte Verfassung würde das
Problem "ig. I>g,lief r6g'6u6r6ö Is, r6vo1utiou as 89 et vrMMSöö par
I'Lmxereur" lösen.

Frankreich nahm diese Vorschläge mit 8 Mill. Stimmen an, das auf
10 Jahre gewählte Oberhaupt wurde durch ein neues Plebiscit nach zehn
Monaten Kaiser und die constitutionellen Staatskörper entwickelten jene
Grundlagen zur Verfassung von 1852, welche nach Napoleons Ausdruck "das
einzige Gebäude war, das später eine weise und wohlthätige Freiheit zu er¬
tragen im Stande sei."

Die Verfassung von 1862 läßt sich kurz folgendermaßen analysiren.

Der Kaiser allein ist dem Volke verantwortlich, an das er stets apel-
liren kann, die Minister hängen von ihm allein ab und sind nur sür ihr
Ressort verantwortlich, es besteht keinerlei Solidarität unter ihnen, sie
können nur von dem durch den Kaiser ernannten Senat in Anklagezustand
versetzt werden. Der Kaiser befehligt die bewaffnete Macht, erklärt Krieg,
schließt Frieden, Allianzen und Handelsverträge, ernennt alle Staatsdiener,
hat allein das Recht gesetzgeberischer Initiative, er kann den Belagerungs¬
zustand für ein oder mehrere Departements verhängen und hat nur nach¬
träglich dem Senat davon Mittheilung zu machen.

Die Mitglieder des Senats, 150 an der Zahl, werden auf Lebenszeit
vom Kaiser ernannt, ihre Functionen sind unentgeltlich, jedoch kann ihnen
unter besonderen Umständen eine Dotation von jährlich 30,000 Francs ver¬
liehen werden. (Es hat keinen Senator gegeben, der dieselbe nicht bezogen
hätte). Die Sitzungen sind geheim, der Senat widersetzt sich solchen Ge¬
setzen, die der Verfassung, der Religion, der Sittlichkeit, der individuellen
Freiheit, der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, der Unverletzbarkeit des
Eigenthums, dee Unabsetzbarkeit der Richter und der Vertheidigungsfähigkeit
des Staatsgebietes gefährlich werden können. Als Hüter der öffentlichen Frei¬
heiten hat er allein das Recht, Petitionen entgegenzunehmen. Er regelt
durch einfachen Beschluß die Verfassung Algeriens und der Colonien, inter-
pretirt die Verfassung authentisch und bestimmt alles, was nicht durch die¬
selbe bereits vorgesehen und zu ihrer Wirksamkeit nothwendig ist. er allein
ist daher auch berechtigt, Verfassungsveränderungen vorzunehmen, aber jede
solche, welche die in der Proclamation vom 2. Decbr. vorgezeichneten Grund¬
lagen berührt, muß dem allgemeinen Stimmrecht unterbreitet werden. Bei
Auflösung des gesetzgebenden Körpers ordnet der Senat auf Antrag des
Kaisers durch Dringlichkeitsmaßregeln Alles, was zum Gange der Regierung
erforderlich ist.

Die Mitglieder des gesetzgebenden Körpers werden durch allgemeines
Stimmrecht auf 6 Jahre gewählt, sie empfangen keinen Gehalt (wohl aber


weiter entwickelt werden und die dergestalt erzeugte Verfassung würde das
Problem „ig. I>g,lief r6g'6u6r6ö Is, r6vo1utiou as 89 et vrMMSöö par
I'Lmxereur" lösen.

Frankreich nahm diese Vorschläge mit 8 Mill. Stimmen an, das auf
10 Jahre gewählte Oberhaupt wurde durch ein neues Plebiscit nach zehn
Monaten Kaiser und die constitutionellen Staatskörper entwickelten jene
Grundlagen zur Verfassung von 1852, welche nach Napoleons Ausdruck „das
einzige Gebäude war, das später eine weise und wohlthätige Freiheit zu er¬
tragen im Stande sei."

Die Verfassung von 1862 läßt sich kurz folgendermaßen analysiren.

Der Kaiser allein ist dem Volke verantwortlich, an das er stets apel-
liren kann, die Minister hängen von ihm allein ab und sind nur sür ihr
Ressort verantwortlich, es besteht keinerlei Solidarität unter ihnen, sie
können nur von dem durch den Kaiser ernannten Senat in Anklagezustand
versetzt werden. Der Kaiser befehligt die bewaffnete Macht, erklärt Krieg,
schließt Frieden, Allianzen und Handelsverträge, ernennt alle Staatsdiener,
hat allein das Recht gesetzgeberischer Initiative, er kann den Belagerungs¬
zustand für ein oder mehrere Departements verhängen und hat nur nach¬
träglich dem Senat davon Mittheilung zu machen.

