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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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seinigen mit den Absichten der Regierung des Kaisers conform gewesen seien.
Die Instruction, aus der er dies ersehen, ist in das Gelbbuch nicht mit auf¬
genommen worden. Diese Aeußerung beweist übrigens klar, was wir schon
wiederholt bemerkt haben, daß Saligny mit im Complot war, Jurien dagegen
wahrscheinlich gar nicht wußte, um was es sich bei der ganzen Angelegen¬
heit handelte. Saligny war das Organ, Jurien das Opfer der kaiserlichen
Politik, die in diesen Verhandlungen eine beispiellose, zum Theil ganz über¬
flüssige Zweizüngigkeit und Perfidte entwickelte.

Am 9. April 1862 findet endlich die letzte Conferenz der Commissäre
statt, die Duvernois vollständig mittheilt. Daß diese Conferenz nur das Er¬
gebniß haben werde, die Trennung Frankreichs von England und Spanien
in aller Form zu constatiren, war von vornherein klar. Der Mittelpunkt
der vielfach abschweifenden Debatte bildete die Frage, welche Antwort der
mexikanischen Regierung auf die Forderung der Wiedereinschiffung des Gene¬
rals Almonte und seiner Genossen zu ertheilen sei. Der Entwurf, den Jurien
der Commission vorlegt, lehnt die Forderung ab; die Commissäre Englands
und Spaniens verweigern diesem Entwürfe ihre Zustimmung. Sie sehen in
dem Almonte gewährten Schutz eine Verletzung des Londoner Vertrages wie
der Convention von La Soledad: offenbar mit vollem Rechte, da der Lon¬
doner Vertrag jede Intervention ausdrücklich ausschloß und die Convention
von La Soledad in dieser Beziehung mit jenem Vertrage auf gleicher Linie
sich hielt. Was den Londoner Vertrag betrifft, so bestehen die Franzosen auf
ihrem Rechte, denselben nach ihrer Auffassung auslegen zu dürfen, das heißt bei
der Bestimmtheit, mit der der Vertrag sich über die Unzulässigkeit jeder Ein¬
mischung in die inneren Verhältnisse der Republick ausspricht, Nichts andres, als
sie nehmen das Recht in Anspruch, in den Vertrag das Gegentheil hinein zu
interpretiren von dem, was er besagt; sie stellten sich damit auf einen Boden,
auf dem überhaupt von Verträgen nicht mehr die Rede sein kann. In Be¬
zug auf die Convention von La Soledad erklärten sie dagegen, daß dieselbe
von der Regierung des Juarez selbst vielfach verletzt sei, wobei sie sich auf allerlei
Beschwerden französischer Unterthanen über den Druck der Negierung beriefen,
die bei ihnen eingelaufen seien, und auf den Terrorismus, den Juarez gegen
seine Gegner in Anwendung bringe. Daß diese Anklagen vollkommen hin¬
fällig seien, daß Juarez' Regierung ihren Verpflichtungen in loyalster Weise
nachgekommen, daß sie die große Mehrheit des mexikanischen Volkes sür
sich habe und daher den Verbündeten alle Garantieen gewähre, die man
von einer mexikanischen Regierung verlangen könne, wurde den Bevollmäch¬
tigten Englands und Spaniens nicht schwer zu beweisen. Auch sei es
einleuchtend, daß das bisher von den Verbündeten eingehaltene Verfahren
am meisten beitragen werde, Juarez' Regierung zu befestigen, an der sich ja


seinigen mit den Absichten der Regierung des Kaisers conform gewesen seien.
Die Instruction, aus der er dies ersehen, ist in das Gelbbuch nicht mit auf¬
genommen worden. Diese Aeußerung beweist übrigens klar, was wir schon
wiederholt bemerkt haben, daß Saligny mit im Complot war, Jurien dagegen
wahrscheinlich gar nicht wußte, um was es sich bei der ganzen Angelegen¬
heit handelte. Saligny war das Organ, Jurien das Opfer der kaiserlichen
Politik, die in diesen Verhandlungen eine beispiellose, zum Theil ganz über¬
flüssige Zweizüngigkeit und Perfidte entwickelte.

Am 9. April 1862 findet endlich die letzte Conferenz der Commissäre
statt, die Duvernois vollständig mittheilt. Daß diese Conferenz nur das Er¬
gebniß haben werde, die Trennung Frankreichs von England und Spanien
in aller Form zu constatiren, war von vornherein klar. Der Mittelpunkt
der vielfach abschweifenden Debatte bildete die Frage, welche Antwort der
mexikanischen Regierung auf die Forderung der Wiedereinschiffung des Gene¬
rals Almonte und seiner Genossen zu ertheilen sei. Der Entwurf, den Jurien
der Commission vorlegt, lehnt die Forderung ab; die Commissäre Englands
und Spaniens verweigern diesem Entwürfe ihre Zustimmung. Sie sehen in
dem Almonte gewährten Schutz eine Verletzung des Londoner Vertrages wie
der Convention von La Soledad: offenbar mit vollem Rechte, da der Lon¬
doner Vertrag jede Intervention ausdrücklich ausschloß und die Convention
von La Soledad in dieser Beziehung mit jenem Vertrage auf gleicher Linie
sich hielt. Was den Londoner Vertrag betrifft, so bestehen die Franzosen auf
ihrem Rechte, denselben nach ihrer Auffassung auslegen zu dürfen, das heißt bei
der Bestimmtheit, mit der der Vertrag sich über die Unzulässigkeit jeder Ein¬
mischung in die inneren Verhältnisse der Republick ausspricht, Nichts andres, als
sie nehmen das Recht in Anspruch, in den Vertrag das Gegentheil hinein zu
interpretiren von dem, was er besagt; sie stellten sich damit auf einen Boden,
auf dem überhaupt von Verträgen nicht mehr die Rede sein kann. In Be¬
zug auf die Convention von La Soledad erklärten sie dagegen, daß dieselbe
von der Regierung des Juarez selbst vielfach verletzt sei, wobei sie sich auf allerlei
Beschwerden französischer Unterthanen über den Druck der Negierung beriefen,
die bei ihnen eingelaufen seien, und auf den Terrorismus, den Juarez gegen
seine Gegner in Anwendung bringe. Daß diese Anklagen vollkommen hin¬
fällig seien, daß Juarez' Regierung ihren Verpflichtungen in loyalster Weise
nachgekommen, daß sie die große Mehrheit des mexikanischen Volkes sür
sich habe und daher den Verbündeten alle Garantieen gewähre, die man
von einer mexikanischen Regierung verlangen könne, wurde den Bevollmäch¬
tigten Englands und Spaniens nicht schwer zu beweisen. Auch sei es
einleuchtend, daß das bisher von den Verbündeten eingehaltene Verfahren
am meisten beitragen werde, Juarez' Regierung zu befestigen, an der sich ja


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/488>, abgerufen am 28.09.2024.