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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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gerathe, deren sich die Etrusker in dieser Welt zu bedienen pflegten, mit
peinlicher Genauigkeit durch bemalte Reliefs dargestellt sind. Hier wurde
das durch eine Fülle von Inschriften wichtige Familiengrab eines Zweiges
der Tarquinier oder, wie sie etruskisch heißen, der Tarchnas gefunden. Weiter
südlich mehr in der Richtung nach Palo zu kam der uralte unterirdische Bau
zu Tage, der, bezeichnet durch die Namen der Entdecker Ragolini und Ga-
lotti, eine Fülle von Goldschmuck und anderen Arbeiten in Edelmetall gelie¬
fert hat, deren Ursprung zum Theil mit Sicherheit, zum Theil mit Wahr¬
scheinlichkeit auf asiatische Fabriken zurückgeführt werden darf. Der Schatz
an bemalten Vasen, welcher im Laufe der Jahre aus den caeretaner Gräbern
zu Tage gekommen, ist beinahe unermeßlich. Die bisherigen Pächter des
Terrains von Cervetri, die Gebrüder Calabresi, sollen mit dem dadurch er¬
zielten Gewinn alljährlich ein Viertel ihrer Pachtsumme gedeckt haben.

Die neuesten Ausgrabungen, über die ich dem deutschen Publicum gegen¬
wärtig kurzen Bericht geben will, ergänzen unsere Kenntniß auf einem bisher
verhältnißmäßig wenig bekannten Gebiete der italischen Kunst. Während die
Ausstattung der Grabkammern vielfach zur Reconstruction der Innenräume
des toscanischen Hauses verwendet worden ist, geben sie uns wichtige Auf¬
schlüsse über die äußere Ausstattung etruskischer Gebäude. Mögen sich ein¬
zelne Stücke verwandter Art zerstreut in den verschiedenen Museen vorfinden,
so ist bisher niemals ein Ensemble zu Tage gekommen, welches sich in quan¬
titativer und qualitativer Hinsicht mit den neuen Entdeckungen vergleichen ließe.

Das Terrain, wo die Ausgrabungen stattfanden, ist eine der Cappel-
lania Vitalini gehörige Vigne. Sie liegt hinter dem Theater, einem Bau
aus der ersten Kaiserzeit, einer Epoche, in welcher sich Caere, wenn auch weit
entfernt von seiner früheren Blüthe, immerhin eines gewissen Wohlstandes
erfreute. An die Rückseite des Theaters stoßen allerlei Baulichkeiten an, die
derselben Epoche anzugehören scheinen, wie das Theater, jedoch allzusehr zer¬
stört sind, um ihre ursprüngliche Bestimmung im Einzelnen beurtheilen zu
können. Wenige Schritte von der Stelle, wo diese Ruinen aufhören, fanden
die Entdeckungen statt, von denen ich im Folgenden rede.

Bereits früher kamen bei dem Umarbeiten des Bodens der Vigne aus
verhältnißmäßig geringer Tiefe allerlei Fragmente polychromer Terracotten
zu Tage, die, in dem römischen Kunsthandel zerstreut, vielfach das Interesse
der Gelehrten und Künstler auf sich zogen. Hierdurch aufmerksam gemacht,
entschloß sich der Canonicus, dem gegenwärtig die Pfründe Vitalini gehört,
an der betreffenden Stelle systematische Ausgrabungen zu unternehmen, Er
trat zu diesem Zwecke, wie es bei solchen Unternehmungen hergebracht ist, in
Verbindung mit zwei Römern, einem Advocaten und einem Mercante ti
campagna, welcher in Folge seiner künstlerischen Bildung zugleich ein Amt


gerathe, deren sich die Etrusker in dieser Welt zu bedienen pflegten, mit
peinlicher Genauigkeit durch bemalte Reliefs dargestellt sind. Hier wurde
das durch eine Fülle von Inschriften wichtige Familiengrab eines Zweiges
der Tarquinier oder, wie sie etruskisch heißen, der Tarchnas gefunden. Weiter
südlich mehr in der Richtung nach Palo zu kam der uralte unterirdische Bau
zu Tage, der, bezeichnet durch die Namen der Entdecker Ragolini und Ga-
lotti, eine Fülle von Goldschmuck und anderen Arbeiten in Edelmetall gelie¬
fert hat, deren Ursprung zum Theil mit Sicherheit, zum Theil mit Wahr¬
scheinlichkeit auf asiatische Fabriken zurückgeführt werden darf. Der Schatz
an bemalten Vasen, welcher im Laufe der Jahre aus den caeretaner Gräbern
zu Tage gekommen, ist beinahe unermeßlich. Die bisherigen Pächter des
Terrains von Cervetri, die Gebrüder Calabresi, sollen mit dem dadurch er¬
zielten Gewinn alljährlich ein Viertel ihrer Pachtsumme gedeckt haben.

Die neuesten Ausgrabungen, über die ich dem deutschen Publicum gegen¬
wärtig kurzen Bericht geben will, ergänzen unsere Kenntniß auf einem bisher
verhältnißmäßig wenig bekannten Gebiete der italischen Kunst. Während die
Ausstattung der Grabkammern vielfach zur Reconstruction der Innenräume
des toscanischen Hauses verwendet worden ist, geben sie uns wichtige Auf¬
schlüsse über die äußere Ausstattung etruskischer Gebäude. Mögen sich ein¬
zelne Stücke verwandter Art zerstreut in den verschiedenen Museen vorfinden,
so ist bisher niemals ein Ensemble zu Tage gekommen, welches sich in quan¬
titativer und qualitativer Hinsicht mit den neuen Entdeckungen vergleichen ließe.

Das Terrain, wo die Ausgrabungen stattfanden, ist eine der Cappel-
lania Vitalini gehörige Vigne. Sie liegt hinter dem Theater, einem Bau
aus der ersten Kaiserzeit, einer Epoche, in welcher sich Caere, wenn auch weit
entfernt von seiner früheren Blüthe, immerhin eines gewissen Wohlstandes
erfreute. An die Rückseite des Theaters stoßen allerlei Baulichkeiten an, die
derselben Epoche anzugehören scheinen, wie das Theater, jedoch allzusehr zer¬
stört sind, um ihre ursprüngliche Bestimmung im Einzelnen beurtheilen zu
können. Wenige Schritte von der Stelle, wo diese Ruinen aufhören, fanden
die Entdeckungen statt, von denen ich im Folgenden rede.

Bereits früher kamen bei dem Umarbeiten des Bodens der Vigne aus
verhältnißmäßig geringer Tiefe allerlei Fragmente polychromer Terracotten
zu Tage, die, in dem römischen Kunsthandel zerstreut, vielfach das Interesse
der Gelehrten und Künstler auf sich zogen. Hierdurch aufmerksam gemacht,
entschloß sich der Canonicus, dem gegenwärtig die Pfründe Vitalini gehört,
an der betreffenden Stelle systematische Ausgrabungen zu unternehmen, Er
trat zu diesem Zwecke, wie es bei solchen Unternehmungen hergebracht ist, in
Verbindung mit zwei Römern, einem Advocaten und einem Mercante ti
campagna, welcher in Folge seiner künstlerischen Bildung zugleich ein Amt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/159>, abgerufen am 22.12.2024.