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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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den Augen seiner Unterthanen erfuhr. Jede Gelegenheit, die sich ihm irgend
wie bot, selbständig aufzutreten, ergriff er daher mit Freuden, ohne Rücksicht
darauf, ob er Bazaine's Pläne damit förderte oder durchkreuzte, oft sogar
gewiß in der Absicht, sie zu durchkreuzen. Er begünstigte seine östreichischen
Freunde und das östreichische wie das belgische Freiwilligencorps, das ihm
gefolgt war, er entfernte die entschiedenen Parteigänger der Franzosen aus
seiner Nähe und umgab sich mit Gegnern derselben, wobei nur leider die
gröbsten Mißgriffe unvermeidlich waren und sich nur allzu oft zeigte, daß
Bazaine über die Zuverlässigkeit der bevorzugten Persönlichkeiten bei weitem
richtiger als Maximilian geurtheilt hatte.

So mußte denn nach jedem Versuche, den Herrn im Lande zu spielen,
dem Kaiser sich nur um so gebieterischer die Ueberzeugung aufdrängen, daß
er ohne den Schutz seiner Bundesgenossen sich nicht einen Monat halten
könne, und daß es ein ganz vergebliches Bemühen sei, dem herrischen und
thatkräftigen Marschall die Leitung der Angelegenheiten zu entwinden. Eine
der wichtigsten Aufgaben war die Bildung einer Nationalarmee. Auch diese
mußte Maximilian nach einigen unsicheren Versuchen, seiner eigenen Idee
zu folgen, Bazaine überlassen, der denn auch in dieser Beziehung leistete, was
unter den vorliegenden Umständen zu leisten war. Der militärische Werth
und die Zuverlässigkeit der neuen Truppen war und blieb allerdings sehr
zweifelhaft; aber im Verein mit Bazaine's Armee und unter dem unmittel¬
baren Einfluß der französischen Disciplin leisteten sie doch in den Kämpfen
gegen Juarez gute Dienste, während jeder Versuch, sie der Leitung Bazaine's
zu entziehen, sofort die Keime der Auflösung in sich trug.

Schwerer als alles andere lasteten auf Maximilian die finanziellen Ver¬
pflichtungen, die er Frankreich gegenüber hatte übernehmen müssen. Von
der durch Frankreich zu vermittelnden mexikanischen Anleihe von 300 Millionen
Francs kamen zunächst 10S Millionen in Abzug, als Ersatz für die von
Frankreich geleisteten Vorschüsse. Die Kosten der Expedition, die Maximilian
nach dem Vertrag von Miramare binnen 14 Jahren zu ersetzen hatte, wur¬
den auf 3S0 Millionen angesetzt. Auch für die Besoldung und den Unter-
halt der französischen 30,000 bis 40,000 Mann starken Armee sollte er auf¬
kommen, wobei die Kosten für den Mann auf jährlich 1000 Francs angesetzt
waren. Die Befriedigung der Forderungen französischer Unterthanen, also auch
Jecker's, wurde, vorbehaltlich einer näheren Prüfung, ausdrücklich stipulirt.
Bei dieser.ungeheuern Belastung der Staatseinkünfte, (durch welche übrigens
die großen Kosten, welche Frankreich aus der Expedition erwuchsen, nicht entfernt
gedeckt wurden) war es schlechterdings unmöglich, Ordnung in die Finanzen
zu bringen und das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herzu¬
stellen. Es wäre selbst bei der musterhaftesten Verwaltung, bei dem regelmäßig-


den Augen seiner Unterthanen erfuhr. Jede Gelegenheit, die sich ihm irgend
wie bot, selbständig aufzutreten, ergriff er daher mit Freuden, ohne Rücksicht
darauf, ob er Bazaine's Pläne damit förderte oder durchkreuzte, oft sogar
gewiß in der Absicht, sie zu durchkreuzen. Er begünstigte seine östreichischen
Freunde und das östreichische wie das belgische Freiwilligencorps, das ihm
gefolgt war, er entfernte die entschiedenen Parteigänger der Franzosen aus
seiner Nähe und umgab sich mit Gegnern derselben, wobei nur leider die
gröbsten Mißgriffe unvermeidlich waren und sich nur allzu oft zeigte, daß
Bazaine über die Zuverlässigkeit der bevorzugten Persönlichkeiten bei weitem
richtiger als Maximilian geurtheilt hatte.

So mußte denn nach jedem Versuche, den Herrn im Lande zu spielen,
dem Kaiser sich nur um so gebieterischer die Ueberzeugung aufdrängen, daß
er ohne den Schutz seiner Bundesgenossen sich nicht einen Monat halten
könne, und daß es ein ganz vergebliches Bemühen sei, dem herrischen und
thatkräftigen Marschall die Leitung der Angelegenheiten zu entwinden. Eine
der wichtigsten Aufgaben war die Bildung einer Nationalarmee. Auch diese
mußte Maximilian nach einigen unsicheren Versuchen, seiner eigenen Idee
zu folgen, Bazaine überlassen, der denn auch in dieser Beziehung leistete, was
unter den vorliegenden Umständen zu leisten war. Der militärische Werth
und die Zuverlässigkeit der neuen Truppen war und blieb allerdings sehr
zweifelhaft; aber im Verein mit Bazaine's Armee und unter dem unmittel¬
baren Einfluß der französischen Disciplin leisteten sie doch in den Kämpfen
gegen Juarez gute Dienste, während jeder Versuch, sie der Leitung Bazaine's
zu entziehen, sofort die Keime der Auflösung in sich trug.

Schwerer als alles andere lasteten auf Maximilian die finanziellen Ver¬
pflichtungen, die er Frankreich gegenüber hatte übernehmen müssen. Von
der durch Frankreich zu vermittelnden mexikanischen Anleihe von 300 Millionen
Francs kamen zunächst 10S Millionen in Abzug, als Ersatz für die von
Frankreich geleisteten Vorschüsse. Die Kosten der Expedition, die Maximilian
nach dem Vertrag von Miramare binnen 14 Jahren zu ersetzen hatte, wur¬
den auf 3S0 Millionen angesetzt. Auch für die Besoldung und den Unter-
halt der französischen 30,000 bis 40,000 Mann starken Armee sollte er auf¬
kommen, wobei die Kosten für den Mann auf jährlich 1000 Francs angesetzt
waren. Die Befriedigung der Forderungen französischer Unterthanen, also auch
Jecker's, wurde, vorbehaltlich einer näheren Prüfung, ausdrücklich stipulirt.
Bei dieser.ungeheuern Belastung der Staatseinkünfte, (durch welche übrigens
die großen Kosten, welche Frankreich aus der Expedition erwuchsen, nicht entfernt
gedeckt wurden) war es schlechterdings unmöglich, Ordnung in die Finanzen
zu bringen und das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herzu¬
stellen. Es wäre selbst bei der musterhaftesten Verwaltung, bei dem regelmäßig-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/530>, abgerufen am 29.06.2024.