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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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talem Grundsatze zu huldigen fortfährt: >><MM8 reZio, eMg livgua". dem muß
man die Möglichkeit seiner Anwendung nach Kräften entziehen. Andrerseits
scheint es mir aber unter allen Umständen vom Uebel zu sein, mehr als
durchaus nothwendig ist, von Angehörigen einer fremden großen Nationalität
an deren Grenzen uns einzuverleiben. Und dies ist der Gesichtspunkt, von
dem ich bei Behandlung der Lothringer Frage ausgehe.

Wenn der eine Giftzahn, mit dem die französische Schlange unsere fried¬
lichen Schritte bedroht, wenn das Elsaß ihrem Rachen ausgebrochen ist, wo
ist der andere? Ganz Lothringen, werden viele erwidern, allein ich glaube,
damit wäre dem Thiere, dessen ungefährliches Fortleben wir wünschen, ein
gut Stück Kiefer mit ausgerissen. Lassen wir das Bild fallen, so gibt es
für uns, glaube ich, nur ein dringendes Bedürfniß, das ist der Schutz un¬
seres kostbaren Saargebiets, dessen unglückliche, vertheidigungslose Lage die
Anfänge dieses Krieges wieder recht deutlich bewiesen haben. Dem wäre
nun für alle Zeit abgeholfen, wenn man eine dreieckige Position davor ge¬
wönne mit der Spitze in Metz, während die Mosel einschließlich Thionville's die
Ostseite, die Straßen von Metz über Se. Avold nach Saargemünd zu die
Südseite abgaben. Diese Forderung scheint mir aus militärischen Sicher¬
heitsgründen unerläßlich und es ist dabei sehr gleichgiltig, ob vor und in
Metz einige tausend Franzosen an uns kommen, oder hinter Thionville einige
tausend Deutsche bei Frankreich bleiben. Es mag ferner dabei eine ganz
hübsche Erinnerung sein, daß Metz eine alte Reichsstadt ist, in der seiner
Zeit sogar das wichtigste deutsche Reichsgesetz, die goldene Bulle, das Licht
der Welt erblickt hat. Es mag das, wie gesagt, als Erinnerung ganz hübsch
sein, leiten aber darf es unsere Wünsche nicht, denn nicht einmal ein ehe¬
maliges reines Deutschthum der Stadt Metz geht daraus hervor. Kaiser Karl
IV. hatte bekanntlich, wie sein Luxemburger Großvater Heinrich VII., persön¬
lich einen starken französischen Anstrich.

Betrachten wir die Nothwendigkeit, dieses Stück des Departements Mo-
selle zum Schutz unserer Grenzen zu erwerben, als zugestanden, so würde es
sich nur noch darum handeln, eine Verbindung zwischen ihm und dem Elsaß
herzustellen. Hierfür nun aber scheint uns die knappste Linie unbedingt die
beste zu sein. Man kann nicht ohne Bedauern bei Böckh den Nachweis
lesen, wie die deutsche Sprache in Lothringen selbst noch in den letzten hun¬
dertundzwanzig Jahren zurückgegangen ist, wie sich aus dem Vergleiche der
heutigen Zustände mit der bis 1751 bestehenden Absonderung eines Gebiets
mit deutscher Gerichts-, Geschäfts- und Schulsprache, der sogenannten Alle-
magne, ergibt. Jeyt aber liegt die Sache einmal anders, die Sprachgrenze
geht in sehr gerader Richtung vom Donon in den Vogesen nordwestlich zur
Südspitze Luxemburgs hinüber, sie läßt Sarrebourg (Kaufmanns Saarbrück),


talem Grundsatze zu huldigen fortfährt: >><MM8 reZio, eMg livgua". dem muß
man die Möglichkeit seiner Anwendung nach Kräften entziehen. Andrerseits
scheint es mir aber unter allen Umständen vom Uebel zu sein, mehr als
durchaus nothwendig ist, von Angehörigen einer fremden großen Nationalität
an deren Grenzen uns einzuverleiben. Und dies ist der Gesichtspunkt, von
dem ich bei Behandlung der Lothringer Frage ausgehe.

Wenn der eine Giftzahn, mit dem die französische Schlange unsere fried¬
lichen Schritte bedroht, wenn das Elsaß ihrem Rachen ausgebrochen ist, wo
ist der andere? Ganz Lothringen, werden viele erwidern, allein ich glaube,
damit wäre dem Thiere, dessen ungefährliches Fortleben wir wünschen, ein
gut Stück Kiefer mit ausgerissen. Lassen wir das Bild fallen, so gibt es
für uns, glaube ich, nur ein dringendes Bedürfniß, das ist der Schutz un¬
seres kostbaren Saargebiets, dessen unglückliche, vertheidigungslose Lage die
Anfänge dieses Krieges wieder recht deutlich bewiesen haben. Dem wäre
nun für alle Zeit abgeholfen, wenn man eine dreieckige Position davor ge¬
wönne mit der Spitze in Metz, während die Mosel einschließlich Thionville's die
Ostseite, die Straßen von Metz über Se. Avold nach Saargemünd zu die
Südseite abgaben. Diese Forderung scheint mir aus militärischen Sicher¬
heitsgründen unerläßlich und es ist dabei sehr gleichgiltig, ob vor und in
Metz einige tausend Franzosen an uns kommen, oder hinter Thionville einige
tausend Deutsche bei Frankreich bleiben. Es mag ferner dabei eine ganz
hübsche Erinnerung sein, daß Metz eine alte Reichsstadt ist, in der seiner
Zeit sogar das wichtigste deutsche Reichsgesetz, die goldene Bulle, das Licht
der Welt erblickt hat. Es mag das, wie gesagt, als Erinnerung ganz hübsch
sein, leiten aber darf es unsere Wünsche nicht, denn nicht einmal ein ehe¬
maliges reines Deutschthum der Stadt Metz geht daraus hervor. Kaiser Karl
IV. hatte bekanntlich, wie sein Luxemburger Großvater Heinrich VII., persön¬
lich einen starken französischen Anstrich.

Betrachten wir die Nothwendigkeit, dieses Stück des Departements Mo-
selle zum Schutz unserer Grenzen zu erwerben, als zugestanden, so würde es
sich nur noch darum handeln, eine Verbindung zwischen ihm und dem Elsaß
herzustellen. Hierfür nun aber scheint uns die knappste Linie unbedingt die
beste zu sein. Man kann nicht ohne Bedauern bei Böckh den Nachweis
lesen, wie die deutsche Sprache in Lothringen selbst noch in den letzten hun¬
dertundzwanzig Jahren zurückgegangen ist, wie sich aus dem Vergleiche der
heutigen Zustände mit der bis 1751 bestehenden Absonderung eines Gebiets
mit deutscher Gerichts-, Geschäfts- und Schulsprache, der sogenannten Alle-
magne, ergibt. Jeyt aber liegt die Sache einmal anders, die Sprachgrenze
geht in sehr gerader Richtung vom Donon in den Vogesen nordwestlich zur
Südspitze Luxemburgs hinüber, sie läßt Sarrebourg (Kaufmanns Saarbrück),


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/444>, abgerufen am 29.06.2024.