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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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chen, liegt Cervetri auf dem Platze der alten Etruskerstadt Caere. Wie
in der Regel die Etruskerstädte war auch Caere auf einem jener vulkanischen
Caps angelegt, die, fast nach allen Seiten schroff abfallend und nur durch
einen schmalen Saum mit dem Grundstocke ihrer Hügelkette zusammen¬
hängend, eine feste und zur Vertheidigung geeignete Position darbieten. Wir
stehen auf einem für die italische Culturgeschichte bedeutsamen Platze. Caere
und Tarquinii waren vermöge der durch ihre Lage vermittelten überseeischen
Verbindungen die Centren, von denen aus sich die Civilisation über die nörd¬
licheren Theile Etruriens verbreitete. Heut zu Tage verräth die Oberfläche
der Erde nichts von der einst hier herrschenden Pracht und Herrlichkeit. Wo
sich einst das regste Leben in buntfarbigen Bildern bewegte, wo die Waaren¬
züge asiatische Metallarbeiter! und griechische Vasen vom Meere nach der
Stadt beförderten, wo die von Delphi heimkehrenden Gesandtschaften der
Caeretaner einHerzogen, streckt sich jetzt öde die Campagna dahin. Wir über¬
schauen ein wellenförmiges Terrain, bedeckt mit von der Sonne versengten,
bräunlichem Grase; nur einige Stellen, wo ein Bach nach dem Meere hinab¬
fließt, heben sich, Oasen vergleichbar, mit dem Grün des sie umgebenden hoch
aufgeschossenen Schilfes und einiger Arbutusgebüsche von dem bräunlichen
Tone des Ganzen ab. Südlich der blaue Streifen des Meeres, unterbrochen
durch die düsteren Massen des alten Baronalschlosses von Palo. Nördlich
die vulcanische Hügelkette, auf deren Ausläufer Cervetri liegt, wegen der hier
entspringenden Gewässer reichlich von Epheu und anderen Schlingpflanzen
überwuchert, unter denen die Tuffmassen mit dunkelrothen Reflexen hervor¬
blicken. Weit und breit herrscht eine fast unheimliche Einsamkeit und Stille;
denn es brütet über der Gegend die Malaria, die furchtbare Geissel der heu¬
tigen römischen Campagna. Nur im Westen sieht man eine Gruppe von
Campagnolen um eine Vorrichtung beschäftigt, von der ein weißlicher Rauch
emporwirbelt und von der her ein klapperndes Geräusch das aufmerksam lau¬
schende Ohr trifft. Es ist eine englische Dreschmaschine, welche die Stille unter¬
bricht, den gegenwärtigen Pächtern von Cervetri, den Bocca mera gehörig,
thätigen Mercanti ti campagna und kühnen neuerem aus dem Gebiete der
römischen Agricultur, die, bereits in den Grafenstand erhoben, vermuthlich
binnen Kurzem als Sterne erster Größe, Principe oder Duca, an dem Himmel
der römischen Aristokratie erglänzen werden.

Während die Pracht des alten Caere von der Oberfläche des Bodens
bis auf geringe Spuren vertilgt ist, hat der Schooß der Erde die Erinne¬
rungen an dieselbe bewahrt. Neben dem Hügel, auf dem die Stadt lag,
erstrecken sich zwei Plateaus, Monte Abattone und Banditaccia genannt,
welche die Gräber der alten Stadt enthalten. Hier entdeckte der Marchese
Campana das berühmte Grab, an dessen Wänden die Kriegs- und Haus-


chen, liegt Cervetri auf dem Platze der alten Etruskerstadt Caere. Wie
in der Regel die Etruskerstädte war auch Caere auf einem jener vulkanischen
Caps angelegt, die, fast nach allen Seiten schroff abfallend und nur durch
einen schmalen Saum mit dem Grundstocke ihrer Hügelkette zusammen¬
hängend, eine feste und zur Vertheidigung geeignete Position darbieten. Wir
stehen auf einem für die italische Culturgeschichte bedeutsamen Platze. Caere
und Tarquinii waren vermöge der durch ihre Lage vermittelten überseeischen
Verbindungen die Centren, von denen aus sich die Civilisation über die nörd¬
licheren Theile Etruriens verbreitete. Heut zu Tage verräth die Oberfläche
der Erde nichts von der einst hier herrschenden Pracht und Herrlichkeit. Wo
sich einst das regste Leben in buntfarbigen Bildern bewegte, wo die Waaren¬
züge asiatische Metallarbeiter! und griechische Vasen vom Meere nach der
Stadt beförderten, wo die von Delphi heimkehrenden Gesandtschaften der
Caeretaner einHerzogen, streckt sich jetzt öde die Campagna dahin. Wir über¬
schauen ein wellenförmiges Terrain, bedeckt mit von der Sonne versengten,
bräunlichem Grase; nur einige Stellen, wo ein Bach nach dem Meere hinab¬
fließt, heben sich, Oasen vergleichbar, mit dem Grün des sie umgebenden hoch
aufgeschossenen Schilfes und einiger Arbutusgebüsche von dem bräunlichen
Tone des Ganzen ab. Südlich der blaue Streifen des Meeres, unterbrochen
durch die düsteren Massen des alten Baronalschlosses von Palo. Nördlich
die vulcanische Hügelkette, auf deren Ausläufer Cervetri liegt, wegen der hier
entspringenden Gewässer reichlich von Epheu und anderen Schlingpflanzen
überwuchert, unter denen die Tuffmassen mit dunkelrothen Reflexen hervor¬
blicken. Weit und breit herrscht eine fast unheimliche Einsamkeit und Stille;
denn es brütet über der Gegend die Malaria, die furchtbare Geissel der heu¬
tigen römischen Campagna. Nur im Westen sieht man eine Gruppe von
Campagnolen um eine Vorrichtung beschäftigt, von der ein weißlicher Rauch
emporwirbelt und von der her ein klapperndes Geräusch das aufmerksam lau¬
schende Ohr trifft. Es ist eine englische Dreschmaschine, welche die Stille unter¬
bricht, den gegenwärtigen Pächtern von Cervetri, den Bocca mera gehörig,
thätigen Mercanti ti campagna und kühnen neuerem aus dem Gebiete der
römischen Agricultur, die, bereits in den Grafenstand erhoben, vermuthlich
binnen Kurzem als Sterne erster Größe, Principe oder Duca, an dem Himmel
der römischen Aristokratie erglänzen werden.

