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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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v. Willich anzuordnen und eine Untersuchung des Thatbestandes einzuleiten.
Schon hatten die offiziösen Correspondenzen der Welt mitgetheilt, Herr von
Willich sei bereits suspendirt, in Hessen erwartete man mit Bestimmtheit,
das schon so lang aus ihm lastende antinationale ultramontane Ministerium
fallen zu sehen, Herr v. Rabenau wurde schon als der Chef der neuen Ver¬
waltung bezeichnet, -- da blieb plötzlich die ganze Sache auf sich beruhen,
Herr v. Willich wurde nicht suspendirt und Herr v. Dalwigk blieb Minister.
Ueber die Gründe, welche den Entschluß des Bundeskanzlers nicht zur Aus¬
führung kommen ließen, gibt es nur Vermuthungen. Es wurde behauptet,
ein höherer Wille, der jeden Schein einer Pression auf die Fürsten ver¬
mieden haben wollte, habe das Vorgehen des Grafen Bismarck gekreuzt
und man hat später in Hessen gesagt, es sei dem Grafen leichter gewesen,
zwei Kaiserreiche als das Ministerium Dalwigk zu stürzen. Auf der anderen
Seite mußte es auffallen, daß die Darmstädter Zeitung offenbare Unwahr¬
heiten über die betreffenden Thatsachen bringen konnte, die von einem be¬
sonderen Zutrauen in die diplomatische Controle zeugten und den Gerüchten
über eine unerwartete Stütze, die Herr v. Dalwigk gefunden, neue Nahrung
geben mußten. Nunmehr wird von wohlunterrichteter Seite behauptet, auf
ganz besonderen Wunsch des Herrn v. Dalwigk sei die Untersuchung der An¬
gelegenheit bis nach dem Frieden verschoben worden. Es wäre in der That
hohe Zeit, daß dieser Minister und seine Collegen die Plätze räumten, von
denen sie 20 Jahre lang jede Bestrebung Preußens, die Nation zu einigen,
vom Zollverein bis zum Nordbund auf das Zähste bekämpften; es läge das
wirklich nicht nur im Interesse des hessischen Landes, sondern in dem der
öffentlichen Moral, der geradezu in das Gesicht geschlagen wird, wenn Herr
v. Dalwigk nach dem Mißlingen aller anderen Pläne nun schließlich, um
seine bedrohte Stellung zu retten, sich als Preußisch-deutscher Kaiserenthusiast
aufspielen wollte, wie er dies bereits angekündigt hat. Wir können nicht
anders denken, als daß seine Entfernung beschlossene Sache ist.

Nichtsdestoweniger behielten die französischen Gesandtschaftsberichte aus
Darmstadt für die Geschichte dieses Krieges ihr Interesse, vielleicht tragen
diese Zeilen dazu bei, daß Jemand in Paris sich die Mühe nimmt, sie
einzusehen.




Die neuesten caeretaner Erwerbungen des Berliner Museums.

Nördlich von der Rom und Civita vecchia verbindenden Eisenbahnlinie,
von der Station Palo, dem alten Alsium, in anderthalb Stunden zu errei-


v. Willich anzuordnen und eine Untersuchung des Thatbestandes einzuleiten.
Schon hatten die offiziösen Correspondenzen der Welt mitgetheilt, Herr von
Willich sei bereits suspendirt, in Hessen erwartete man mit Bestimmtheit,
das schon so lang aus ihm lastende antinationale ultramontane Ministerium
fallen zu sehen, Herr v. Rabenau wurde schon als der Chef der neuen Ver¬
waltung bezeichnet, — da blieb plötzlich die ganze Sache auf sich beruhen,
Herr v. Willich wurde nicht suspendirt und Herr v. Dalwigk blieb Minister.
Ueber die Gründe, welche den Entschluß des Bundeskanzlers nicht zur Aus¬
führung kommen ließen, gibt es nur Vermuthungen. Es wurde behauptet,
ein höherer Wille, der jeden Schein einer Pression auf die Fürsten ver¬
mieden haben wollte, habe das Vorgehen des Grafen Bismarck gekreuzt
und man hat später in Hessen gesagt, es sei dem Grafen leichter gewesen,
zwei Kaiserreiche als das Ministerium Dalwigk zu stürzen. Auf der anderen
Seite mußte es auffallen, daß die Darmstädter Zeitung offenbare Unwahr¬
heiten über die betreffenden Thatsachen bringen konnte, die von einem be¬
sonderen Zutrauen in die diplomatische Controle zeugten und den Gerüchten
über eine unerwartete Stütze, die Herr v. Dalwigk gefunden, neue Nahrung
geben mußten. Nunmehr wird von wohlunterrichteter Seite behauptet, auf
ganz besonderen Wunsch des Herrn v. Dalwigk sei die Untersuchung der An¬
gelegenheit bis nach dem Frieden verschoben worden. Es wäre in der That
hohe Zeit, daß dieser Minister und seine Collegen die Plätze räumten, von
denen sie 20 Jahre lang jede Bestrebung Preußens, die Nation zu einigen,
vom Zollverein bis zum Nordbund auf das Zähste bekämpften; es läge das
wirklich nicht nur im Interesse des hessischen Landes, sondern in dem der
öffentlichen Moral, der geradezu in das Gesicht geschlagen wird, wenn Herr
v. Dalwigk nach dem Mißlingen aller anderen Pläne nun schließlich, um
seine bedrohte Stellung zu retten, sich als Preußisch-deutscher Kaiserenthusiast
aufspielen wollte, wie er dies bereits angekündigt hat. Wir können nicht
anders denken, als daß seine Entfernung beschlossene Sache ist.

