Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gethan ist, über dessen Gewinneszins wir hier plaudernd verfügen. Aber
wer kann es leugnen, daß wir alle Zuversicht auf guten Ausgang des guten
Kampfes hegen dürfen? Da darf uns denn auch der Friede nicht unvorbe¬
reitet treffen, wir alle müssen von vornherein wissen, was wir wollen und
was wir nicht wollen.*)


a./D.


Italien und der Krieg.

Die gewaltigen Schläge, welche unserm deutschen Heer den Weg ins
Herz von Frankreich geöffnet haben, zittern elektrisch in ganz Europa nach.
Der jähe Umschwung, der den ersten Niederlagen in der französischen Haupt¬
stadt folgte, hat sich anderwärts wiederholt. -- nirgends so unmittelbar und
so fühlbar wie in Italien. Denn wir hatten es nicht blos in Frankreich
mit den Franzosen zu thun. Wer die Bewegungen auf der Halbinsel in
diesen Tagen mit Aufmerksamkeit verfolgte, dem konnte die Analogie ge¬
wisser Erscheinungen mit den gleichzeitigen Pariser Ereignissen nicht ent¬
gehen. Die Verblüfftheit, ja Panik, welche die Nachrichten von Weißenburg
und Wörth in den Reihen der italienischen Franzosenfreunde verursachten,
war etwas mehr als der schmerzliche Ausdruck getäuschter Hoffnungen oder
ohnmächtiger Sympathien, mehr auch als das beschämende Eingeständniß der
eigenen Kurzsichtigkeit, die eben noch bemüht gewesen war, das Land in die
französische Allianz zu drängen: Befürchtungen weit ernsterer Art rief das
Schauspiel des zusammenbrechenden Kaiserthrons wach. Die "Perseveranza",
das Hauptorgan dieser Partei seit dem Schiffbruch der "Nazione". hatte die
verzweifelte Offenheit oder Unvorsichtigkeit, selbst auf diese Befürchtungen
hinzuweisen. "Es ist eben Thatsache", sagt Herr Bonghi, "daß die junge
Schöpfung unseres Königreichs aus das napoleonische Kaiserreich als seine
Basis gegründet ist; versagt ihm diese Basis, so würde unsere innere Ruhe,
ja die Dynastie selbst ernstlich gefährdet sein." Eine vernichtendere Selbstver-
urtheilung konnte die Partei nicht aussprechen, die seit Jahren am Ruder
sitzt. Das System hat sich gerichtet, das willentlich Jahre lang die Geschicke
der Nation von der abenteuernden Politik des Nachbars ins Schlepptau
nehmen ließ und zuletzt auch in dessen Katastrophe verwickelt zu werden
fürchten muß. Die eilige Verstärkung der Armee, welche nicht mehr aus¬
wärtigen Unternehmungen, sondern dem gefürchteten innern Feinde gilt,



*) Diese Zeilen waren bereits im Druck, als mir die treffliche Schrift von Dr. Adolph
Wagner "Elsaß und Lothringen und ihre Wiedergewinnung für Deutschland" zu Gesicht kam,
deren Forderungen meist mit den meinigen übereinstimmen. Auf sie näher einzugehen soll vie
,
a,/D. nächste Nummer d. Bl. Gelegenheit geben.

gethan ist, über dessen Gewinneszins wir hier plaudernd verfügen. Aber
wer kann es leugnen, daß wir alle Zuversicht auf guten Ausgang des guten
Kampfes hegen dürfen? Da darf uns denn auch der Friede nicht unvorbe¬
reitet treffen, wir alle müssen von vornherein wissen, was wir wollen und
was wir nicht wollen.*)


a./D.


Italien und der Krieg.

