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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Schätzung, jeder Veranschlagung. So wie der Staat der Jetztzeit aber den
von jenen zufälligen Naturereignissen betroffenen Angehörigen wohl eine Bei¬
hilfe leistet, in der richtigen Einsicht, daß die Leiden eines Theils seiner
Bürger nicht ohne Rückwirkung auf das Ganze bleiben können, wird er dahin-
geführt, die Schäden eines Kriegs wenigstens theilweise zu vergüten, und dies
um so eher, als sie durch ihn und für ihn veranlaßt werden. So wurde im
Jahr 1866 verfahren und wenn damals gewichtige politische Gründe für die
Maßregel sprachen, ist dies heutzutage, wo Deutschland in Waffen steht, in ge¬
steigertem Maße der Fall. Die Wunden, die dieser Krieg schlägt, wurden um
Deutschlands willen geschlagen, die Leiden, die er tragen heißt, um Deutsch¬
lands willen getragen.

Es scheint unter diesen Umständen geboten, daß das gesammte Deutsch¬
land eintritt, um den deutschen Ländern, die der Krieg in Mitleidenheit ver¬
setzt, beizustehen. Wie der Gewinn des Kriegs ein deutscher ist, wie er
allen Stämmen des großen Vaterlands zu gleichen Theilen zu Gute geht,
müssen auch seine Kosten gemeinschaftlich aufgebracht, seine Nachtheils gemein¬
schaftlich ertragen werden. Es kann keine Schwierigkeiten bieten, daß die
deutschen Staaten der staatlichen Vereinigung für solche Zwecke noch ent¬
behren, daß ihnen das einheitliche Organ für dieses Unterstützungswerk ge¬
bricht. Vermochten wir im Felde einig zu sein, vermochten wir uns da
einem Gesammtwillen zu fügen, wie sollte die Einigung sür ein Unterneh¬
men, das der Krieg verursacht, fehlen? Welcher Art die Einwirkungen des
Rheinkriegs auf die inneren Verhältnisse Deutschlands sein mögen, das Zu¬
sammenstehen nach außen muß das Zusammenstehen im Innern fördern.
Dieselbe Vaterlandsliebe, die zur Abwehr des Angriffs auf die deutsche Ehre
und Unabhängigkeit drängte, muß zur Ergreifung von Maßregeln, zur Durch¬
führung von Einrichtungen hinleiten, welche die Folgen des Kampfes beseitigen,
die einem neuen Angriff vorbeugend entgegenwirken sollen. Die nationale
Ehre legt mannigfache nationale Pflichten auf und die jüngste Vergangen¬
heit hat unvergeßliche Beweise des neuerstarkten nationalen Pflichtgefühls
geliefert. -- Die Stadt Berlin hat bereits, wie ihr gebührte, Antrieb und Bei¬
spiel in dieser Richtung gegeben 'und jeder Tag bringt neue Beweise, daß
die heilige Pflicht Anerkenntnis; findet. Haben wir in unserem Heere die
Versicherung des Erfolges im Kriege, so bilde diese patriotische Selbstbesteue-
rung die Versicherung der Nation gegen die traurigen Folgen des Kriegs,
soweit sie überhaupt menschlicher Hilfsthätigkeit erreichbar sind.


^


Verantwortlicher Redacteur: Gustal' Frchtag.
Verlag von F. L. Hcrvig. -- Druck von Hiithel Segler in Leipzig.

Schätzung, jeder Veranschlagung. So wie der Staat der Jetztzeit aber den
von jenen zufälligen Naturereignissen betroffenen Angehörigen wohl eine Bei¬
hilfe leistet, in der richtigen Einsicht, daß die Leiden eines Theils seiner
Bürger nicht ohne Rückwirkung auf das Ganze bleiben können, wird er dahin-
geführt, die Schäden eines Kriegs wenigstens theilweise zu vergüten, und dies
um so eher, als sie durch ihn und für ihn veranlaßt werden. So wurde im
Jahr 1866 verfahren und wenn damals gewichtige politische Gründe für die
Maßregel sprachen, ist dies heutzutage, wo Deutschland in Waffen steht, in ge¬
steigertem Maße der Fall. Die Wunden, die dieser Krieg schlägt, wurden um
Deutschlands willen geschlagen, die Leiden, die er tragen heißt, um Deutsch¬
lands willen getragen.

