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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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gnug mit Bazaine für nöthig erachte "um die Dynastie zu retten". Sogleich wur¬
den mit bewundrungswürdiger Schnelligkeit die gesammten Dispositionen für
den Vormarsch geändert, ein Theil der 2. Armee unter den Oberbefehl des
Kronprinzen von Sachsen gestellt (4. Corps, Garde, 12. Corps). Sie sollte
als rechter Flügel die Angriffsarmee gegen Mac Mahon verstärken, welche
der Kronprinz von Preußen (6. Corps, 5. Corps, 11. Corps, 2. Corps Bayern,
1. Corps Bayern, Würtenberger) führte, deren Oberleitung jetzt König Wil¬
helm selbst übernahm. Durch die veränderten Dispositionen hatte Mac Mahon
einen Tag Vorsprung erhalten und es ging jetzt wie im Sturm hinter ihm
her. Den Truppen mußte fast Uebermenschliches zugemuthet werden, ungenü¬
gende Verbindung nach rückwärts und mangelhafte Verpflegung, Bivouaks
in aufgeweichtem Boden, Gewalt-Märsche von täglich 4, 5, 6 Meilen. Es
war eine wilde Jagd. Aber es gelang den weichenden Feind zu erreichen.
Am 29. stießen die Sachsen auf das französische Heer.

Am 30. August früh hatte Mac Mahon eine sehr feste Stellung auf
den Höhen des Aroenner Waldes von Stonne bis über London besetzt.
Das deutsche Heer hoffte auf eine Schlacht. Aber Mac Mahon gab
nach scharfem Gefecht mit den Sachsen und Bayern und nach großen Ver¬
lusten seine Position auf, um sich einige Meilen weiter nordwärts hinter der
Maas und der Festung Sedan fest zu setzen. Hier war er so nahe an die
belgische Grenze gedrängt, daß ihm ein weiterer Rückzug nach Norden un¬
möglich wurde. Am 31. sahen die Offiziere unseres Generalstabes deutlich
die Lager einer großen Armee hinter Sedan. Der dichte Nebel, welcher im
Morgengrauen des 1. September über dem Boden lag, deckte günstig den
Vormarsch unseres Heeres. Die Sachsen auf dem rechten Flügel, nächst
ihnen die Garde, im Centrum die Bayern, ihnen zunächst auf dem linken
Flügel das 11. Corps, weiter links das 5. Corps. Dem rechten Flügel folgte
als Reserve das 4., auf dem linken standen die Würtenberger als Soutien;
das 6. Corps weit nach Westen vorgeschoben, hatte die Bestimmung, den
Ausbruch des Feindes auf Paris zu hindern. Wie am 30, begannen auch
hier die Sachsen und Bayern den Angriff. Sie drangen unter hartem Kampfe
rechts von Sedan in der Hügellandschaft und im Dorfgesecht langsam vor.
Unterdeß zog durch den dichten Nebel das 7., und in weiterem Bogen das
6. Corps über die Maas gegen die linke Flanke und in den Rücken des
Feindes. Um 10 Uhr griff das 7. Corps, kurz darauf das 3. in den Kampf
ein, gegen 1 Uhr war die französische Stellung nordwärts umgangen, das
5. Corps trat mit der Garde und den Sachsen im Rücken der französischen
Ausstellung in Verbindung. Dadurch wurde die Hauptmacht der Franzosen
von der belgischen Grenze abgeschnitten und es begann ein Kesseltreiben des
eingehegten Wildes nach der Festung Sedan und der Maas zu. Die Fran¬
zosen machten verzweifelte Anstrengungen, von ihrer Hauptstellung hinter Sedan
aus die Ringe zu durchbrechen, welche sich um sie zogen; auch als ihre Inhalt-


gnug mit Bazaine für nöthig erachte „um die Dynastie zu retten". Sogleich wur¬
den mit bewundrungswürdiger Schnelligkeit die gesammten Dispositionen für
den Vormarsch geändert, ein Theil der 2. Armee unter den Oberbefehl des
Kronprinzen von Sachsen gestellt (4. Corps, Garde, 12. Corps). Sie sollte
als rechter Flügel die Angriffsarmee gegen Mac Mahon verstärken, welche
der Kronprinz von Preußen (6. Corps, 5. Corps, 11. Corps, 2. Corps Bayern,
1. Corps Bayern, Würtenberger) führte, deren Oberleitung jetzt König Wil¬
helm selbst übernahm. Durch die veränderten Dispositionen hatte Mac Mahon
einen Tag Vorsprung erhalten und es ging jetzt wie im Sturm hinter ihm
her. Den Truppen mußte fast Uebermenschliches zugemuthet werden, ungenü¬
gende Verbindung nach rückwärts und mangelhafte Verpflegung, Bivouaks
in aufgeweichtem Boden, Gewalt-Märsche von täglich 4, 5, 6 Meilen. Es
war eine wilde Jagd. Aber es gelang den weichenden Feind zu erreichen.
Am 29. stießen die Sachsen auf das französische Heer.

Am 30. August früh hatte Mac Mahon eine sehr feste Stellung auf
den Höhen des Aroenner Waldes von Stonne bis über London besetzt.
Das deutsche Heer hoffte auf eine Schlacht. Aber Mac Mahon gab
nach scharfem Gefecht mit den Sachsen und Bayern und nach großen Ver¬
lusten seine Position auf, um sich einige Meilen weiter nordwärts hinter der
Maas und der Festung Sedan fest zu setzen. Hier war er so nahe an die
belgische Grenze gedrängt, daß ihm ein weiterer Rückzug nach Norden un¬
möglich wurde. Am 31. sahen die Offiziere unseres Generalstabes deutlich
die Lager einer großen Armee hinter Sedan. Der dichte Nebel, welcher im
Morgengrauen des 1. September über dem Boden lag, deckte günstig den
Vormarsch unseres Heeres. Die Sachsen auf dem rechten Flügel, nächst
ihnen die Garde, im Centrum die Bayern, ihnen zunächst auf dem linken
Flügel das 11. Corps, weiter links das 5. Corps. Dem rechten Flügel folgte
als Reserve das 4., auf dem linken standen die Würtenberger als Soutien;
das 6. Corps weit nach Westen vorgeschoben, hatte die Bestimmung, den
Ausbruch des Feindes auf Paris zu hindern. Wie am 30, begannen auch
hier die Sachsen und Bayern den Angriff. Sie drangen unter hartem Kampfe
rechts von Sedan in der Hügellandschaft und im Dorfgesecht langsam vor.
Unterdeß zog durch den dichten Nebel das 7., und in weiterem Bogen das
6. Corps über die Maas gegen die linke Flanke und in den Rücken des
Feindes. Um 10 Uhr griff das 7. Corps, kurz darauf das 3. in den Kampf
ein, gegen 1 Uhr war die französische Stellung nordwärts umgangen, das
5. Corps trat mit der Garde und den Sachsen im Rücken der französischen
Ausstellung in Verbindung. Dadurch wurde die Hauptmacht der Franzosen
von der belgischen Grenze abgeschnitten und es begann ein Kesseltreiben des
eingehegten Wildes nach der Festung Sedan und der Maas zu. Die Fran¬
zosen machten verzweifelte Anstrengungen, von ihrer Hauptstellung hinter Sedan
aus die Ringe zu durchbrechen, welche sich um sie zogen; auch als ihre Inhalt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/513>, abgerufen am 29.06.2024.