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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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reich, bei den wahren Oestreichern jeden Zweifel darüber verscheuchen, daß
ihr Land nur leiden kann durch ein Einverständnis? mit jenem Frankreich,
das sie bei Villafranca betrogen und einen östreichischen Erzherzog dem Feinde
mit kaltem Blut zur Abschlachtung ausgeliefert hat. Will Oestreich die
Interessen seiner deutschen Bevölkerung, die der alleinige Träger der wahren
Staatsidee ist, nicht verrathen, so hat es auf der scire Deutschlands zu
stehen; denn nur Deutschland kann ihm für diese Bestrebungen den nöthigen
Rückhalt bieten; und Deutschland will es, wenn Oestreich den sinnlosen
Träumereien einer "Revanche für Sadowa" und der uns ewig vor der
Nase herumschwirrenden und summenden übergeschäftigen Einmischungspolitik
des Herrn v. Beust ehrlich und rückhaltlos entsagt.

So stellt sich die jetzige Lage der Dinge, wenn man sie in das Auge
faßt von dem Standpunkt des realen Interesses der europäischen Völker.
Sie alle müssen wünschen, daß Frankreich einmal recht gründlich der Größen¬
wahnsinn, der Universalmachtkitzel ausgetrieben wird, woran es seit wenig¬
stens zwei Jahrhunderten leidet. Sie Alle können wohl damit zufrieden
sein, daß Deutschland diesmal ganz allein diese Mission der Wiederherstellung
der europäischen Hausordnung übernommen, und daß Frankreich jetzt nicht,
wie 1813 bis 1815, die gute Ausrede hat, es unterliege nur einer Coalition
von ganz Europa, daß diesmal wirklich nur Volk gegen Volk, Staat gegen
Staat und Mann gegen Mann steht.

Sollte die, wie es scheint, immer noch von krankhaften Einmischungs¬
gelüsten beseelte unruhige diplomatische Zunft von Europa das nicht ein¬
sehen, so verdient sie von den Völkern, deren Interessen sie in diesem Falle
nicht vertreten, sondern verrathen würde, einfach bei Seite geschoben zu werden.

Jedenfalls weiß Deutschland, was es will. Es will, daß das Oberrhein-
Thal, welches ethnographisch und geographisch wieder Einheit bildet, das rechts
wie links von demselben alemannischen und alemannisch-fränkischen Stamm
des deutschen Volkes bewohnt wird, auch politisch wieder eine Einheit bilde
und dem deutschen Volke zurückgegeben werde. Es will ferner, daß der
deutsche Körper nicht nur nach außen wieder abgerundet und vervollständigt,
sondern auch im Innern von Neuem fest und verfassungsmäßig als Einheit
gegliedert werde, in der Art, daß jeder einzelne Theil in aller deutschen Zucht
und Treue dem Ganzen dient, und daß eine jede Rebellion der Sonderge¬
lüste gegen die Gesammtinteressen unmöglich ist. Beide Ziele entspringen
demselben Gedanken.

Das sind unsere Angelegenheiten; und wer uns hier drein reden will,
den warnen wir ehrlich ab. Will er dann auf guten Rath nicht hören,
dann haben wir für zudringliche oder böswillige Intriguanten und Feder¬
fuchser nichts als "deutsche Hiebe."


reich, bei den wahren Oestreichern jeden Zweifel darüber verscheuchen, daß
ihr Land nur leiden kann durch ein Einverständnis? mit jenem Frankreich,
das sie bei Villafranca betrogen und einen östreichischen Erzherzog dem Feinde
mit kaltem Blut zur Abschlachtung ausgeliefert hat. Will Oestreich die
Interessen seiner deutschen Bevölkerung, die der alleinige Träger der wahren
Staatsidee ist, nicht verrathen, so hat es auf der scire Deutschlands zu
stehen; denn nur Deutschland kann ihm für diese Bestrebungen den nöthigen
Rückhalt bieten; und Deutschland will es, wenn Oestreich den sinnlosen
Träumereien einer „Revanche für Sadowa" und der uns ewig vor der
Nase herumschwirrenden und summenden übergeschäftigen Einmischungspolitik
des Herrn v. Beust ehrlich und rückhaltlos entsagt.

So stellt sich die jetzige Lage der Dinge, wenn man sie in das Auge
faßt von dem Standpunkt des realen Interesses der europäischen Völker.
Sie alle müssen wünschen, daß Frankreich einmal recht gründlich der Größen¬
wahnsinn, der Universalmachtkitzel ausgetrieben wird, woran es seit wenig¬
stens zwei Jahrhunderten leidet. Sie Alle können wohl damit zufrieden
sein, daß Deutschland diesmal ganz allein diese Mission der Wiederherstellung
der europäischen Hausordnung übernommen, und daß Frankreich jetzt nicht,
wie 1813 bis 1815, die gute Ausrede hat, es unterliege nur einer Coalition
von ganz Europa, daß diesmal wirklich nur Volk gegen Volk, Staat gegen
Staat und Mann gegen Mann steht.

Sollte die, wie es scheint, immer noch von krankhaften Einmischungs¬
gelüsten beseelte unruhige diplomatische Zunft von Europa das nicht ein¬
sehen, so verdient sie von den Völkern, deren Interessen sie in diesem Falle
nicht vertreten, sondern verrathen würde, einfach bei Seite geschoben zu werden.

Jedenfalls weiß Deutschland, was es will. Es will, daß das Oberrhein-
Thal, welches ethnographisch und geographisch wieder Einheit bildet, das rechts
wie links von demselben alemannischen und alemannisch-fränkischen Stamm
des deutschen Volkes bewohnt wird, auch politisch wieder eine Einheit bilde
und dem deutschen Volke zurückgegeben werde. Es will ferner, daß der
deutsche Körper nicht nur nach außen wieder abgerundet und vervollständigt,
sondern auch im Innern von Neuem fest und verfassungsmäßig als Einheit
gegliedert werde, in der Art, daß jeder einzelne Theil in aller deutschen Zucht
und Treue dem Ganzen dient, und daß eine jede Rebellion der Sonderge¬
lüste gegen die Gesammtinteressen unmöglich ist. Beide Ziele entspringen
demselben Gedanken.

Das sind unsere Angelegenheiten; und wer uns hier drein reden will,
den warnen wir ehrlich ab. Will er dann auf guten Rath nicht hören,
dann haben wir für zudringliche oder böswillige Intriguanten und Feder¬
fuchser nichts als „deutsche Hiebe."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/418>, abgerufen am 28.09.2024.