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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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konnten. Das Haupt der sogenannten conservativen Partei in Mexico, Ge¬
neral Almonte, war aus Europa in Veracruz angekommen, nachdem er dem
Erzherzog Maximilian die Krone Mexico's angeboten und darauf von Na¬
poleon weitere Jnstructionen empfangen hatte. Er hatte Paris Ende Januar
verlassen, also mehrere Wochen vor Billault's feierlicher Verleugnung aller
monarchischen Projecte! Von Veracruz hatte sich Almonte zu Lorencez be¬
geben, der mit den französischen Truppen die durch den Vertrag von La So-
ledad ihm angewiesene Quartiere inne hielt. Daß ein Geächteter unter
französischem Schutze in das Innere des Landes geführt werde, an einen
Punkt, der den Franzosen in Folge eines freundschaftlichen Vertrages an¬
gewiesen war, erregte natürlich in Mexico die höchste Erbitterung. Auch
Prim und die Engländer sahen in dem Vorgange einen Bruch der Conven¬
tion. Und sie waren dazu um so mehr berechtigt, da Almonte ihnen ganz
offen erklärt hatte, "daß er auf die Stütze der drei Mächte baue, um die zu
Mexico bestehende Regierung in eine Monarchie umzuwandeln und die Krone
auf das Haupt des Erzherzogs Maximilian von Oestreich zu setzen", worauf
ihm Prim ohne Umschweif erwiderte, daß er auf Spaniens Unterstützung
nicht zu rechnen habe. Die französischen Commissäre hatten daher der Re-
clamation ihrer Collegen gegenüber einen schweren Stand, zumal da Al¬
monte große Zuversicht auf Unterstützung der französischen Truppen zur
Schau trug. Die Herren halsen sich damit, einer die Verantwortung auf
den andern abzuwälzen. Saligny schiebt die Schuld auf Lorencez, der kraft
directer Befehle des Kaisers handle; Lorencez dagegen erbietet sich, Almonte
und dessen Gefährten nach Veracruz zurückzuschicken und gleichzeitig kündigt
Jurien Prim Almonte's Ankunft mit der Bemerkung an, daß derselbe unter
dem Schutze Frankreichs stehe. Ein handgreifliches Gewebe von Wider¬
sprüchen, die sich indessen ganz einfach daraus erklären, daß jeder der Herren
das sagte, was ihm im Augenblick das Bequemste war. Daß Lorencez nicht
ernstlich daran gedacht hat, Almonte fallen zu lassen, ist selbstverständlich; er
verleugnete seine Instruction nur deshalb, weil er die Commissäre der beiden
anderen Mächte Hinhalten und eine gemeinschaftliche Conferenz der Bevoll¬
mächtigten möglichst weit hinausschieben wollte.

Sehr interessant ist der von Duvernois mitgetheilte Notenwechsel zwi¬
schen Jurien und Wyke, aus dem wir einige Punkte hervorheben wollen.
Jurien befand sich mit seinem Truppencorps in Tehuacan und traf die Vor¬
bereitungen zum Rückzüge nach Chiguihuita, da er die Convention von La
Soledad bereits als hinfällig betrachtete. Es seien, sagt er, in Folge der lang¬
samen Communication zwischen Mexico und Europa unvorhergesehene Zwischen¬
fälle eingetreten, welche den Stand der Dinge, der durch die Convention von
La Soledad geschaffen war, gründlich verändert hätten. Unter diesen Zwischen-


konnten. Das Haupt der sogenannten conservativen Partei in Mexico, Ge¬
neral Almonte, war aus Europa in Veracruz angekommen, nachdem er dem
Erzherzog Maximilian die Krone Mexico's angeboten und darauf von Na¬
poleon weitere Jnstructionen empfangen hatte. Er hatte Paris Ende Januar
verlassen, also mehrere Wochen vor Billault's feierlicher Verleugnung aller
monarchischen Projecte! Von Veracruz hatte sich Almonte zu Lorencez be¬
geben, der mit den französischen Truppen die durch den Vertrag von La So-
ledad ihm angewiesene Quartiere inne hielt. Daß ein Geächteter unter
französischem Schutze in das Innere des Landes geführt werde, an einen
Punkt, der den Franzosen in Folge eines freundschaftlichen Vertrages an¬
gewiesen war, erregte natürlich in Mexico die höchste Erbitterung. Auch
Prim und die Engländer sahen in dem Vorgange einen Bruch der Conven¬
tion. Und sie waren dazu um so mehr berechtigt, da Almonte ihnen ganz
offen erklärt hatte, „daß er auf die Stütze der drei Mächte baue, um die zu
Mexico bestehende Regierung in eine Monarchie umzuwandeln und die Krone
auf das Haupt des Erzherzogs Maximilian von Oestreich zu setzen", worauf
ihm Prim ohne Umschweif erwiderte, daß er auf Spaniens Unterstützung
nicht zu rechnen habe. Die französischen Commissäre hatten daher der Re-
clamation ihrer Collegen gegenüber einen schweren Stand, zumal da Al¬
monte große Zuversicht auf Unterstützung der französischen Truppen zur
Schau trug. Die Herren halsen sich damit, einer die Verantwortung auf
den andern abzuwälzen. Saligny schiebt die Schuld auf Lorencez, der kraft
directer Befehle des Kaisers handle; Lorencez dagegen erbietet sich, Almonte
und dessen Gefährten nach Veracruz zurückzuschicken und gleichzeitig kündigt
Jurien Prim Almonte's Ankunft mit der Bemerkung an, daß derselbe unter
dem Schutze Frankreichs stehe. Ein handgreifliches Gewebe von Wider¬
sprüchen, die sich indessen ganz einfach daraus erklären, daß jeder der Herren
das sagte, was ihm im Augenblick das Bequemste war. Daß Lorencez nicht
ernstlich daran gedacht hat, Almonte fallen zu lassen, ist selbstverständlich; er
verleugnete seine Instruction nur deshalb, weil er die Commissäre der beiden
anderen Mächte Hinhalten und eine gemeinschaftliche Conferenz der Bevoll¬
mächtigten möglichst weit hinausschieben wollte.

