Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Structur erforderte, in organische zu vergeistigen" fand seinen vollendetsten Jedenfalls ergibt sich aus der unbefangenen Würdigung der Verhält¬ Structur erforderte, in organische zu vergeistigen» fand seinen vollendetsten Jedenfalls ergibt sich aus der unbefangenen Würdigung der Verhält¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0165" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124871"/> <p xml:id="ID_506" prev="#ID_505"> Structur erforderte, in organische zu vergeistigen» fand seinen vollendetsten<lb/> Ausdruck in dem Poros- und Marmorbau; nur wo sie mit dieser Ite^e ver¬<lb/> träglich waren, erhielten sich, wie im Fries, den Metopen und in der Um-<lb/> täfelung der unteren Cellawände, Reminiscenzen an die alte Jncrustations-<lb/> weise; sonst ersetzte die Bemalung die Wandbekleidung. In Latium und<lb/> Etrurien dagegen erhielt sich der Terracoltenstyl längere Zeit. Politische wie<lb/> geognostische Verhältnisse mögen zusammengewirkt haben, um diese Völker an<lb/> der raschen Aufnahme der neuen hellenischen Entwickelung zu verhindern.<lb/> Gerade in die Epoche, in welcher sie zur glänzendsten Vollendung gediehen war.<lb/> fallen Ereignisse, welche die unmittelbare Einwirkung des Griechenthums auf<lb/> Mittelitalien empfindlich beeinträchtigen mühten. Damals drangen die sabel-<lb/> lischen Stämme nach dem tyrrlienischen Meer vor, erdrückten das campanische<lb/> Reich der Etrusker und schwachem die umliegenden griechischen Colonien.<lb/> Im Jahre 420 fiel Kyme, einer der wichtigsten Mittelpunkte griechischen Ein¬<lb/> flusses auf italische Cultur, in ihre Hände. Lucaner und Brettier setzten in<lb/> energischer Weise den Zerstörungsproceß an den entgegengesetzten Küsten fort.<lb/> Mochte auch Tarent seine Macht und Unabhängigkeit bewahren, mochten an¬<lb/> dere Städte, wenn auch abhängig, nach wie vor Griechenstädte bleiben, immer¬<lb/> hin war dem Einfluß der unteritalischen Griechen auf Mittelitalien seine alte<lb/> Kraft genommen und hatte sich geographisch ein anderer Stamm wie ein<lb/> Keil zwischen sie und die nördlichen Theile Italiens geschoben. Anderer¬<lb/> seits mag auch der Mangel eines geeigneten Materials die Latiner und<lb/> Etrusker bewogen haben, an der alten Decorationsweise festzuhalten. Die<lb/> Steingattungen, welche in ihren Gebieten gebrochen wurden, der Peperin,<lb/> Travertin und Neusso waren keineswegs zur Herstellung der Feinheiten ge¬<lb/> eignet, wie sie der neue hellenische Baustyl erforderte. Beide Gesichtspunkte<lb/> sind übrigens nicht nur für die architektonische Decoration, sondern für die<lb/> gesammte bildende Kunst in Latium und Etrurien maßgebend. Auch in der<lb/> Sculptur, der Malerei, der Tektonik der Gefäße ist die eigentliche Blüthezeit<lb/> der griechischen Kunst ohne Einfluß. Erst in der Epoche nach Alexander<lb/> dem Großen knüpft die italische Kunst wiederum an die griechische an — eine<lb/> Erscheinung, die sich hinlänglich aus politischen, handelspolitischen und an¬<lb/> deren Culturfactoren erklärt, deren Wirksamkeit gegen Ende des 4ten Jahr¬<lb/> hunderts vor Christus in der italischen Entwickelung bemerklich wird, hier<lb/> jedoch nicht im Einzelnen dargelegt werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_507" next="#ID_508"> Jedenfalls ergibt sich aus der unbefangenen Würdigung der Verhält¬<lb/> nisse wie aus bestimmten Zeugnissen, daß noch gegen Mitte des 2im Jahr¬<lb/> hunderts vor Christus der Terracoltenstyl in Rom der herrschende war. Die<lb/> neuen Entdeckungen geben uns von ihm das lebendigste Bild. Wer die<lb/> römischen Dichter der augusteischen Epoche liest, wie sie die alte römische<lb/> Sitteneinfalt dem üppigen Luxus ihrer Zeit gegenüberstellen, wer sich aus<lb/> der Lectüre des Livius der Reden erinnert, in welchen der alte Cetto gegen<lb/> griechische Kunst und Mode donnert, der kommt, wenn daselbst von den<lb/> thönernen Götrern und dem thönernen Schmuck ihrer Tempel die Rede ist,<lb/> leicht auf den Gedanken, es handele sich um eine primitive und ärmliche De¬<lb/> corationsweise. Die gegenwärtig in dem Berliner Museum aufgestellten<lb/> Stücke werden ihn eines Besseren belehren. Er stelle sich die Bauten des<lb/> alten Roms und der etrusdschen Städte mit diesem Schmucke ausgestattet<lb/> vor: dann entrollt sich ein buntes Bild, weit entfernt von aller Dürsiigkeit,<lb/> im Gegentheil überreich an plastischen und malerischen Motiven; man er¬<lb/> kennt deutlich ein Entwickelungsstadium, in welchem die Kunst noch mit<lb/> einer Ueberfülle ringt, in welcher der maßvolle Sinn ächten Hellenenthums</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0165]
Structur erforderte, in organische zu vergeistigen» fand seinen vollendetsten
Ausdruck in dem Poros- und Marmorbau; nur wo sie mit dieser Ite^e ver¬
träglich waren, erhielten sich, wie im Fries, den Metopen und in der Um-
täfelung der unteren Cellawände, Reminiscenzen an die alte Jncrustations-
weise; sonst ersetzte die Bemalung die Wandbekleidung. In Latium und
Etrurien dagegen erhielt sich der Terracoltenstyl längere Zeit. Politische wie
geognostische Verhältnisse mögen zusammengewirkt haben, um diese Völker an
der raschen Aufnahme der neuen hellenischen Entwickelung zu verhindern.
