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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Künsten und Wissenschaften -- dabei in einer an den deutschen Kaiser Maxi¬
milian I. erinnernden Weise von romantischer Abenteuerlust erfüllt, die nur
allzuoft seine Auffassung der realen Verhältnisse trübte, -- war er auch Di¬
lettant in allen Zweigen der Politik und Staatskunst; eifersüchtig gegen
fremde Einflüsse und doch niemals selbständig; bald aus Eigensinn und
Eigenwillen den verständigsten Rathschlag abweisend, bald willenlos den ver¬
derblichsten Einflüsterungen beschränkter Rathgeber oder treuloser Freunde
hingegeben.

Maximilian war von den Klerikalen auf den Schild gehoben und vom
Papste gleichsam zum Vorkämpfer für die katholische Sache geweiht worden.
Daß dies ein unheilvoller Ursprung seiner Herrschaft war, empfand Nie¬
mand lebhafter, als er selbst; und er war entschlossen, sich von den Con-
sequenzen dieses Verhältnisses zu befreien und die Unterstützung aller ange-
sehenen Männer zu suchen, ohne alle Rücksicht auf ihre frühere Parteistellung.
Dieses Verfahren erbitterte die Klerikalen und besonders ihren Führer La
Basttda, der schon während der Regentschaft Almonte's und Salazar's, nach
seiner Entfernung aus dem Regentschaftsrathe, erklärt hatte, daß die Kirche
gegenwärtig dieselben Angriffe erleide, wie unter Juarez' Herrschaft. Maxi-
milians maßvolle Haltung fachte ihren Groll zur hellen Flamme an und
übte aus die Liberalen doch nicht ganz die gehoffte Wirkung. Gerade die
tüchtigsten Männer hielten sich fern oder schlössen sich Juarez an; die, welche
mit dem Kaiser ihren Frieden machten, waren meist unzuverlässig, wie denn
politische Zuverlässigkeit und Treue überhaupt keine häufig vorkommende
Eigenschaft in dem Lande der beständigen zweck- und grundsatzloser Revolu¬
tion ist. Was aber die relativ ehrenwerthen Männer ganz besonders be¬
denklich machte und abhielt, dem neuen Regime ihre Dienste anzubieten, das
war die vollständige Abhängigkeit Maximilians von dem Marschall B az aine,
der die Macht, die ihm seine französische Armee gewährte, nach besten Kräften
ausbeutete, und selbst wenn er ein weniger herrschsüchtiger Charakter gewesen
wäre, durch die Verhältnisse gezwungen wurde, die Rolle eines Major Domus
zu übernehmen. Wer unbedingt über die einzige respectable Macht in einem
Lande verfügt, kann sich nicht mit der Rolle eines Dieners begnügen. Und
Bazaine konnte es um so weniger, da Napoleon ihn nach Mexico geschickt
hatte, nicht blos um Maximilian zu schützen, sondern zugleich um die In¬
teressen Frankreichs wahrzunehmen, die, wie wir gesehen haben, theils pecu-
niärer, theils politischer Natur waren.

Wenn Bazaine daher in irgend einer Angelegenheit eine entschiedene
Forderung stellte, konnte Maximilian gar nicht umhin, ihm nachzugeben.
Aber er that es mit Widerwillen und sein habsburgisch-lothringisches
Selbstgefühl empörte sich lebhaft gegen die Entwürdigung, die er täglich in


Künsten und Wissenschaften — dabei in einer an den deutschen Kaiser Maxi¬
milian I. erinnernden Weise von romantischer Abenteuerlust erfüllt, die nur
allzuoft seine Auffassung der realen Verhältnisse trübte, — war er auch Di¬
lettant in allen Zweigen der Politik und Staatskunst; eifersüchtig gegen
fremde Einflüsse und doch niemals selbständig; bald aus Eigensinn und
Eigenwillen den verständigsten Rathschlag abweisend, bald willenlos den ver¬
derblichsten Einflüsterungen beschränkter Rathgeber oder treuloser Freunde
hingegeben.

