Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Denkschrift, welche in Folge der Beobachtungen unserer General-Intendantur Ja, in ü hö en. Die Erinnerung an unsere Landsleute, welche bei Wörth, Aber wir wiederholen, dies ist ein grimmiger Krieg und trauriger als ? Verantwortlicher Redacteur: Alfred Doue. Verlag von F. L. Hcrbig. -- Druck von Hüthel " Legler in Leipzig. Denkschrift, welche in Folge der Beobachtungen unserer General-Intendantur Ja, in ü hö en. Die Erinnerung an unsere Landsleute, welche bei Wörth, Aber wir wiederholen, dies ist ein grimmiger Krieg und trauriger als ? Verantwortlicher Redacteur: Alfred Doue. Verlag von F. L. Hcrbig. — Druck von Hüthel » Legler in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124834"/> <p xml:id="ID_400" prev="#ID_399"> Denkschrift, welche in Folge der Beobachtungen unserer General-Intendantur<lb/> von Berlin aus veröffentlicht wurde, drückt nur sehr vorsichtig das wirkliche<lb/> Sachverhältniß aus. Die Franzosen haben die Umgegend von Paris auf<lb/> mehrere Meilen aller Lebensmittel beraubt, was Einzelne etwa noch versteckt<lb/> hatten — für das Ganze ohnedies unwesentlich — hat die Spurkunst unsrer<lb/> Soldaten aus dem Boden und den Mauern gehoben; die Eisenbahnlinien,<lb/> Brücken, Viaducte, Canäle sind von den Franzosen zerstört, unser Heer hat<lb/> durch Requisitionen der Intendantur und der Truppen die ganze weite Um¬<lb/> gegend entleeren müssen. Mit jedem Tage vergrößert sich der unselige Bann¬<lb/> kreis der aufgezehrten Landschaft. Es ist vorauszusehen, daß in wenig<lb/> Wochen ein rüstiger Wanderer, der Paris verläßt, 5—6 Tagemarsche nöthig<lb/> haben wird, um einen Bissen Brod zu erhalten. Wird uns Paris durch<lb/> den Hunger erschlossen, wie soll die geschwächte und verzweifelte Bevölkerung,<lb/> Männer, Weiber, Kinder diesen Wintermarsch durch die öde Landschaft über¬<lb/> stehen, und wie soll das Land, welches weithin arm an Lebensmitteln sein<lb/> wird, diese Elenden aufnehmen und erhalten? Zufuhren sind kaum noch zu<lb/> Wasser möglich, die entfernteren Städte werden sich nicht beeilen durch unsere<lb/> Truppenaufstellung hilfreich beladene Kähne durchzuführen. Und was ver¬<lb/> mögen solche Kahnludungen sür zwei Millionen Menschen? Die Franzosen<lb/> in ihrer wahnsinnigen Verblendung werden diese Betrachtung höhnend<lb/> mit den Worten abfertigen: „Es ist die eigene Noth, welche dem Feinde<lb/> solche Bilder hingibt", und manch verworfenes Individuum zu Paris, welches<lb/> so eben sein Cotelett für vier Franken genossen hat, empfindet in dem Be¬<lb/> wußtsein, daß sein Beutel noch gefüllt ist und daß seine Beine ihn in jedem<lb/> Fall aus dem Hungergebiet hinaustragen werden, einen angenehmen melodrama¬<lb/> tischen Schauer bei dem Gedanken, daß er den letzten Act von Halevy's Oper<lb/> „Guido und Ginevra" in massenhafter Wirklichkeit überleben wird. Aber die<lb/> Augen der Deutschen schauen finster auf die gottverdammte, fluchbelastete Stadt,<lb/> an der wir ein fürchterliches Strafgericht vollziehen müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_401"> Ja, in ü hö en. Die Erinnerung an unsere Landsleute, welche bei Wörth,<lb/> Metz, Sedan fielen, mahnt zur Vollendung, es mahnt die große Pflicht, welche<lb/> wir gegen die Heimath übernommen haben, gründlich zu tilgen die Noth<lb/> und Unsicherheit, welche die politische Lasterhaftigkeit der Franzosen in<lb/> die civilisirten, friedeheischenden Völker der Erde brachte. Wie schwer die<lb/> Arbeit sei, und wie herzerschütternd selbst für festgepanzerte Brust, wir führen<lb/> sie aus bis zum Ende. Wir züchtigen, was Vernunft und Gerechtigkeit nicht<lb/> hat, ein Geschlecht, das Nationalbelohnung für Meuchelmord fordert und noch<lb/> vor dem offnen Grabe schwindelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_402"> Aber wir wiederholen, dies ist ein grimmiger Krieg und trauriger als<lb/> das Blut der Schlachtfelder macht der Einblick in so viel Verlogenheit, Er¬<lb/> bärmlichkeit, politischen Verderb.</p><lb/> <note type="byline"> ?</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur: Alfred Doue.<lb/> Verlag von F. L. Hcrbig. — Druck von Hüthel » Legler in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0128]