Die gewaltigen Schläge, welche unserm deutschen Heer den Weg ins
Herz von Frankreich geöffnet haben, zittern elektrisch in ganz Europa nach.
Der jähe Umschwung, der den ersten Niederlagen in der französischen Haupt¬
stadt folgte, hat sich anderwärts wiederholt. — nirgends so unmittelbar und
so fühlbar wie in Italien. Denn wir hatten es nicht blos in Frankreich
mit den Franzosen zu thun. Wer die Bewegungen auf der Halbinsel in
diesen Tagen mit Aufmerksamkeit verfolgte, dem konnte die Analogie ge¬
wisser Erscheinungen mit den gleichzeitigen Pariser Ereignissen nicht ent¬
gehen. Die Verblüfftheit, ja Panik, welche die Nachrichten von Weißenburg
und Wörth in den Reihen der italienischen Franzosenfreunde verursachten,
war etwas mehr als der schmerzliche Ausdruck getäuschter Hoffnungen oder
ohnmächtiger Sympathien, mehr auch als das beschämende Eingeständniß der
eigenen Kurzsichtigkeit, die eben noch bemüht gewesen war, das Land in die
französische Allianz zu drängen: Befürchtungen weit ernsterer Art rief das
Schauspiel des zusammenbrechenden Kaiserthrons wach. Die „Perseveranza",
das Hauptorgan dieser Partei seit dem Schiffbruch der „Nazione". hatte die
verzweifelte Offenheit oder Unvorsichtigkeit, selbst auf diese Befürchtungen
hinzuweisen. „Es ist eben Thatsache", sagt Herr Bonghi, „daß die junge
Schöpfung unseres Königreichs aus das napoleonische Kaiserreich als seine
Basis gegründet ist; versagt ihm diese Basis, so würde unsere innere Ruhe,
ja die Dynastie selbst ernstlich gefährdet sein." Eine vernichtendere Selbstver-
urtheilung konnte die Partei nicht aussprechen, die seit Jahren am Ruder
sitzt. Das System hat sich gerichtet, das willentlich Jahre lang die Geschicke
der Nation von der abenteuernden Politik des Nachbars ins Schlepptau
nehmen ließ und zuletzt auch in dessen Katastrophe verwickelt zu werden
fürchten muß. Die eilige Verstärkung der Armee, welche nicht mehr aus¬
wärtigen Unternehmungen, sondern dem gefürchteten innern Feinde gilt,