Während die Pracht des alten Caere von der Oberfläche des Bodens
bis auf geringe Spuren vertilgt ist, hat der Schooß der Erde die Erinne¬
rungen an dieselbe bewahrt. Neben dem Hügel, auf dem die Stadt lag,
erstrecken sich zwei Plateaus, Monte Abattone und Banditaccia genannt,
welche die Gräber der alten Stadt enthalten. Hier entdeckte der Marchese
Campana das berühmte Grab, an dessen Wänden die Kriegs- und Haus-


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[0158] chen, liegt Cervetri auf dem Platze der alten Etruskerstadt Caere. Wie in der Regel die Etruskerstädte war auch Caere auf einem jener vulkanischen Caps angelegt, die, fast nach allen Seiten schroff abfallend und nur durch einen schmalen Saum mit dem Grundstocke ihrer Hügelkette zusammen¬ hängend, eine feste und zur Vertheidigung geeignete Position darbieten. Wir stehen auf einem für die italische Culturgeschichte bedeutsamen Platze. Caere und Tarquinii waren vermöge der durch ihre Lage vermittelten überseeischen Verbindungen die Centren, von denen aus sich die Civilisation über die nörd¬ licheren Theile Etruriens verbreitete. Heut zu Tage verräth die Oberfläche der Erde nichts von der einst hier herrschenden Pracht und Herrlichkeit. Wo sich einst das regste Leben in buntfarbigen Bildern bewegte, wo die Waaren¬ züge asiatische Metallarbeiter! und griechische Vasen vom Meere nach der Stadt beförderten, wo die von Delphi heimkehrenden Gesandtschaften der Caeretaner einHerzogen, streckt sich jetzt öde die Campagna dahin. Wir über¬ schauen ein wellenförmiges Terrain, bedeckt mit von der Sonne versengten, bräunlichem Grase; nur einige Stellen, wo ein Bach nach dem Meere hinab¬ fließt, heben sich, Oasen vergleichbar, mit dem Grün des sie umgebenden hoch aufgeschossenen Schilfes und einiger Arbutusgebüsche von dem bräunlichen Tone des Ganzen ab. Südlich der blaue Streifen des Meeres, unterbrochen durch die düsteren Massen des alten Baronalschlosses von Palo. Nördlich die vulcanische Hügelkette, auf deren Ausläufer Cervetri liegt, wegen der hier entspringenden Gewässer reichlich von Epheu und anderen Schlingpflanzen überwuchert, unter denen die Tuffmassen mit dunkelrothen Reflexen hervor¬ blicken. Weit und breit herrscht eine fast unheimliche Einsamkeit und Stille; denn es brütet über der Gegend die Malaria, die furchtbare Geissel der heu¬ tigen römischen Campagna. Nur im Westen sieht man eine Gruppe von Campagnolen um eine Vorrichtung beschäftigt, von der ein weißlicher Rauch emporwirbelt und von der her ein klapperndes Geräusch das aufmerksam lau¬ schende Ohr trifft. Es ist eine englische Dreschmaschine, welche die Stille unter¬ bricht, den gegenwärtigen Pächtern von Cervetri, den Bocca mera gehörig, thätigen Mercanti ti campagna und kühnen neuerem aus dem Gebiete der römischen Agricultur, die, bereits in den Grafenstand erhoben, vermuthlich binnen Kurzem als Sterne erster Größe, Principe oder Duca, an dem Himmel der römischen Aristokratie erglänzen werden. Während die Pracht des alten Caere von der Oberfläche des Bodens bis auf geringe Spuren vertilgt ist, hat der Schooß der Erde die Erinne¬ rungen an dieselbe bewahrt. Neben dem Hügel, auf dem die Stadt lag, erstrecken sich zwei Plateaus, Monte Abattone und Banditaccia genannt, welche die Gräber der alten Stadt enthalten. Hier entdeckte der Marchese Campana das berühmte Grab, an dessen Wänden die Kriegs- und Haus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/158>, abgerufen am 22.12.2024.