Denkschrift, welche in Folge der Beobachtungen unserer General-Intendantur
von Berlin aus veröffentlicht wurde, drückt nur sehr vorsichtig das wirkliche
Sachverhältniß aus. Die Franzosen haben die Umgegend von Paris auf
mehrere Meilen aller Lebensmittel beraubt, was Einzelne etwa noch versteckt
hatten — für das Ganze ohnedies unwesentlich — hat die Spurkunst unsrer
Soldaten aus dem Boden und den Mauern gehoben; die Eisenbahnlinien,
Brücken, Viaducte, Canäle sind von den Franzosen zerstört, unser Heer hat
durch Requisitionen der Intendantur und der Truppen die ganze weite Um¬
gegend entleeren müssen. Mit jedem Tage vergrößert sich der unselige Bann¬
kreis der aufgezehrten Landschaft. Es ist vorauszusehen, daß in wenig
Wochen ein rüstiger Wanderer, der Paris verläßt, 5—6 Tagemarsche nöthig
haben wird, um einen Bissen Brod zu erhalten. Wird uns Paris durch
den Hunger erschlossen, wie soll die geschwächte und verzweifelte Bevölkerung,
Männer, Weiber, Kinder diesen Wintermarsch durch die öde Landschaft über¬
stehen, und wie soll das Land, welches weithin arm an Lebensmitteln sein
wird, diese Elenden aufnehmen und erhalten? Zufuhren sind kaum noch zu
Wasser möglich, die entfernteren Städte werden sich nicht beeilen durch unsere
Truppenaufstellung hilfreich beladene Kähne durchzuführen. Und was ver¬
mögen solche Kahnludungen sür zwei Millionen Menschen? Die Franzosen
in ihrer wahnsinnigen Verblendung werden diese Betrachtung höhnend
mit den Worten abfertigen: „Es ist die eigene Noth, welche dem Feinde
solche Bilder hingibt", und manch verworfenes Individuum zu Paris, welches
so eben sein Cotelett für vier Franken genossen hat, empfindet in dem Be¬
wußtsein, daß sein Beutel noch gefüllt ist und daß seine Beine ihn in jedem
Fall aus dem Hungergebiet hinaustragen werden, einen angenehmen melodrama¬
tischen Schauer bei dem Gedanken, daß er den letzten Act von Halevy's Oper
„Guido und Ginevra" in massenhafter Wirklichkeit überleben wird. Aber die
Augen der Deutschen schauen finster auf die gottverdammte, fluchbelastete Stadt,
an der wir ein fürchterliches Strafgericht vollziehen müssen.
Ja, in ü hö en. Die Erinnerung an unsere Landsleute, welche bei Wörth,
Metz, Sedan fielen, mahnt zur Vollendung, es mahnt die große Pflicht, welche
wir gegen die Heimath übernommen haben, gründlich zu tilgen die Noth
und Unsicherheit, welche die politische Lasterhaftigkeit der Franzosen in
die civilisirten, friedeheischenden Völker der Erde brachte. Wie schwer die
Arbeit sei, und wie herzerschütternd selbst für festgepanzerte Brust, wir führen
sie aus bis zum Ende. Wir züchtigen, was Vernunft und Gerechtigkeit nicht
hat, ein Geschlecht, das Nationalbelohnung für Meuchelmord fordert und noch
vor dem offnen Grabe schwindelt.
Aber wir wiederholen, dies ist ein grimmiger Krieg und trauriger als
das Blut der Schlachtfelder macht der Einblick in so viel Verlogenheit, Er¬
bärmlichkeit, politischen Verderb.
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Verantwortlicher Redacteur: Alfred Doue.
Verlag von F. L. Hcrbig. — Druck von Hüthel » Legler in Leipzig.
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