Gerade in die Epoche, in welcher sie zur glänzendsten Vollendung gediehen war.
fallen Ereignisse, welche die unmittelbare Einwirkung des Griechenthums auf
Mittelitalien empfindlich beeinträchtigen mühten. Damals drangen die sabel-
lischen Stämme nach dem tyrrlienischen Meer vor, erdrückten das campanische
Reich der Etrusker und schwachem die umliegenden griechischen Colonien.
Im Jahre 420 fiel Kyme, einer der wichtigsten Mittelpunkte griechischen Ein¬
flusses auf italische Cultur, in ihre Hände. Lucaner und Brettier setzten in
energischer Weise den Zerstörungsproceß an den entgegengesetzten Küsten fort.
Mochte auch Tarent seine Macht und Unabhängigkeit bewahren, mochten an¬
dere Städte, wenn auch abhängig, nach wie vor Griechenstädte bleiben, immer¬
hin war dem Einfluß der unteritalischen Griechen auf Mittelitalien seine alte
Kraft genommen und hatte sich geographisch ein anderer Stamm wie ein
Keil zwischen sie und die nördlichen Theile Italiens geschoben. Anderer¬
seits mag auch der Mangel eines geeigneten Materials die Latiner und
Etrusker bewogen haben, an der alten Decorationsweise festzuhalten. Die
Steingattungen, welche in ihren Gebieten gebrochen wurden, der Peperin,
Travertin und Neusso waren keineswegs zur Herstellung der Feinheiten ge¬
eignet, wie sie der neue hellenische Baustyl erforderte. Beide Gesichtspunkte
sind übrigens nicht nur für die architektonische Decoration, sondern für die
gesammte bildende Kunst in Latium und Etrurien maßgebend. Auch in der
Sculptur, der Malerei, der Tektonik der Gefäße ist die eigentliche Blüthezeit
der griechischen Kunst ohne Einfluß. Erst in der Epoche nach Alexander
dem Großen knüpft die italische Kunst wiederum an die griechische an — eine
Erscheinung, die sich hinlänglich aus politischen, handelspolitischen und an¬
deren Culturfactoren erklärt, deren Wirksamkeit gegen Ende des 4ten Jahr¬
hunderts vor Christus in der italischen Entwickelung bemerklich wird, hier
jedoch nicht im Einzelnen dargelegt werden kann.
Jedenfalls ergibt sich aus der unbefangenen Würdigung der Verhält¬
nisse wie aus bestimmten Zeugnissen, daß noch gegen Mitte des 2im Jahr¬
hunderts vor Christus der Terracoltenstyl in Rom der herrschende war. Die
neuen Entdeckungen geben uns von ihm das lebendigste Bild. Wer die
römischen Dichter der augusteischen Epoche liest, wie sie die alte römische
Sitteneinfalt dem üppigen Luxus ihrer Zeit gegenüberstellen, wer sich aus
der Lectüre des Livius der Reden erinnert, in welchen der alte Cetto gegen
griechische Kunst und Mode donnert, der kommt, wenn daselbst von den
thönernen Götrern und dem thönernen Schmuck ihrer Tempel die Rede ist,
leicht auf den Gedanken, es handele sich um eine primitive und ärmliche De¬
corationsweise. Die gegenwärtig in dem Berliner Museum aufgestellten
Stücke werden ihn eines Besseren belehren. Er stelle sich die Bauten des
alten Roms und der etrusdschen Städte mit diesem Schmucke ausgestattet
vor: dann entrollt sich ein buntes Bild, weit entfernt von aller Dürsiigkeit,
im Gegentheil überreich an plastischen und malerischen Motiven; man er¬
kennt deutlich ein Entwickelungsstadium, in welchem die Kunst noch mit
einer Ueberfülle ringt, in welcher der maßvolle Sinn ächten Hellenenthums
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