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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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karischen Monarchie, nicht aber einer bourbonischen Secundogenitur in 5ta-
poleons Absicht lag. Ein Zusammengehen der drei Mächte war nicht mehr
möglich und Napoleon war genöthigt, seine Politik auf eigne Hand und eigne
Gefahr durchzuführen.

Zunächst handelten, bevor die entscheidenden Nachrichten aus Europa
eingetroffen waren, die Commissäre in Mexico äußerlich noch im Einverständ-
niß.' Die Truppen rückten in die ihnen durch die Convention angewiesenen
gesunden Landstriche; verdächtig war es nur, daß auf Saligny's Andringen,
der aus "Nachrichten aus Europa" wartete, die Eröffnung der Friedens-
conferenzen, die zu Orizaba stattfinden sollten, bis auf den 15. April ver¬
schoben wurde, sehr gegen den Wunsch der beiden Engländer. Kaum aber
war der General Lorencez mit Verstärkungen aus Frankreich erschienen, so
änderte sich die Situation auch äußerlich mit einem Schlage; denn Lorencez
hatte nicht blos Truppen, sondern auch neue Jnstructionen mitgebracht, die
wohl nur dem Admiral Jurien de la Graviöre, aber schwerlich dem Herrn
von Saligny überraschend kamen. In der Convention war die Regierung
des Juarez förmlich anerkannt; jetzt spricht Jurien de la Graviöre in einem
Schreiben an Prim plötzlich die Ueberzeugung aus, daß nur die Gründung
einer Monarchie der Anarchie ein Ziel setzen könne. Es würde selbst nicht
genügen, wenn die mexikanische Regierung allen Reclamationen Folge gäbe;
es komme nicht darauf an, ein finanzielles Abkommen zu erzielen, sondern
mit einer Regierung einen Vertrag zu schließen, die fähig wäre, einen solchen
zu halten. Uebrigens habe die Expedition einen zu spanischen Charakter er¬
halten, und Frankreich werde fortan nicht versäumen, von den Sympathien
Nutzen zu ziehn, die es in Mexico finde (in demselben Schreiben hatte der
Admiral die klerikale Partei -- auf die Frankreich sich doch stützte -- als
eine kleine dem Lande widerwärtige Partei bezeichnet!) und die Spanien
nicht finde. Eine sofortige Zusammenkunft der Bevollmächtigten, wie sie Prim
gefordert hatte, erklärte Jurien unter allerhand nichtigen Vorwänden für un¬
möglich. Der wahre Grund der Ablehnung war, daß für die Franzosen der
Augenblick zum offenen Bruch mit ihren Verbündeten noch nicht gekom¬
men schien.

Aus diesen Erklärungen ergab sich nun für Prim und die Engländer mit
vollkommener Sicherheit, daß die französischen Commissäre die Convention
nicht zu halten gedachten. Um so lebhafter wünschten sie sich rasch aus dem
Kreise der französischen Intrigue befreit zu sehen, zumal da inzwischen ein
Ereigniß eingetreten war, welches die Loyalität der Verbündeten den Mexi¬
kanern gegenüber aufs Schwerste compromittirt hatte und für das England
und Spanien daher unmöglich die Mitverantwortlichkeit auf sich nehmen


Grenzboten III. 187". 62

karischen Monarchie, nicht aber einer bourbonischen Secundogenitur in 5ta-
poleons Absicht lag. Ein Zusammengehen der drei Mächte war nicht mehr
möglich und Napoleon war genöthigt, seine Politik auf eigne Hand und eigne
Gefahr durchzuführen.

Zunächst handelten, bevor die entscheidenden Nachrichten aus Europa
eingetroffen waren, die Commissäre in Mexico äußerlich noch im Einverständ-
niß.' Die Truppen rückten in die ihnen durch die Convention angewiesenen
gesunden Landstriche; verdächtig war es nur, daß auf Saligny's Andringen,
der aus „Nachrichten aus Europa" wartete, die Eröffnung der Friedens-
conferenzen, die zu Orizaba stattfinden sollten, bis auf den 15. April ver¬
schoben wurde, sehr gegen den Wunsch der beiden Engländer. Kaum aber
war der General Lorencez mit Verstärkungen aus Frankreich erschienen, so
änderte sich die Situation auch äußerlich mit einem Schlage; denn Lorencez
hatte nicht blos Truppen, sondern auch neue Jnstructionen mitgebracht, die
wohl nur dem Admiral Jurien de la Graviöre, aber schwerlich dem Herrn
von Saligny überraschend kamen. In der Convention war die Regierung
des Juarez förmlich anerkannt; jetzt spricht Jurien de la Graviöre in einem
Schreiben an Prim plötzlich die Ueberzeugung aus, daß nur die Gründung
einer Monarchie der Anarchie ein Ziel setzen könne. Es würde selbst nicht
genügen, wenn die mexikanische Regierung allen Reclamationen Folge gäbe;
es komme nicht darauf an, ein finanzielles Abkommen zu erzielen, sondern
mit einer Regierung einen Vertrag zu schließen, die fähig wäre, einen solchen
zu halten. Uebrigens habe die Expedition einen zu spanischen Charakter er¬
halten, und Frankreich werde fortan nicht versäumen, von den Sympathien
Nutzen zu ziehn, die es in Mexico finde (in demselben Schreiben hatte der
Admiral die klerikale Partei — auf die Frankreich sich doch stützte — als
eine kleine dem Lande widerwärtige Partei bezeichnet!) und die Spanien
nicht finde. Eine sofortige Zusammenkunft der Bevollmächtigten, wie sie Prim
gefordert hatte, erklärte Jurien unter allerhand nichtigen Vorwänden für un¬
möglich. Der wahre Grund der Ablehnung war, daß für die Franzosen der
Augenblick zum offenen Bruch mit ihren Verbündeten noch nicht gekom¬
men schien.

Aus diesen Erklärungen ergab sich nun für Prim und die Engländer mit
vollkommener Sicherheit, daß die französischen Commissäre die Convention
nicht zu halten gedachten. Um so lebhafter wünschten sie sich rasch aus dem
Kreise der französischen Intrigue befreit zu sehen, zumal da inzwischen ein
Ereigniß eingetreten war, welches die Loyalität der Verbündeten den Mexi¬
kanern gegenüber aufs Schwerste compromittirt hatte und für das England
und Spanien daher unmöglich die Mitverantwortlichkeit auf sich nehmen


Grenzboten III. 187«. 62
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/485>, abgerufen am 29.06.2024.