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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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ber 186S, -- auf das wir noch an einer anderen Stelle zurückkommen müssen
-- weit entfernt, dem Bardenwesen ein rasches Ende zu bereiten, gab viel¬
mehr dem Haß gegen die Fremden und leider auch gegen die Person des
Kaisers neue Nahrung, es entzündete den Volkskrieg und stempelte in den
Augen der Bevölkerung die Bandenführer, die es achtete, zu Patrioten und
Märtyrern der Unabhängigkeit. Vor Allem aber wurde die Krisis dadurch
beschleunigt, daß jetzt die amerikanische Union anfing, ihre bisher beobachtete
Haltung aufzugeben und entschieden in die Verhältnisse einzugreifen. Hatte
noch im April 1864 bei der Nachricht von der gegen Gründung einer Mo¬
narchie gerichteten Resolution des Congresses in Washington Drouyn de
L'huys den amerikanischen Gesandten mit der stolzen Frage empfangen: Bringen
Sie uns den Frieden oder den Krieg? -- so war man am Ende d. 1.1863
bereits zu dem Entschlüsse gekommen, das Unternehmen ganz aufzugeben und
den unglücklichen Schützling seinem Schicksal zu überlassen. Am 9. Januar
1866 erklärte das französische Kabinet dem nordamerikanischen Minister Seward
seine Bereitwilligkeit, die Zurückberufung der französischen Truppen aus Mexico
möglichst zu beschleunigen, und 8 Tage darnach wurde der Baron Seillard
mit den darauf bezüglichen vertraulichen Jnstructionen (Maximilian durfte
von der Lage der Dinge noch Nichts erfahren) an Bazaine abgeschickt. Aber
mit einem so allgemein gehaltenen Versprechen war der amerikanische Dränger
nicht zufrieden gestellt. In einer vom 12. Februar 1866 datirten, auch in
der Form äußerst schroffen Note verlangt Seward ganz kategorisch die end-
giltige Angabe des für die Zurückziehung der Truppen bestimmten Zeit¬
punktes. Diese Dringlichkeit hatte ihren guten Grund: man wußte in Was¬
hington, daß Napoleon bereits entschlossen sei, Maximilian fallen zu lassen,
aber man fürchtete, und nicht ohne Ursache, daß er den Abzug seiner Truppen
bis nach Maximilians Abzug zu verzögern wünsche, um auf die Umgestaltung
der mexikanischen Verhältnisse maßgebenden Einfluß ausüben und besonders
die Neubegründung des verhaßten Juarez'schen Regiments hindern zu können.
Aber gerade die völlige Beseitigung des französischen Einflusses war das
höchste Ziel des Kabinets von Washington, dessen Politik sich daher viel
schärfer gegen Napoleon als gegen Maximilian richtete, den anzugreifen über¬
flüssig schien, da seine Sache bereits als verloren angesehen wurde.
''

Schon vor der Drohnote Sewards hatte Drouyn de Lhuys dem
französischen Ministerresidenten in Mexico Dano unterm 14. und 15. Februar
1866 die Mittheilung zugehen lassen, daß die Räumung Mexico's beschlossen
sei. Als Ursache dieses Entschlusses, der Maximilian wie ein Blitz aus heiterem
Himmel traf, wird angegeben, Mexico befinde sich in der anerkannten Unmög¬
lichkeit, die Bedingungen von Miramare fernerhin zu erfüllen. Daß man
die wahre Ursache zu bekennen sich scheute, war erklärlich. Aber es gehörte


ber 186S, — auf das wir noch an einer anderen Stelle zurückkommen müssen
— weit entfernt, dem Bardenwesen ein rasches Ende zu bereiten, gab viel¬
mehr dem Haß gegen die Fremden und leider auch gegen die Person des
Kaisers neue Nahrung, es entzündete den Volkskrieg und stempelte in den
Augen der Bevölkerung die Bandenführer, die es achtete, zu Patrioten und
Märtyrern der Unabhängigkeit. Vor Allem aber wurde die Krisis dadurch
beschleunigt, daß jetzt die amerikanische Union anfing, ihre bisher beobachtete
Haltung aufzugeben und entschieden in die Verhältnisse einzugreifen. Hatte
noch im April 1864 bei der Nachricht von der gegen Gründung einer Mo¬
narchie gerichteten Resolution des Congresses in Washington Drouyn de
L'huys den amerikanischen Gesandten mit der stolzen Frage empfangen: Bringen
Sie uns den Frieden oder den Krieg? — so war man am Ende d. 1.1863
bereits zu dem Entschlüsse gekommen, das Unternehmen ganz aufzugeben und
den unglücklichen Schützling seinem Schicksal zu überlassen. Am 9. Januar
1866 erklärte das französische Kabinet dem nordamerikanischen Minister Seward
seine Bereitwilligkeit, die Zurückberufung der französischen Truppen aus Mexico
möglichst zu beschleunigen, und 8 Tage darnach wurde der Baron Seillard
mit den darauf bezüglichen vertraulichen Jnstructionen (Maximilian durfte
von der Lage der Dinge noch Nichts erfahren) an Bazaine abgeschickt. Aber
mit einem so allgemein gehaltenen Versprechen war der amerikanische Dränger
nicht zufrieden gestellt. In einer vom 12. Februar 1866 datirten, auch in
der Form äußerst schroffen Note verlangt Seward ganz kategorisch die end-
giltige Angabe des für die Zurückziehung der Truppen bestimmten Zeit¬
punktes. Diese Dringlichkeit hatte ihren guten Grund: man wußte in Was¬
hington, daß Napoleon bereits entschlossen sei, Maximilian fallen zu lassen,
aber man fürchtete, und nicht ohne Ursache, daß er den Abzug seiner Truppen
bis nach Maximilians Abzug zu verzögern wünsche, um auf die Umgestaltung
der mexikanischen Verhältnisse maßgebenden Einfluß ausüben und besonders
die Neubegründung des verhaßten Juarez'schen Regiments hindern zu können.
Aber gerade die völlige Beseitigung des französischen Einflusses war das
höchste Ziel des Kabinets von Washington, dessen Politik sich daher viel
schärfer gegen Napoleon als gegen Maximilian richtete, den anzugreifen über¬
flüssig schien, da seine Sache bereits als verloren angesehen wurde.
''