Die Mitglieder des Senats, 150 an der Zahl, werden auf Lebenszeit
vom Kaiser ernannt, ihre Functionen sind unentgeltlich, jedoch kann ihnen
unter besonderen Umständen eine Dotation von jährlich 30,000 Francs ver¬
liehen werden. (Es hat keinen Senator gegeben, der dieselbe nicht bezogen
hätte). Die Sitzungen sind geheim, der Senat widersetzt sich solchen Ge¬
setzen, die der Verfassung, der Religion, der Sittlichkeit, der individuellen
Freiheit, der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, der Unverletzbarkeit des
Eigenthums, dee Unabsetzbarkeit der Richter und der Vertheidigungsfähigkeit
des Staatsgebietes gefährlich werden können. Als Hüter der öffentlichen Frei¬
heiten hat er allein das Recht, Petitionen entgegenzunehmen. Er regelt
durch einfachen Beschluß die Verfassung Algeriens und der Colonien, inter-
pretirt die Verfassung authentisch und bestimmt alles, was nicht durch die¬
selbe bereits vorgesehen und zu ihrer Wirksamkeit nothwendig ist. er allein
ist daher auch berechtigt, Verfassungsveränderungen vorzunehmen, aber jede
solche, welche die in der Proclamation vom 2. Decbr. vorgezeichneten Grund¬
lagen berührt, muß dem allgemeinen Stimmrecht unterbreitet werden. Bei
Auflösung des gesetzgebenden Körpers ordnet der Senat auf Antrag des
Kaisers durch Dringlichkeitsmaßregeln Alles, was zum Gange der Regierung
erforderlich ist.

Die Mitglieder des gesetzgebenden Körpers werden durch allgemeines
Stimmrecht auf 6 Jahre gewählt, sie empfangen keinen Gehalt (wohl aber


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[0213] weiter entwickelt werden und die dergestalt erzeugte Verfassung würde das Problem „ig. I>g,lief r6g'6u6r6ö Is, r6vo1utiou as 89 et vrMMSöö par I'Lmxereur" lösen. Frankreich nahm diese Vorschläge mit 8 Mill. Stimmen an, das auf 10 Jahre gewählte Oberhaupt wurde durch ein neues Plebiscit nach zehn Monaten Kaiser und die constitutionellen Staatskörper entwickelten jene Grundlagen zur Verfassung von 1852, welche nach Napoleons Ausdruck „das einzige Gebäude war, das später eine weise und wohlthätige Freiheit zu er¬ tragen im Stande sei." Die Verfassung von 1862 läßt sich kurz folgendermaßen analysiren. Der Kaiser allein ist dem Volke verantwortlich, an das er stets apel- liren kann, die Minister hängen von ihm allein ab und sind nur sür ihr Ressort verantwortlich, es besteht keinerlei Solidarität unter ihnen, sie können nur von dem durch den Kaiser ernannten Senat in Anklagezustand versetzt werden. Der Kaiser befehligt die bewaffnete Macht, erklärt Krieg, schließt Frieden, Allianzen und Handelsverträge, ernennt alle Staatsdiener, hat allein das Recht gesetzgeberischer Initiative, er kann den Belagerungs¬ zustand für ein oder mehrere Departements verhängen und hat nur nach¬ träglich dem Senat davon Mittheilung zu machen. Die Mitglieder des Senats, 150 an der Zahl, werden auf Lebenszeit vom Kaiser ernannt, ihre Functionen sind unentgeltlich, jedoch kann ihnen unter besonderen Umständen eine Dotation von jährlich 30,000 Francs ver¬ liehen werden. (Es hat keinen Senator gegeben, der dieselbe nicht bezogen hätte). Die Sitzungen sind geheim, der Senat widersetzt sich solchen Ge¬ setzen, die der Verfassung, der Religion, der Sittlichkeit, der individuellen Freiheit, der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, der Unverletzbarkeit des Eigenthums, dee Unabsetzbarkeit der Richter und der Vertheidigungsfähigkeit des Staatsgebietes gefährlich werden können. Als Hüter der öffentlichen Frei¬ heiten hat er allein das Recht, Petitionen entgegenzunehmen. Er regelt durch einfachen Beschluß die Verfassung Algeriens und der Colonien, inter- pretirt die Verfassung authentisch und bestimmt alles, was nicht durch die¬ selbe bereits vorgesehen und zu ihrer Wirksamkeit nothwendig ist. er allein ist daher auch berechtigt, Verfassungsveränderungen vorzunehmen, aber jede solche, welche die in der Proclamation vom 2. Decbr. vorgezeichneten Grund¬ lagen berührt, muß dem allgemeinen Stimmrecht unterbreitet werden. Bei Auflösung des gesetzgebenden Körpers ordnet der Senat auf Antrag des Kaisers durch Dringlichkeitsmaßregeln Alles, was zum Gange der Regierung erforderlich ist. Die Mitglieder des gesetzgebenden Körpers werden durch allgemeines Stimmrecht auf 6 Jahre gewählt, sie empfangen keinen Gehalt (wohl aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/213>, abgerufen am 23.12.2024.