*) Diese Zeilen waren bereits im Druck, als mir die treffliche Schrift von Dr. Adolph
Wagner „Elsaß und Lothringen und ihre Wiedergewinnung für Deutschland" zu Gesicht kam,
deren Forderungen meist mit den meinigen übereinstimmen. Auf sie näher einzugehen soll vie
,
a,/D. nächste Nummer d. Bl. Gelegenheit geben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124600"/>
            <p xml:id="ID_1309" prev="#ID_1308"> gethan ist, über dessen Gewinneszins wir hier plaudernd verfügen. Aber<lb/>
wer kann es leugnen, daß wir alle Zuversicht auf guten Ausgang des guten<lb/>
Kampfes hegen dürfen? Da darf uns denn auch der Friede nicht unvorbe¬<lb/>
reitet treffen, wir alle müssen von vornherein wissen, was wir wollen und<lb/>
was wir nicht wollen.*)</p><lb/>
            <note type="byline"> a./D.</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Italien und der Krieg.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1310" next="#ID_1311"> Die gewaltigen Schläge, welche unserm deutschen Heer den Weg ins<lb/>
Herz von Frankreich geöffnet haben, zittern elektrisch in ganz Europa nach.<lb/>
Der jähe Umschwung, der den ersten Niederlagen in der französischen Haupt¬<lb/>
stadt folgte, hat sich anderwärts wiederholt. &#x2014; nirgends so unmittelbar und<lb/>
so fühlbar wie in Italien. Denn wir hatten es nicht blos in Frankreich<lb/>
mit den Franzosen zu thun. Wer die Bewegungen auf der Halbinsel in<lb/>
diesen Tagen mit Aufmerksamkeit verfolgte, dem konnte die Analogie ge¬<lb/>
wisser Erscheinungen mit den gleichzeitigen Pariser Ereignissen nicht ent¬<lb/>
gehen. Die Verblüfftheit, ja Panik, welche die Nachrichten von Weißenburg<lb/>
und Wörth in den Reihen der italienischen Franzosenfreunde verursachten,<lb/>
war etwas mehr als der schmerzliche Ausdruck getäuschter Hoffnungen oder<lb/>
ohnmächtiger Sympathien, mehr auch als das beschämende Eingeständniß der<lb/>
eigenen Kurzsichtigkeit, die eben noch bemüht gewesen war, das Land in die<lb/>
französische Allianz zu drängen: Befürchtungen weit ernsterer Art rief das<lb/>
Schauspiel des zusammenbrechenden Kaiserthrons wach. Die &#x201E;Perseveranza",<lb/>
das Hauptorgan dieser Partei seit dem Schiffbruch der &#x201E;Nazione". hatte die<lb/>
verzweifelte Offenheit oder Unvorsichtigkeit, selbst auf diese Befürchtungen<lb/>
hinzuweisen. &#x201E;Es ist eben Thatsache", sagt Herr Bonghi, &#x201E;daß die junge<lb/>
Schöpfung unseres Königreichs aus das napoleonische Kaiserreich als seine<lb/>
Basis gegründet ist; versagt ihm diese Basis, so würde unsere innere Ruhe,<lb/>
ja die Dynastie selbst ernstlich gefährdet sein." Eine vernichtendere Selbstver-<lb/>
urtheilung konnte die Partei nicht aussprechen, die seit Jahren am Ruder<lb/>
sitzt. Das System hat sich gerichtet, das willentlich Jahre lang die Geschicke<lb/>
der Nation von der abenteuernden Politik des Nachbars ins Schlepptau<lb/>
nehmen ließ und zuletzt auch in dessen Katastrophe verwickelt zu werden<lb/>
fürchten muß. Die eilige Verstärkung der Armee, welche nicht mehr aus¬<lb/>
wärtigen Unternehmungen, sondern dem gefürchteten innern Feinde gilt,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_34" place="foot"> *) Diese Zeilen waren bereits im Druck, als mir die treffliche Schrift von Dr. Adolph<lb/>
Wagner &#x201E;Elsaß und Lothringen und ihre Wiedergewinnung für Deutschland" zu Gesicht kam,<lb/>
deren Forderungen meist mit den meinigen übereinstimmen. Auf sie näher einzugehen soll vie<lb/><note type="byline"> ,<lb/>
a,/D.</note> nächste Nummer d. Bl. Gelegenheit geben. </note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0450] gethan ist, über dessen Gewinneszins wir hier plaudernd verfügen. Aber wer kann es leugnen, daß wir alle Zuversicht auf guten Ausgang des guten Kampfes hegen dürfen? Da darf uns denn auch der Friede nicht unvorbe¬ reitet treffen, wir alle müssen von vornherein wissen, was wir wollen und was wir nicht wollen.*) a./D. Italien und der Krieg. Die gewaltigen Schläge, welche unserm deutschen Heer den Weg ins Herz von Frankreich geöffnet haben, zittern elektrisch in ganz Europa nach. Der jähe Umschwung, der den ersten Niederlagen in der französischen Haupt¬ stadt folgte, hat sich anderwärts wiederholt. — nirgends so unmittelbar und so fühlbar wie in Italien. Denn wir hatten es nicht blos in Frankreich mit den Franzosen zu thun. Wer die Bewegungen auf der Halbinsel in diesen Tagen mit Aufmerksamkeit verfolgte, dem konnte die Analogie ge¬ wisser Erscheinungen mit den gleichzeitigen Pariser Ereignissen nicht ent¬ gehen. Die Verblüfftheit, ja Panik, welche die Nachrichten von Weißenburg und Wörth in den Reihen der italienischen Franzosenfreunde verursachten, war etwas mehr als der schmerzliche Ausdruck getäuschter Hoffnungen oder ohnmächtiger Sympathien, mehr auch als das beschämende Eingeständniß der eigenen Kurzsichtigkeit, die eben noch bemüht gewesen war, das Land in die französische Allianz zu drängen: Befürchtungen weit ernsterer Art rief das Schauspiel des zusammenbrechenden Kaiserthrons wach. Die „Perseveranza", das Hauptorgan dieser Partei seit dem Schiffbruch der „Nazione". hatte die verzweifelte Offenheit oder Unvorsichtigkeit, selbst auf diese Befürchtungen hinzuweisen. „Es ist eben Thatsache", sagt Herr Bonghi, „daß die junge Schöpfung unseres Königreichs aus das napoleonische Kaiserreich als seine Basis gegründet ist; versagt ihm diese Basis, so würde unsere innere Ruhe, ja die Dynastie selbst ernstlich gefährdet sein." Eine vernichtendere Selbstver- urtheilung konnte die Partei nicht aussprechen, die seit Jahren am Ruder sitzt. Das System hat sich gerichtet, das willentlich Jahre lang die Geschicke der Nation von der abenteuernden Politik des Nachbars ins Schlepptau nehmen ließ und zuletzt auch in dessen Katastrophe verwickelt zu werden fürchten muß. Die eilige Verstärkung der Armee, welche nicht mehr aus¬ wärtigen Unternehmungen, sondern dem gefürchteten innern Feinde gilt, *) Diese Zeilen waren bereits im Druck, als mir die treffliche Schrift von Dr. Adolph Wagner „Elsaß und Lothringen und ihre Wiedergewinnung für Deutschland" zu Gesicht kam, deren Forderungen meist mit den meinigen übereinstimmen. Auf sie näher einzugehen soll vie , a,/D. nächste Nummer d. Bl. Gelegenheit geben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/450
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/450>, abgerufen am 29.06.2024.