Nichtsdestoweniger behielten die französischen Gesandtschaftsberichte aus
Darmstadt für die Geschichte dieses Krieges ihr Interesse, vielleicht tragen
diese Zeilen dazu bei, daß Jemand in Paris sich die Mühe nimmt, sie
einzusehen.




Die neuesten caeretaner Erwerbungen des Berliner Museums.

Nördlich von der Rom und Civita vecchia verbindenden Eisenbahnlinie,
von der Station Palo, dem alten Alsium, in anderthalb Stunden zu errei-


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[0157] v. Willich anzuordnen und eine Untersuchung des Thatbestandes einzuleiten. Schon hatten die offiziösen Correspondenzen der Welt mitgetheilt, Herr von Willich sei bereits suspendirt, in Hessen erwartete man mit Bestimmtheit, das schon so lang aus ihm lastende antinationale ultramontane Ministerium fallen zu sehen, Herr v. Rabenau wurde schon als der Chef der neuen Ver¬ waltung bezeichnet, — da blieb plötzlich die ganze Sache auf sich beruhen, Herr v. Willich wurde nicht suspendirt und Herr v. Dalwigk blieb Minister. Ueber die Gründe, welche den Entschluß des Bundeskanzlers nicht zur Aus¬ führung kommen ließen, gibt es nur Vermuthungen. Es wurde behauptet, ein höherer Wille, der jeden Schein einer Pression auf die Fürsten ver¬ mieden haben wollte, habe das Vorgehen des Grafen Bismarck gekreuzt und man hat später in Hessen gesagt, es sei dem Grafen leichter gewesen, zwei Kaiserreiche als das Ministerium Dalwigk zu stürzen. Auf der anderen Seite mußte es auffallen, daß die Darmstädter Zeitung offenbare Unwahr¬ heiten über die betreffenden Thatsachen bringen konnte, die von einem be¬ sonderen Zutrauen in die diplomatische Controle zeugten und den Gerüchten über eine unerwartete Stütze, die Herr v. Dalwigk gefunden, neue Nahrung geben mußten. Nunmehr wird von wohlunterrichteter Seite behauptet, auf ganz besonderen Wunsch des Herrn v. Dalwigk sei die Untersuchung der An¬ gelegenheit bis nach dem Frieden verschoben worden. Es wäre in der That hohe Zeit, daß dieser Minister und seine Collegen die Plätze räumten, von denen sie 20 Jahre lang jede Bestrebung Preußens, die Nation zu einigen, vom Zollverein bis zum Nordbund auf das Zähste bekämpften; es läge das wirklich nicht nur im Interesse des hessischen Landes, sondern in dem der öffentlichen Moral, der geradezu in das Gesicht geschlagen wird, wenn Herr v. Dalwigk nach dem Mißlingen aller anderen Pläne nun schließlich, um seine bedrohte Stellung zu retten, sich als Preußisch-deutscher Kaiserenthusiast aufspielen wollte, wie er dies bereits angekündigt hat. Wir können nicht anders denken, als daß seine Entfernung beschlossene Sache ist. Nichtsdestoweniger behielten die französischen Gesandtschaftsberichte aus Darmstadt für die Geschichte dieses Krieges ihr Interesse, vielleicht tragen diese Zeilen dazu bei, daß Jemand in Paris sich die Mühe nimmt, sie einzusehen. Die neuesten caeretaner Erwerbungen des Berliner Museums. Nördlich von der Rom und Civita vecchia verbindenden Eisenbahnlinie, von der Station Palo, dem alten Alsium, in anderthalb Stunden zu errei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/157>, abgerufen am 22.12.2024.