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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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leicht auseinanderwickeln und bewegen zu können, die Armee Mac Masons
einige Märsche davon südwärts, beschäftigt, den Zuzug aus Rom und dem
Mittelmeer aufzunehmen. Die Absicht war wohl, das ganze Heer im Vor¬
marsch auf deutschem Boden zu vereinigen. Aber das Vertrauen des Kai¬
sers, der immer noch klüger und unbefangener urtheilte als andere Fran¬
zosen, war schon vor Beginn des Feldzugs erschüttert, die Theilnahme der
süddeutschen Staaten am Kampfe gegen ihn war ihm unerwartet gekommen.
Er war bei dem Mangel an Erfahrungen im großen Kriege mit den Rüstungen
ohnedies nicht so schnell fertig geworden, als er gemeint, jetzt raffte er be¬
sorgt aus Afrika, Rom und den südlichen Garnisonen alles Disponible zu¬
sammen, um seinem zuverlässigsten Feldherrn eine formidable Macht zu sam¬
meln. Der deutschen Armee des Kronprinzen wurde die Aufgabe, die Ver¬
einigung der beiden französischen Aimeen zu hindern, die Armee Mac Ma¬
sons zu schlagen, von dem Kaiser abzudrängen und in die Vogesen zurück¬
zuwerfen. Dies geschah auf unübertreffliche Weisein den Gefechten von Weißen-
burg und Wörth am 4. und 6. August. In Eilmärschen zog die 3. Armee
hinter dem geschlagenen Heere vorwärts wie im Fluge über die Vogesen.
Dies Eintreiben eines deutschen Heeres in die Verbindungen der Franzosen,
wohl die kühnste Bewegung der deutschen Dispositionen, wurde gesichert durch
das gleichzeitige Vorgehen der 1. und 2. Armee gegen den Kaiser selbst, durch
das Gefecht bei Spicheren und das Zurückrücken der französischen Haupt-
armee auf Metz. Nach wenig Tagesmärschen stand die gesammte deutsche
Armee zwischen Napoleon und der Rückzugslinie Mac Masons, der von dem
Kronprinzen in der Richtung auf Paris rückwärts gestoßen w urbe. Die ge¬
trennten Heertheile der französischen Armee konnten fortan ihre Vereinigung
nur mit großen Schwierigkeiten weit rückwärts, wahrscheinlich nicht eher als
bei Paris bewirken, selbst wenn der Gegner ihnen dazu Zeit ließ. Aber die
große Aufgabe unserer 1. und 2. Armee wurde jetzt, dem Heer des Kaisers
den Rückmarsch unmöglich zu machen. In den drei großen Schlachttagen
vor Metz am 14., 16,, 18. wurde das durchgesetzt.

Für Mac Mahon blieb, nachdem die Vereinigung mit der andern Heer"
Hälfte an der Meurthe und Mosel unmöglich geworden war, keine andere
Raison als sich auf Paris zurückzuziehen, dort die Dynastie Napoleons und
die Vertheidigung der Hauptstadt zu stützen. Unverhofft kam von unseren
Vortruppen nach Ligny die befremdende Kunde, daß Mac Mahon die Rück¬
zugslinie auf Paris verlassen habe und nach Norden ausgewichen sei. Da
er in einer solchen Weise die Hauptstadt einer überlegenen Macht preisgab
und für sein eigenes erschüttertes Heer nur dort die Möglichkeit starker Er¬
gänzungen fand, so erschien dieser Abmarsch als ein großer Fehler und General
Moltke wollte einige Stunden nicht daran glauben. Aber ein aufgefangener
Brief aus der Umgebung Mac Masons und eine Nachricht aus Paris selbst
bestätigten den Marsch nach Norden, man ersuhr, daß der Marschall die Vereint-


leicht auseinanderwickeln und bewegen zu können, die Armee Mac Masons
einige Märsche davon südwärts, beschäftigt, den Zuzug aus Rom und dem
Mittelmeer aufzunehmen. Die Absicht war wohl, das ganze Heer im Vor¬
marsch auf deutschem Boden zu vereinigen. Aber das Vertrauen des Kai¬
sers, der immer noch klüger und unbefangener urtheilte als andere Fran¬
zosen, war schon vor Beginn des Feldzugs erschüttert, die Theilnahme der
süddeutschen Staaten am Kampfe gegen ihn war ihm unerwartet gekommen.
Er war bei dem Mangel an Erfahrungen im großen Kriege mit den Rüstungen
ohnedies nicht so schnell fertig geworden, als er gemeint, jetzt raffte er be¬
sorgt aus Afrika, Rom und den südlichen Garnisonen alles Disponible zu¬
sammen, um seinem zuverlässigsten Feldherrn eine formidable Macht zu sam¬
meln. Der deutschen Armee des Kronprinzen wurde die Aufgabe, die Ver¬
einigung der beiden französischen Aimeen zu hindern, die Armee Mac Ma¬
sons zu schlagen, von dem Kaiser abzudrängen und in die Vogesen zurück¬
zuwerfen. Dies geschah auf unübertreffliche Weisein den Gefechten von Weißen-
burg und Wörth am 4. und 6. August. In Eilmärschen zog die 3. Armee
hinter dem geschlagenen Heere vorwärts wie im Fluge über die Vogesen.
Dies Eintreiben eines deutschen Heeres in die Verbindungen der Franzosen,
wohl die kühnste Bewegung der deutschen Dispositionen, wurde gesichert durch
das gleichzeitige Vorgehen der 1. und 2. Armee gegen den Kaiser selbst, durch
das Gefecht bei Spicheren und das Zurückrücken der französischen Haupt-
armee auf Metz. Nach wenig Tagesmärschen stand die gesammte deutsche
Armee zwischen Napoleon und der Rückzugslinie Mac Masons, der von dem
Kronprinzen in der Richtung auf Paris rückwärts gestoßen w urbe. Die ge¬
trennten Heertheile der französischen Armee konnten fortan ihre Vereinigung
nur mit großen Schwierigkeiten weit rückwärts, wahrscheinlich nicht eher als
bei Paris bewirken, selbst wenn der Gegner ihnen dazu Zeit ließ. Aber die
große Aufgabe unserer 1. und 2. Armee wurde jetzt, dem Heer des Kaisers
den Rückmarsch unmöglich zu machen. In den drei großen Schlachttagen
vor Metz am 14., 16,, 18. wurde das durchgesetzt.

Für Mac Mahon blieb, nachdem die Vereinigung mit der andern Heer"
Hälfte an der Meurthe und Mosel unmöglich geworden war, keine andere
Raison als sich auf Paris zurückzuziehen, dort die Dynastie Napoleons und
die Vertheidigung der Hauptstadt zu stützen. Unverhofft kam von unseren
Vortruppen nach Ligny die befremdende Kunde, daß Mac Mahon die Rück¬
zugslinie auf Paris verlassen habe und nach Norden ausgewichen sei. Da
er in einer solchen Weise die Hauptstadt einer überlegenen Macht preisgab
und für sein eigenes erschüttertes Heer nur dort die Möglichkeit starker Er¬
gänzungen fand, so erschien dieser Abmarsch als ein großer Fehler und General
Moltke wollte einige Stunden nicht daran glauben. Aber ein aufgefangener
Brief aus der Umgebung Mac Masons und eine Nachricht aus Paris selbst
bestätigten den Marsch nach Norden, man ersuhr, daß der Marschall die Vereint-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/512>, abgerufen am 29.06.2024.