Maximilian war von den Klerikalen auf den Schild gehoben und vom
Papste gleichsam zum Vorkämpfer für die katholische Sache geweiht worden.
Daß dies ein unheilvoller Ursprung seiner Herrschaft war, empfand Nie¬
mand lebhafter, als er selbst; und er war entschlossen, sich von den Con-
sequenzen dieses Verhältnisses zu befreien und die Unterstützung aller ange-
sehenen Männer zu suchen, ohne alle Rücksicht auf ihre frühere Parteistellung.
Dieses Verfahren erbitterte die Klerikalen und besonders ihren Führer La
Basttda, der schon während der Regentschaft Almonte's und Salazar's, nach
seiner Entfernung aus dem Regentschaftsrathe, erklärt hatte, daß die Kirche
gegenwärtig dieselben Angriffe erleide, wie unter Juarez' Herrschaft. Maxi-
milians maßvolle Haltung fachte ihren Groll zur hellen Flamme an und
übte aus die Liberalen doch nicht ganz die gehoffte Wirkung. Gerade die
tüchtigsten Männer hielten sich fern oder schlössen sich Juarez an; die, welche
mit dem Kaiser ihren Frieden machten, waren meist unzuverlässig, wie denn
politische Zuverlässigkeit und Treue überhaupt keine häufig vorkommende
Eigenschaft in dem Lande der beständigen zweck- und grundsatzloser Revolu¬
tion ist. Was aber die relativ ehrenwerthen Männer ganz besonders be¬
denklich machte und abhielt, dem neuen Regime ihre Dienste anzubieten, das
war die vollständige Abhängigkeit Maximilians von dem Marschall B az aine,
der die Macht, die ihm seine französische Armee gewährte, nach besten Kräften
ausbeutete, und selbst wenn er ein weniger herrschsüchtiger Charakter gewesen
wäre, durch die Verhältnisse gezwungen wurde, die Rolle eines Major Domus
zu übernehmen. Wer unbedingt über die einzige respectable Macht in einem
Lande verfügt, kann sich nicht mit der Rolle eines Dieners begnügen. Und
Bazaine konnte es um so weniger, da Napoleon ihn nach Mexico geschickt
hatte, nicht blos um Maximilian zu schützen, sondern zugleich um die In¬
teressen Frankreichs wahrzunehmen, die, wie wir gesehen haben, theils pecu-
niärer, theils politischer Natur waren.

Wenn Bazaine daher in irgend einer Angelegenheit eine entschiedene
Forderung stellte, konnte Maximilian gar nicht umhin, ihm nachzugeben.
Aber er that es mit Widerwillen und sein habsburgisch-lothringisches
Selbstgefühl empörte sich lebhaft gegen die Entwürdigung, die er täglich in


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[0529] Künsten und Wissenschaften — dabei in einer an den deutschen Kaiser Maxi¬ milian I. erinnernden Weise von romantischer Abenteuerlust erfüllt, die nur allzuoft seine Auffassung der realen Verhältnisse trübte, — war er auch Di¬ lettant in allen Zweigen der Politik und Staatskunst; eifersüchtig gegen fremde Einflüsse und doch niemals selbständig; bald aus Eigensinn und Eigenwillen den verständigsten Rathschlag abweisend, bald willenlos den ver¬ derblichsten Einflüsterungen beschränkter Rathgeber oder treuloser Freunde hingegeben. Maximilian war von den Klerikalen auf den Schild gehoben und vom Papste gleichsam zum Vorkämpfer für die katholische Sache geweiht worden. Daß dies ein unheilvoller Ursprung seiner Herrschaft war, empfand Nie¬ mand lebhafter, als er selbst; und er war entschlossen, sich von den Con- sequenzen dieses Verhältnisses zu befreien und die Unterstützung aller ange- sehenen Männer zu suchen, ohne alle Rücksicht auf ihre frühere Parteistellung. Dieses Verfahren erbitterte die Klerikalen und besonders ihren Führer La Basttda, der schon während der Regentschaft Almonte's und Salazar's, nach seiner Entfernung aus dem Regentschaftsrathe, erklärt hatte, daß die Kirche gegenwärtig dieselben Angriffe erleide, wie unter Juarez' Herrschaft. Maxi- milians maßvolle Haltung fachte ihren Groll zur hellen Flamme an und übte aus die Liberalen doch nicht ganz die gehoffte Wirkung. Gerade die tüchtigsten Männer hielten sich fern oder schlössen sich Juarez an; die, welche mit dem Kaiser ihren Frieden machten, waren meist unzuverlässig, wie denn politische Zuverlässigkeit und Treue überhaupt keine häufig vorkommende Eigenschaft in dem Lande der beständigen zweck- und grundsatzloser Revolu¬ tion ist. Was aber die relativ ehrenwerthen Männer ganz besonders be¬ denklich machte und abhielt, dem neuen Regime ihre Dienste anzubieten, das war die vollständige Abhängigkeit Maximilians von dem Marschall B az aine, der die Macht, die ihm seine französische Armee gewährte, nach besten Kräften ausbeutete, und selbst wenn er ein weniger herrschsüchtiger Charakter gewesen wäre, durch die Verhältnisse gezwungen wurde, die Rolle eines Major Domus zu übernehmen. Wer unbedingt über die einzige respectable Macht in einem Lande verfügt, kann sich nicht mit der Rolle eines Dieners begnügen. Und Bazaine konnte es um so weniger, da Napoleon ihn nach Mexico geschickt hatte, nicht blos um Maximilian zu schützen, sondern zugleich um die In¬ teressen Frankreichs wahrzunehmen, die, wie wir gesehen haben, theils pecu- niärer, theils politischer Natur waren. Wenn Bazaine daher in irgend einer Angelegenheit eine entschiedene Forderung stellte, konnte Maximilian gar nicht umhin, ihm nachzugeben. Aber er that es mit Widerwillen und sein habsburgisch-lothringisches Selbstgefühl empörte sich lebhaft gegen die Entwürdigung, die er täglich in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/529>, abgerufen am 29.06.2024.