Schon vor der Drohnote Sewards hatte Drouyn de Lhuys dem
französischen Ministerresidenten in Mexico Dano unterm 14. und 15. Februar
1866 die Mittheilung zugehen lassen, daß die Räumung Mexico's beschlossen
sei. Als Ursache dieses Entschlusses, der Maximilian wie ein Blitz aus heiterem
Himmel traf, wird angegeben, Mexico befinde sich in der anerkannten Unmög¬
lichkeit, die Bedingungen von Miramare fernerhin zu erfüllen. Daß man
die wahre Ursache zu bekennen sich scheute, war erklärlich. Aber es gehörte


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[0532] ber 186S, — auf das wir noch an einer anderen Stelle zurückkommen müssen — weit entfernt, dem Bardenwesen ein rasches Ende zu bereiten, gab viel¬ mehr dem Haß gegen die Fremden und leider auch gegen die Person des Kaisers neue Nahrung, es entzündete den Volkskrieg und stempelte in den Augen der Bevölkerung die Bandenführer, die es achtete, zu Patrioten und Märtyrern der Unabhängigkeit. Vor Allem aber wurde die Krisis dadurch beschleunigt, daß jetzt die amerikanische Union anfing, ihre bisher beobachtete Haltung aufzugeben und entschieden in die Verhältnisse einzugreifen. Hatte noch im April 1864 bei der Nachricht von der gegen Gründung einer Mo¬ narchie gerichteten Resolution des Congresses in Washington Drouyn de L'huys den amerikanischen Gesandten mit der stolzen Frage empfangen: Bringen Sie uns den Frieden oder den Krieg? — so war man am Ende d. 1.1863 bereits zu dem Entschlüsse gekommen, das Unternehmen ganz aufzugeben und den unglücklichen Schützling seinem Schicksal zu überlassen. Am 9. Januar 1866 erklärte das französische Kabinet dem nordamerikanischen Minister Seward seine Bereitwilligkeit, die Zurückberufung der französischen Truppen aus Mexico möglichst zu beschleunigen, und 8 Tage darnach wurde der Baron Seillard mit den darauf bezüglichen vertraulichen Jnstructionen (Maximilian durfte von der Lage der Dinge noch Nichts erfahren) an Bazaine abgeschickt. Aber mit einem so allgemein gehaltenen Versprechen war der amerikanische Dränger nicht zufrieden gestellt. In einer vom 12. Februar 1866 datirten, auch in der Form äußerst schroffen Note verlangt Seward ganz kategorisch die end- giltige Angabe des für die Zurückziehung der Truppen bestimmten Zeit¬ punktes. Diese Dringlichkeit hatte ihren guten Grund: man wußte in Was¬ hington, daß Napoleon bereits entschlossen sei, Maximilian fallen zu lassen, aber man fürchtete, und nicht ohne Ursache, daß er den Abzug seiner Truppen bis nach Maximilians Abzug zu verzögern wünsche, um auf die Umgestaltung der mexikanischen Verhältnisse maßgebenden Einfluß ausüben und besonders die Neubegründung des verhaßten Juarez'schen Regiments hindern zu können. Aber gerade die völlige Beseitigung des französischen Einflusses war das höchste Ziel des Kabinets von Washington, dessen Politik sich daher viel schärfer gegen Napoleon als gegen Maximilian richtete, den anzugreifen über¬ flüssig schien, da seine Sache bereits als verloren angesehen wurde. '' Schon vor der Drohnote Sewards hatte Drouyn de Lhuys dem französischen Ministerresidenten in Mexico Dano unterm 14. und 15. Februar 1866 die Mittheilung zugehen lassen, daß die Räumung Mexico's beschlossen sei. Als Ursache dieses Entschlusses, der Maximilian wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf, wird angegeben, Mexico befinde sich in der anerkannten Unmög¬ lichkeit, die Bedingungen von Miramare fernerhin zu erfüllen. Daß man die wahre Ursache zu bekennen sich scheute, war erklärlich. Aber es gehörte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/532>, abgerufen am 29.06.2024.