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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Schlag ist geschehen und es ist vielleicht ein Glück, daß es erwacht, ob auch
durch Wunden, ihm geschlagen von einem vom Kopfe bis zum Fuße gewaff-
neter Krieger, der auf dasselbe in einem Augenblicke losschlägt, da es einge-
geschlafen ist.

Ja das Kaiserreich, auf das allgemeine Stimmrecht gestützt und seine
glücklichen Feldzüge mißbrauchend, hat uns wider Willen in einen unsinnigen
Krieg gestürzt. Wir wurden ohne Waffen, ohne Munition, ohne Feldaus¬
rüstung, ohne rechte Organisation, ohne Anführer in den Krieg geschleudert
und vor allem ohne Wachsamkeit neben Nachbarn, die Alles, Alles wußten,
was bei uns vorging und wie es bei uns stand, Nachbarn, die die Stunde
erspähten und glücklich erlauschten, wo sie uns überfallen könnten. Bis zur
Beschießung Straßburgs wollte ich nicht daran glauben, aber jetzt glaube
ich Alles. -- Mehr mit einem Scheine des Rechtes, als mit wirklichem Grunde
sagen die Deutschen, daß sie angegriffen worden sind, und nun plündern sie
den Elsaß, Lothringen vorzüglich und die Champagne; sie stecken friedliche
Dörfer in Brand, während wir nicht eine Flinte, nicht einen bewaffneten
Eingeborenen in den Vogesen haben, während unsre Soldaten sich gegen drei
und mehr schlagen müssen und das geht so fort, das bleibt immer dasselbe,
noch vor sechs Tagen. Das beweist wahrlich nicht, daß der Krieg von Seiten
der Deutschen gerechter ist, als von Seiten der Franzosen; die Art der Krieg¬
führung verurtheilt heute die Deutschen und gibt ihnen Unrecht; sie haben
die Zahl für sich, wie einst die Horden der Hunnen, der Wandalen, der
Gothen und alle Mittel sind ihnen recht.

Geduld! Wir werden nicht dieselben Mittel anwenden, aber wir werden
dennoch zuletzt Sieger bleiben! nicht ein Deutscher soll lebendig aus Frank¬
reich kommen, so gut wie wir nicht hätten lebendig aus der Pfalz kommen
dürfen, wenn wir sie überzogen hätten. Wir werden's ja sehen.

Dies hatte ich auf dem Herzen! Wenn ich es Ihnen nicht sagte, Ihnen,
der Sie vielleicht gar nicht Alles wissen, nicht recht unterrichtet sind, wie es
bei Ihrer Armee hergeht, wem sollte ich's sagen? wer konnte mich besser
verstehen? -- Wir weinen wie Sie über all' dieses Unglück; aber wir sind
voll Vertrauens; wir heben stolz das Haupt empor in dem Bewußtsein, einer
gegen drei und mehr noch zu stehen. Heute kann ich nicht sagen, was sich
vorbereitet, denn wir haben seit mehreren Tagen keine unmittelbaren Nach¬
richten von unserer Armee. Ich hoffe, daß dieser Krieg bald beendigt sein
wird, aber freilich erst, wenn er 600,000 Krieger gekostet hat. -- Geben Sie
uns bald Nachricht; antworten Sie auf meine Fragen und glauben Sie an
Ihren Sie herzlich liebenden und Ihnen treu ergebenen Freund, welcher
weiß, daß die Freundschaft und die Gerechtigkeit in allen Ländern eine hei¬
mische Stätte hat.

Grüßen Sie die Ihrigen. Ich bin :c.

Schlag ist geschehen und es ist vielleicht ein Glück, daß es erwacht, ob auch
durch Wunden, ihm geschlagen von einem vom Kopfe bis zum Fuße gewaff-
neter Krieger, der auf dasselbe in einem Augenblicke losschlägt, da es einge-
geschlafen ist.

Ja das Kaiserreich, auf das allgemeine Stimmrecht gestützt und seine
glücklichen Feldzüge mißbrauchend, hat uns wider Willen in einen unsinnigen
Krieg gestürzt. Wir wurden ohne Waffen, ohne Munition, ohne Feldaus¬
rüstung, ohne rechte Organisation, ohne Anführer in den Krieg geschleudert
und vor allem ohne Wachsamkeit neben Nachbarn, die Alles, Alles wußten,
was bei uns vorging und wie es bei uns stand, Nachbarn, die die Stunde
erspähten und glücklich erlauschten, wo sie uns überfallen könnten. Bis zur
Beschießung Straßburgs wollte ich nicht daran glauben, aber jetzt glaube
ich Alles. — Mehr mit einem Scheine des Rechtes, als mit wirklichem Grunde
sagen die Deutschen, daß sie angegriffen worden sind, und nun plündern sie
den Elsaß, Lothringen vorzüglich und die Champagne; sie stecken friedliche
Dörfer in Brand, während wir nicht eine Flinte, nicht einen bewaffneten
Eingeborenen in den Vogesen haben, während unsre Soldaten sich gegen drei
und mehr schlagen müssen und das geht so fort, das bleibt immer dasselbe,
noch vor sechs Tagen. Das beweist wahrlich nicht, daß der Krieg von Seiten
der Deutschen gerechter ist, als von Seiten der Franzosen; die Art der Krieg¬
führung verurtheilt heute die Deutschen und gibt ihnen Unrecht; sie haben
die Zahl für sich, wie einst die Horden der Hunnen, der Wandalen, der
Gothen und alle Mittel sind ihnen recht.

Geduld! Wir werden nicht dieselben Mittel anwenden, aber wir werden
dennoch zuletzt Sieger bleiben! nicht ein Deutscher soll lebendig aus Frank¬
reich kommen, so gut wie wir nicht hätten lebendig aus der Pfalz kommen
dürfen, wenn wir sie überzogen hätten. Wir werden's ja sehen.

Dies hatte ich auf dem Herzen! Wenn ich es Ihnen nicht sagte, Ihnen,
der Sie vielleicht gar nicht Alles wissen, nicht recht unterrichtet sind, wie es
bei Ihrer Armee hergeht, wem sollte ich's sagen? wer konnte mich besser
verstehen? — Wir weinen wie Sie über all' dieses Unglück; aber wir sind
voll Vertrauens; wir heben stolz das Haupt empor in dem Bewußtsein, einer
gegen drei und mehr noch zu stehen. Heute kann ich nicht sagen, was sich
vorbereitet, denn wir haben seit mehreren Tagen keine unmittelbaren Nach¬
richten von unserer Armee. Ich hoffe, daß dieser Krieg bald beendigt sein
wird, aber freilich erst, wenn er 600,000 Krieger gekostet hat. — Geben Sie
uns bald Nachricht; antworten Sie auf meine Fragen und glauben Sie an
Ihren Sie herzlich liebenden und Ihnen treu ergebenen Freund, welcher
weiß, daß die Freundschaft und die Gerechtigkeit in allen Ländern eine hei¬
mische Stätte hat.

Grüßen Sie die Ihrigen. Ich bin :c.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/140>, abgerufen am 22.12.2024.