Es scheint unter diesen Umständen geboten, daß das gesammte Deutsch¬
land eintritt, um den deutschen Ländern, die der Krieg in Mitleidenheit ver¬
setzt, beizustehen. Wie der Gewinn des Kriegs ein deutscher ist, wie er
allen Stämmen des großen Vaterlands zu gleichen Theilen zu Gute geht,
müssen auch seine Kosten gemeinschaftlich aufgebracht, seine Nachtheils gemein¬
schaftlich ertragen werden. Es kann keine Schwierigkeiten bieten, daß die
deutschen Staaten der staatlichen Vereinigung für solche Zwecke noch ent¬
behren, daß ihnen das einheitliche Organ für dieses Unterstützungswerk ge¬
bricht. Vermochten wir im Felde einig zu sein, vermochten wir uns da
einem Gesammtwillen zu fügen, wie sollte die Einigung sür ein Unterneh¬
men, das der Krieg verursacht, fehlen? Welcher Art die Einwirkungen des
Rheinkriegs auf die inneren Verhältnisse Deutschlands sein mögen, das Zu¬
sammenstehen nach außen muß das Zusammenstehen im Innern fördern.
Dieselbe Vaterlandsliebe, die zur Abwehr des Angriffs auf die deutsche Ehre
und Unabhängigkeit drängte, muß zur Ergreifung von Maßregeln, zur Durch¬
führung von Einrichtungen hinleiten, welche die Folgen des Kampfes beseitigen,
die einem neuen Angriff vorbeugend entgegenwirken sollen. Die nationale
Ehre legt mannigfache nationale Pflichten auf und die jüngste Vergangen¬
heit hat unvergeßliche Beweise des neuerstarkten nationalen Pflichtgefühls
geliefert. — Die Stadt Berlin hat bereits, wie ihr gebührte, Antrieb und Bei¬
spiel in dieser Richtung gegeben 'und jeder Tag bringt neue Beweise, daß
die heilige Pflicht Anerkenntnis; findet. Haben wir in unserem Heere die
Versicherung des Erfolges im Kriege, so bilde diese patriotische Selbstbesteue-
rung die Versicherung der Nation gegen die traurigen Folgen des Kriegs,
soweit sie überhaupt menschlicher Hilfsthätigkeit erreichbar sind.


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Verantwortlicher Redacteur: Gustal' Frchtag.
Verlag von F. L. Hcrvig. — Druck von Hiithel Segler in Leipzig.
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[0420] Schätzung, jeder Veranschlagung. So wie der Staat der Jetztzeit aber den von jenen zufälligen Naturereignissen betroffenen Angehörigen wohl eine Bei¬ hilfe leistet, in der richtigen Einsicht, daß die Leiden eines Theils seiner Bürger nicht ohne Rückwirkung auf das Ganze bleiben können, wird er dahin- geführt, die Schäden eines Kriegs wenigstens theilweise zu vergüten, und dies um so eher, als sie durch ihn und für ihn veranlaßt werden. So wurde im Jahr 1866 verfahren und wenn damals gewichtige politische Gründe für die Maßregel sprachen, ist dies heutzutage, wo Deutschland in Waffen steht, in ge¬ steigertem Maße der Fall. Die Wunden, die dieser Krieg schlägt, wurden um Deutschlands willen geschlagen, die Leiden, die er tragen heißt, um Deutsch¬ lands willen getragen. Es scheint unter diesen Umständen geboten, daß das gesammte Deutsch¬ land eintritt, um den deutschen Ländern, die der Krieg in Mitleidenheit ver¬ setzt, beizustehen. Wie der Gewinn des Kriegs ein deutscher ist, wie er allen Stämmen des großen Vaterlands zu gleichen Theilen zu Gute geht, müssen auch seine Kosten gemeinschaftlich aufgebracht, seine Nachtheils gemein¬ schaftlich ertragen werden. Es kann keine Schwierigkeiten bieten, daß die deutschen Staaten der staatlichen Vereinigung für solche Zwecke noch ent¬ behren, daß ihnen das einheitliche Organ für dieses Unterstützungswerk ge¬ bricht. Vermochten wir im Felde einig zu sein, vermochten wir uns da einem Gesammtwillen zu fügen, wie sollte die Einigung sür ein Unterneh¬ men, das der Krieg verursacht, fehlen? Welcher Art die Einwirkungen des Rheinkriegs auf die inneren Verhältnisse Deutschlands sein mögen, das Zu¬ sammenstehen nach außen muß das Zusammenstehen im Innern fördern. Dieselbe Vaterlandsliebe, die zur Abwehr des Angriffs auf die deutsche Ehre und Unabhängigkeit drängte, muß zur Ergreifung von Maßregeln, zur Durch¬ führung von Einrichtungen hinleiten, welche die Folgen des Kampfes beseitigen, die einem neuen Angriff vorbeugend entgegenwirken sollen. Die nationale Ehre legt mannigfache nationale Pflichten auf und die jüngste Vergangen¬ heit hat unvergeßliche Beweise des neuerstarkten nationalen Pflichtgefühls geliefert. — Die Stadt Berlin hat bereits, wie ihr gebührte, Antrieb und Bei¬ spiel in dieser Richtung gegeben 'und jeder Tag bringt neue Beweise, daß die heilige Pflicht Anerkenntnis; findet. Haben wir in unserem Heere die Versicherung des Erfolges im Kriege, so bilde diese patriotische Selbstbesteue- rung die Versicherung der Nation gegen die traurigen Folgen des Kriegs, soweit sie überhaupt menschlicher Hilfsthätigkeit erreichbar sind. ^ Verantwortlicher Redacteur: Gustal' Frchtag. Verlag von F. L. Hcrvig. — Druck von Hiithel Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/420>, abgerufen am 29.06.2024.