Sehr interessant ist der von Duvernois mitgetheilte Notenwechsel zwi¬
schen Jurien und Wyke, aus dem wir einige Punkte hervorheben wollen.
Jurien befand sich mit seinem Truppencorps in Tehuacan und traf die Vor¬
bereitungen zum Rückzüge nach Chiguihuita, da er die Convention von La
Soledad bereits als hinfällig betrachtete. Es seien, sagt er, in Folge der lang¬
samen Communication zwischen Mexico und Europa unvorhergesehene Zwischen¬
fälle eingetreten, welche den Stand der Dinge, der durch die Convention von
La Soledad geschaffen war, gründlich verändert hätten. Unter diesen Zwischen-


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[0486] konnten. Das Haupt der sogenannten conservativen Partei in Mexico, Ge¬ neral Almonte, war aus Europa in Veracruz angekommen, nachdem er dem Erzherzog Maximilian die Krone Mexico's angeboten und darauf von Na¬ poleon weitere Jnstructionen empfangen hatte. Er hatte Paris Ende Januar verlassen, also mehrere Wochen vor Billault's feierlicher Verleugnung aller monarchischen Projecte! Von Veracruz hatte sich Almonte zu Lorencez be¬ geben, der mit den französischen Truppen die durch den Vertrag von La So- ledad ihm angewiesene Quartiere inne hielt. Daß ein Geächteter unter französischem Schutze in das Innere des Landes geführt werde, an einen Punkt, der den Franzosen in Folge eines freundschaftlichen Vertrages an¬ gewiesen war, erregte natürlich in Mexico die höchste Erbitterung. Auch Prim und die Engländer sahen in dem Vorgange einen Bruch der Conven¬ tion. Und sie waren dazu um so mehr berechtigt, da Almonte ihnen ganz offen erklärt hatte, „daß er auf die Stütze der drei Mächte baue, um die zu Mexico bestehende Regierung in eine Monarchie umzuwandeln und die Krone auf das Haupt des Erzherzogs Maximilian von Oestreich zu setzen", worauf ihm Prim ohne Umschweif erwiderte, daß er auf Spaniens Unterstützung nicht zu rechnen habe. Die französischen Commissäre hatten daher der Re- clamation ihrer Collegen gegenüber einen schweren Stand, zumal da Al¬ monte große Zuversicht auf Unterstützung der französischen Truppen zur Schau trug. Die Herren halsen sich damit, einer die Verantwortung auf den andern abzuwälzen. Saligny schiebt die Schuld auf Lorencez, der kraft directer Befehle des Kaisers handle; Lorencez dagegen erbietet sich, Almonte und dessen Gefährten nach Veracruz zurückzuschicken und gleichzeitig kündigt Jurien Prim Almonte's Ankunft mit der Bemerkung an, daß derselbe unter dem Schutze Frankreichs stehe. Ein handgreifliches Gewebe von Wider¬ sprüchen, die sich indessen ganz einfach daraus erklären, daß jeder der Herren das sagte, was ihm im Augenblick das Bequemste war. Daß Lorencez nicht ernstlich daran gedacht hat, Almonte fallen zu lassen, ist selbstverständlich; er verleugnete seine Instruction nur deshalb, weil er die Commissäre der beiden anderen Mächte Hinhalten und eine gemeinschaftliche Conferenz der Bevoll¬ mächtigten möglichst weit hinausschieben wollte. Sehr interessant ist der von Duvernois mitgetheilte Notenwechsel zwi¬ schen Jurien und Wyke, aus dem wir einige Punkte hervorheben wollen. Jurien befand sich mit seinem Truppencorps in Tehuacan und traf die Vor¬ bereitungen zum Rückzüge nach Chiguihuita, da er die Convention von La Soledad bereits als hinfällig betrachtete. Es seien, sagt er, in Folge der lang¬ samen Communication zwischen Mexico und Europa unvorhergesehene Zwischen¬ fälle eingetreten, welche den Stand der Dinge, der durch die Convention von La Soledad geschaffen war, gründlich verändert hätten. Unter diesen Zwischen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/486>, abgerufen am 28.09.2024.