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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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kommen und daß ihr Abgang von allen ohne Unterschied als ein freudiges
Ereigniß gefeiert wurde. Nur die französischen "Damen" in Mexico gaben
den Truppen bei ihrem Abzug ihre Sympathien zu erkennen und priesen das
herrliche Herr, das berufen sei, die Welt zu erobern und das sehr bald
"Berlin" mit dem Bajonette nehmen werde.

Wir müssen hier mit einigen Worten noch eine Frage berühren, die zu
lebhaftem Federkrieg zwischen den Anhängern Maximilian's und den Fran¬
zosen Veranlassung gegeben hat: die Frage nach dem Antheil Bazaine's an
dem Decret vom 3. Oetober 1863. Dies Decret wurde erlassen, als man
durch die Nachricht, daß Juarez sich in das Gebiet der Union geflüchtet habe,
zu der Meinung veranlaßt wurde, derselbe habe das Spiel aufgegeben, wes¬
halb man die vereinzelten Schaaren. die fortan noch Widerstand leisten wür¬
den, als Briganten zu betrachten sich für berechtigt hielt. Das Decret be¬
drohte daher, nachdem im Eingang Juarez' Tüchtigkeit und Gesinnungstreue
in warmer Weise anerkannt war, alle, die fortan den Kampf fortsetzen wür¬
den, mit der äußersten Strenge des Kriegsgesetzes. Auch blieb die Drohung
kein bloser Buchstabe, es wurden in der That zahlreiche standrechtliche Hin¬
richtungen vollzogen, sogar gegen hochstehende Männer, die man unmöglich
als Räuberhauptleute betrachten konnte. Nach Ke^ratrys Behauptung hat
nun Maximilian das Decret eigenhändig und aus eigner Eingebung entwor¬
fen. Der Marschall habe den Juarez ehrenden Eingang, der für Frankreich
beleidigend sei, gemißbilligt; im übrigen -- habe er erklärt -- sei das Gesetz,
da ja bereits Kriegsgerichte in Function stünden, die das Gewissen der fran¬
zösischen Offiziere als Garantie böten, unnütz; und schädlich würde es sogar
wirken, wenn man Mexikaner über Mexikaner wollte richten lassen. Daß
Maximilian übrigens nicht aus Grausamkeit das Gesetz erlassen habe, er¬
kennt Ka'ratry bereitwillig an; oft habe die Milde der kaiserlichen Familie
die Gerechtigkeit der französischen Kriegsgerichte auf unkluge Weise durch¬
kreuzt.

Nach der Mittheilung des Prinzen Salm, der sich auf den Kaiser selbst
beruft, ist der Entwurf des Gesetzes dagegen von Bazaine ausgearbeitet wor¬
den. Auch habe er an dem Entwürfe fortwährend verschärfende eigenhän¬
dige Verbesserungen gemacht und dasselbe bereits in Anwendung gebracht,
ehe es erlassen war: was in so fern jedenfalls richtig ist, als die französischen
Kriegsgerichte gegen die Bandenführer schon lange vor dem Erlaß des Gesetzes
mit äußerster Strenge verfuhren. Uebriges habe der Kaiser das Gesetz nur unter
dem Vorbehalt unterzeichnet, daß es allein auf Mörder und Straßenräuber
und auch dann nur nach seiner speciellen Bestätigung angewendet werde.
Wie Bazaine dies Gesetz angewendet habe, lasse sich -- fügt Prinz Salm
hinzu -- bei dieses Mannes Eigenmächtigkeit nur vermuthen, sicher aber sei,


kommen und daß ihr Abgang von allen ohne Unterschied als ein freudiges
Ereigniß gefeiert wurde. Nur die französischen „Damen" in Mexico gaben
den Truppen bei ihrem Abzug ihre Sympathien zu erkennen und priesen das
herrliche Herr, das berufen sei, die Welt zu erobern und das sehr bald
„Berlin" mit dem Bajonette nehmen werde.

Wir müssen hier mit einigen Worten noch eine Frage berühren, die zu
lebhaftem Federkrieg zwischen den Anhängern Maximilian's und den Fran¬
zosen Veranlassung gegeben hat: die Frage nach dem Antheil Bazaine's an
dem Decret vom 3. Oetober 1863. Dies Decret wurde erlassen, als man
durch die Nachricht, daß Juarez sich in das Gebiet der Union geflüchtet habe,
zu der Meinung veranlaßt wurde, derselbe habe das Spiel aufgegeben, wes¬
halb man die vereinzelten Schaaren. die fortan noch Widerstand leisten wür¬
den, als Briganten zu betrachten sich für berechtigt hielt. Das Decret be¬
drohte daher, nachdem im Eingang Juarez' Tüchtigkeit und Gesinnungstreue
in warmer Weise anerkannt war, alle, die fortan den Kampf fortsetzen wür¬
den, mit der äußersten Strenge des Kriegsgesetzes. Auch blieb die Drohung
kein bloser Buchstabe, es wurden in der That zahlreiche standrechtliche Hin¬
richtungen vollzogen, sogar gegen hochstehende Männer, die man unmöglich
als Räuberhauptleute betrachten konnte. Nach Ke^ratrys Behauptung hat
nun Maximilian das Decret eigenhändig und aus eigner Eingebung entwor¬
fen. Der Marschall habe den Juarez ehrenden Eingang, der für Frankreich
beleidigend sei, gemißbilligt; im übrigen — habe er erklärt — sei das Gesetz,
da ja bereits Kriegsgerichte in Function stünden, die das Gewissen der fran¬
zösischen Offiziere als Garantie böten, unnütz; und schädlich würde es sogar
wirken, wenn man Mexikaner über Mexikaner wollte richten lassen. Daß
Maximilian übrigens nicht aus Grausamkeit das Gesetz erlassen habe, er¬
kennt Ka'ratry bereitwillig an; oft habe die Milde der kaiserlichen Familie
die Gerechtigkeit der französischen Kriegsgerichte auf unkluge Weise durch¬
kreuzt.

Nach der Mittheilung des Prinzen Salm, der sich auf den Kaiser selbst
beruft, ist der Entwurf des Gesetzes dagegen von Bazaine ausgearbeitet wor¬
den. Auch habe er an dem Entwürfe fortwährend verschärfende eigenhän¬
dige Verbesserungen gemacht und dasselbe bereits in Anwendung gebracht,
ehe es erlassen war: was in so fern jedenfalls richtig ist, als die französischen
Kriegsgerichte gegen die Bandenführer schon lange vor dem Erlaß des Gesetzes
mit äußerster Strenge verfuhren. Uebriges habe der Kaiser das Gesetz nur unter
dem Vorbehalt unterzeichnet, daß es allein auf Mörder und Straßenräuber
und auch dann nur nach seiner speciellen Bestätigung angewendet werde.
Wie Bazaine dies Gesetz angewendet habe, lasse sich — fügt Prinz Salm
hinzu — bei dieses Mannes Eigenmächtigkeit nur vermuthen, sicher aber sei,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/538>, abgerufen am 29.06.2024.