Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.liebe Hoheit, der Oberfürst, hatten die Gnade, mich gestern Abend in eine Man nehme einen Mann aus den höchsten Gesellschaftskreisen, den Hun¬ liebe Hoheit, der Oberfürst, hatten die Gnade, mich gestern Abend in eine Man nehme einen Mann aus den höchsten Gesellschaftskreisen, den Hun¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124857"/> <p xml:id="ID_468" prev="#ID_467"> liebe Hoheit, der Oberfürst, hatten die Gnade, mich gestern Abend in eine<lb/> Fensternische zu befehlen und sich angelegentlichst nach der Gesundheit Seiner<lb/> Majestät unseres erhabenen Königs zu erkundigen, Seine königliche Hoheit<lb/> hatten weiter die Gnade sich angelegentlichst nach der Gesundheit Ihrer Ma¬<lb/> jestät unserer erhabenen Königin zu erkundigen u. s. w. u. s. w. durch die<lb/> Genealogie des gesammten vertretenen hohen Hauses durch. Nein, die<lb/> französische Regierung verlangte wirkliche und thatsächliche Auskunft über die<lb/> Verhältnisse der Länder, in welche sie ihre diplomatischen Agenten sandte.<lb/> Bei Ausbruch des Krieges ist in der Nationalzeitung ein wahrer Katechis¬<lb/> mus von Fragen veröffentlicht worden, deren Beantwortung den französi¬<lb/> schen Gesandten an den kleinen Höfe» aufgegeben war. Es hat in der Stel¬<lb/> lung der Fragen an Schiefem und Verkehrten nicht gefehlt, wenn aber ein<lb/> Gesandter etwas Eingehendes über die Lage des Landes, in dem er accredi-<lb/> tirt war, vorzubringen hatte, so fehlte es ihm nicht an Gelegenheit, es bei<lb/> der Beantwortung der fünf bis sechs Dutzend gestellten Fragen anzuwenden.<lb/> Allein was wußten diese Leute von dem Lande, in dem sie sich befanden?<lb/> In der Regel nicht mehr als ihre Landsleute auf den Boulevards, die zu<lb/> Hause geblieben waren. Dagegen waren sie sich alle darüber klar, was man<lb/> auf ihrem Ministerium in Paris gern hören würde. Und so ward lustig<lb/> darauf los berichtet. On in'g, tromps — soll Napoleon nach den ersten Un¬<lb/> glücksfällen fortwährend ausgerufen haben. Zu Denen, die Napoleon ge¬<lb/> täuscht und betrogen haben, gehört vor Allem seine Diplomatie in Deutsch¬<lb/> land; allein welcher Mann mit seinen gesunden fünf Sinnen konnte von<lb/> diesen Leuten eine vertrauenswerthe Auskunft erwarten? Sie haben alle, Na¬<lb/> poleon wie seine Minister, seine Diplomaten. Abgeordneten und Senatoren,<lb/> Presse und Opposition an dem Lügengewebe mitgewirkt, in welchem Frank¬<lb/> reich denn schließlich sich selbst gefangen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_469" next="#ID_470"> Man nehme einen Mann aus den höchsten Gesellschaftskreisen, den Hun¬<lb/> derte von Vorurtheilen von der großen Masse seines eigenen Landes und<lb/> deren Gedankenkreis trennen, der sich in den Tuilerien und in den Salons<lb/> distinguirt zu benehmen weiß, dem aber seine Mittel nicht erlauben, in Paris<lb/> standesg/maß zu leben, und der daher eine ehrenvolle Verbannung von dem<lb/> Mittelpunkt der Civilisation sich gefallen lassen muß, und man hat den Ge¬<lb/> sandten, Gesandtschaftssecretär u. f. w., wie er an den kleinen Höfen sich<lb/> vorfindet. Man stelle sich weiter vor, daß ein solcher Graf oder Baron<lb/> über die ersten Anfangsgründe der deutschen Sprache kaum hinaus ist, daß<lb/> er seine politischen Informationen von dem Hofadel erhält, eingehendere Be¬<lb/> lehrungen über das Verhältniß der kleinstaatlichen und annectirten Bevölke¬<lb/> rung zu Preußen ihm etwa durch Herrn v. Dalwigk gespendet werden und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0151]
liebe Hoheit, der Oberfürst, hatten die Gnade, mich gestern Abend in eine
Fensternische zu befehlen und sich angelegentlichst nach der Gesundheit Seiner
Majestät unseres erhabenen Königs zu erkundigen, Seine königliche Hoheit
hatten weiter die Gnade sich angelegentlichst nach der Gesundheit Ihrer Ma¬
jestät unserer erhabenen Königin zu erkundigen u. s. w. u. s. w. durch die
Genealogie des gesammten vertretenen hohen Hauses durch. Nein, die
französische Regierung verlangte wirkliche und thatsächliche Auskunft über die
Verhältnisse der Länder, in welche sie ihre diplomatischen Agenten sandte.
Bei Ausbruch des Krieges ist in der Nationalzeitung ein wahrer Katechis¬
mus von Fragen veröffentlicht worden, deren Beantwortung den französi¬
schen Gesandten an den kleinen Höfe» aufgegeben war. Es hat in der Stel¬
lung der Fragen an Schiefem und Verkehrten nicht gefehlt, wenn aber ein
Gesandter etwas Eingehendes über die Lage des Landes, in dem er accredi-
tirt war, vorzubringen hatte, so fehlte es ihm nicht an Gelegenheit, es bei
der Beantwortung der fünf bis sechs Dutzend gestellten Fragen anzuwenden.
Allein was wußten diese Leute von dem Lande, in dem sie sich befanden?
In der Regel nicht mehr als ihre Landsleute auf den Boulevards, die zu
Hause geblieben waren. Dagegen waren sie sich alle darüber klar, was man
auf ihrem Ministerium in Paris gern hören würde. Und so ward lustig
darauf los berichtet. On in'g, tromps — soll Napoleon nach den ersten Un¬
glücksfällen fortwährend ausgerufen haben. Zu Denen, die Napoleon ge¬
täuscht und betrogen haben, gehört vor Allem seine Diplomatie in Deutsch¬
land; allein welcher Mann mit seinen gesunden fünf Sinnen konnte von
diesen Leuten eine vertrauenswerthe Auskunft erwarten? Sie haben alle, Na¬
poleon wie seine Minister, seine Diplomaten. Abgeordneten und Senatoren,
Presse und Opposition an dem Lügengewebe mitgewirkt, in welchem Frank¬
reich denn schließlich sich selbst gefangen hat.
Man nehme einen Mann aus den höchsten Gesellschaftskreisen, den Hun¬
derte von Vorurtheilen von der großen Masse seines eigenen Landes und
deren Gedankenkreis trennen, der sich in den Tuilerien und in den Salons
distinguirt zu benehmen weiß, dem aber seine Mittel nicht erlauben, in Paris
standesg/maß zu leben, und der daher eine ehrenvolle Verbannung von dem
Mittelpunkt der Civilisation sich gefallen lassen muß, und man hat den Ge¬
sandten, Gesandtschaftssecretär u. f. w., wie er an den kleinen Höfen sich
vorfindet. Man stelle sich weiter vor, daß ein solcher Graf oder Baron
über die ersten Anfangsgründe der deutschen Sprache kaum hinaus ist, daß
er seine politischen Informationen von dem Hofadel erhält, eingehendere Be¬
lehrungen über das Verhältniß der kleinstaatlichen und annectirten Bevölke¬
rung zu Preußen ihm etwa durch Herrn v. Dalwigk gespendet werden und
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |