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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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flexion, welche Bouffier als den Antrieb der neuprovenzalischen Poesie betrach¬
ten will. Auch sind es nicht sowohl die Provenzalen, als vielmehr die
Franzosen, welche dem Occitanischen Schule und Kirche verschlossen haben.
Noch bis vor ganz Kurzem ist gleichwohl hin und wieder provenzalisch ge.
predigt worden, doch scheint die Kirchenpolitik es für zweckdienlicher zu
erachten, jetzt nicht auch noch den Vorwurf, der sogenannten französischen
Nationaleinheit zu widerstreben, auf sich zu laden. Lambert's Betelen mit
dieser Vorrede ist bei den Brüdern Aubanel in Avignon erschienen, ein Um-
stand, der die Vermuthung nahe legt, daß Theodor Aubanel selbst, einer der
begabtesten Dichter der erwähnten Plejade, seinerseits weniger Hoffnung für
das Oecitanische hege als Mistral, und nicht so weit gegen die Herrschaft des
Französischen vorgehen möchte als dieser, der übrigens niemals die Grenze
überschritten hat, die das Gesetz dem Staatsbürger Frankreichs zog.

Im Westen Südfrankreichs erscheint seit Ende 1868 die Ninerve Ah
loulvuss, rsvus as ig. ä^esutralisation Leisntiü<zu6 et xolitiyus, in deren
Programm eine I^igus as ä^eentralisatiou M6ri6in>NÄls vorgeschlagen wird,
neben welcher eine IiiZus as la ÄseeutrÄlisation^Lextentrionalö willkommen
sein werde.

Die jetzige Occupation Nordfrankreichs durch die Deutschen muß die un¬
gesuchte Folge haben, daß Südfrankreich sich mehr auf sich selbst angewie¬
sen findet und sich üben kann, ohne Paris zu bestehn. Und so viel ist mit
Sicherheit vorherzusehn, daß die durch diesen Stoß unabwendbar gelockerte
Bindung des Reiches nicht wieder in der kaiserlichen Straffheit herzustellen
ist. Es wird dies ein Segen sein für den Norden wie für den Süden, für
ganz Europa und für alle Welt.


Ed. Böhmer.


Die deutschen Westgreiyen.
2. Was, wieviel und für wen annektiren?

Der Rhein hat geographisch eine ganz einzige Stellung unter den Strö¬
men Europas, eben darauf beruht auch seine ganze historische Bedeutung.
Zu seiner Rechten herrschen in Mitteleuropa, parallel dem Laufe unserer
Alpen die ostwestlichen Richtungen durchaus vor. Das Donauthal ist als
Völkerstraße bekannt, eine zweite nicht minder wichtige bildet die norddeutsche
Tiefebene, deren flach umuferte, deltalose Flußläufe dem wandernden Vor-


flexion, welche Bouffier als den Antrieb der neuprovenzalischen Poesie betrach¬
ten will. Auch sind es nicht sowohl die Provenzalen, als vielmehr die
Franzosen, welche dem Occitanischen Schule und Kirche verschlossen haben.
Noch bis vor ganz Kurzem ist gleichwohl hin und wieder provenzalisch ge.
predigt worden, doch scheint die Kirchenpolitik es für zweckdienlicher zu
erachten, jetzt nicht auch noch den Vorwurf, der sogenannten französischen
Nationaleinheit zu widerstreben, auf sich zu laden. Lambert's Betelen mit
dieser Vorrede ist bei den Brüdern Aubanel in Avignon erschienen, ein Um-
stand, der die Vermuthung nahe legt, daß Theodor Aubanel selbst, einer der
begabtesten Dichter der erwähnten Plejade, seinerseits weniger Hoffnung für
das Oecitanische hege als Mistral, und nicht so weit gegen die Herrschaft des
Französischen vorgehen möchte als dieser, der übrigens niemals die Grenze
überschritten hat, die das Gesetz dem Staatsbürger Frankreichs zog.

Im Westen Südfrankreichs erscheint seit Ende 1868 die Ninerve Ah
loulvuss, rsvus as ig. ä^esutralisation Leisntiü<zu6 et xolitiyus, in deren
Programm eine I^igus as ä^eentralisatiou M6ri6in>NÄls vorgeschlagen wird,
neben welcher eine IiiZus as la ÄseeutrÄlisation^Lextentrionalö willkommen
sein werde.

Die jetzige Occupation Nordfrankreichs durch die Deutschen muß die un¬
gesuchte Folge haben, daß Südfrankreich sich mehr auf sich selbst angewie¬
sen findet und sich üben kann, ohne Paris zu bestehn. Und so viel ist mit
Sicherheit vorherzusehn, daß die durch diesen Stoß unabwendbar gelockerte
Bindung des Reiches nicht wieder in der kaiserlichen Straffheit herzustellen
ist. Es wird dies ein Segen sein für den Norden wie für den Süden, für
ganz Europa und für alle Welt.


Ed. Böhmer.


Die deutschen Westgreiyen.
2. Was, wieviel und für wen annektiren?

Der Rhein hat geographisch eine ganz einzige Stellung unter den Strö¬
men Europas, eben darauf beruht auch seine ganze historische Bedeutung.
Zu seiner Rechten herrschen in Mitteleuropa, parallel dem Laufe unserer
Alpen die ostwestlichen Richtungen durchaus vor. Das Donauthal ist als
Völkerstraße bekannt, eine zweite nicht minder wichtige bildet die norddeutsche
Tiefebene, deren flach umuferte, deltalose Flußläufe dem wandernden Vor-


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[0432] flexion, welche Bouffier als den Antrieb der neuprovenzalischen Poesie betrach¬ ten will. Auch sind es nicht sowohl die Provenzalen, als vielmehr die Franzosen, welche dem Occitanischen Schule und Kirche verschlossen haben. Noch bis vor ganz Kurzem ist gleichwohl hin und wieder provenzalisch ge. predigt worden, doch scheint die Kirchenpolitik es für zweckdienlicher zu erachten, jetzt nicht auch noch den Vorwurf, der sogenannten französischen Nationaleinheit zu widerstreben, auf sich zu laden. Lambert's Betelen mit dieser Vorrede ist bei den Brüdern Aubanel in Avignon erschienen, ein Um- stand, der die Vermuthung nahe legt, daß Theodor Aubanel selbst, einer der begabtesten Dichter der erwähnten Plejade, seinerseits weniger Hoffnung für das Oecitanische hege als Mistral, und nicht so weit gegen die Herrschaft des Französischen vorgehen möchte als dieser, der übrigens niemals die Grenze überschritten hat, die das Gesetz dem Staatsbürger Frankreichs zog. Im Westen Südfrankreichs erscheint seit Ende 1868 die Ninerve Ah loulvuss, rsvus as ig. ä^esutralisation Leisntiü<zu6 et xolitiyus, in deren Programm eine I^igus as ä^eentralisatiou M6ri6in>NÄls vorgeschlagen wird, neben welcher eine IiiZus as la ÄseeutrÄlisation^Lextentrionalö willkommen sein werde. Die jetzige Occupation Nordfrankreichs durch die Deutschen muß die un¬ gesuchte Folge haben, daß Südfrankreich sich mehr auf sich selbst angewie¬ sen findet und sich üben kann, ohne Paris zu bestehn. Und so viel ist mit Sicherheit vorherzusehn, daß die durch diesen Stoß unabwendbar gelockerte Bindung des Reiches nicht wieder in der kaiserlichen Straffheit herzustellen ist. Es wird dies ein Segen sein für den Norden wie für den Süden, für ganz Europa und für alle Welt. Ed. Böhmer. Die deutschen Westgreiyen. 2. Was, wieviel und für wen annektiren? Der Rhein hat geographisch eine ganz einzige Stellung unter den Strö¬ men Europas, eben darauf beruht auch seine ganze historische Bedeutung. Zu seiner Rechten herrschen in Mitteleuropa, parallel dem Laufe unserer Alpen die ostwestlichen Richtungen durchaus vor. Das Donauthal ist als Völkerstraße bekannt, eine zweite nicht minder wichtige bildet die norddeutsche Tiefebene, deren flach umuferte, deltalose Flußläufe dem wandernden Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/432>, abgerufen am 29.06.2024.