Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

as ce pu'on iriexriLö", aber dieses stolze Heidenthum des Gefühls
entschuldigt ihn nicht. Frankreich mag um ihn als einen seiner besten Söhne
trauern, doch bleibt er ein warnendes Beispiel sür alle, welche in unbedachter
Leichtgläubigkeit die Traditionen einer ehrenhaften und opfervoller Opposition
gegen ein System vergaßen, das die demokratische Gleichheit nur als Sche¬
mel des Absolutismus benutzt und Frankreich ins Verderben gestürzt hat.


G.


Die Provinz Hannover und der Ärieg.

Wer der Provinz Hannover wohlwollte, wer insbesondere wünschte, daß
ihr der immer unerquickliche Uebergang von einem wenn auch nur scheinbar
und beschränkt selbständigen Staatswesen in die Zugehörigkeit zu einem größe¬
ren Ganzen möglichst erleichtert werde, der konnte schon 1866 oder 67 halb¬
laut die Hoffnung aussprechen, daß die ja doch kaum zu vermeidende blutige
Auseinandersetzung mit Frankreich sofort auf diejenige mit Oestreich folgen
möge. Von allen Gebieten, welche Preußen sich damals einverleibte, hatte
Hannover allein eine von den Traditionen alten Ruhmes erfüllte Armee.
Männer, die nichts weniger als antipreußisch gesinnt waren, die sich des
Tages von Königgrätz aufrichtig freuten und nach wie vor ihre besten Kräfte
redlich an die Aussöhnung ihrer Landsleute mit dem nothwendig geworde¬
nen Aufgehen in den großen Nachbarstaat setzen wollten, bekannten doch im
vertraulichen Gespräch, daß ihnen der Untergang der hannoverschen Armee
einigermaßen nahe gehe. Es kam für die Masse der Hannoveraner
und vieler Einzelner hinzu, daß die Truppen, welche diese Armee bilde¬
ten, sich eben erst noch bei Langensalza der Väter würdig geschlagen, den
Lorbeerkranz ihrer Regimenter mit den stolz zerfetzten Peninsula- und Waterloo-
Fahnen also um ein neues Blatt vermehrt hatten. Was anders konnte
solche Mißgefühle rasch und völlig ersticken, als ein Krieg gegen den allen
Erbfeind Deutschlands? In dem stärkeren Gefühl wäre da das schwächere
aufgelöst worden; wie jetzt die Bayern, so hätten die Hannoveraner sich ge¬
freut, neben den Preußen und unter der 1866 allein bewährten Leitung
preußischer Generale zu zeigen, was sie im Kampfe zu leisten vermöchten.
Sie haben es natürlich auch jetzt noch gethan, wo sie ins Feuer gekommen
sind, -- nur daß nach vierjähriger staatlicher Gemeinschaft sich der Vorgang
nicht mehr so bemerklich machte.

In den verflossenen vier Jahren hat das Widerstreben des hannover¬
schen Sonderbewußtseins allerdings vollauf Zeit gehabt, sich in festen For-


as ce pu'on iriexriLö", aber dieses stolze Heidenthum des Gefühls
entschuldigt ihn nicht. Frankreich mag um ihn als einen seiner besten Söhne
trauern, doch bleibt er ein warnendes Beispiel sür alle, welche in unbedachter
Leichtgläubigkeit die Traditionen einer ehrenhaften und opfervoller Opposition
gegen ein System vergaßen, das die demokratische Gleichheit nur als Sche¬
mel des Absolutismus benutzt und Frankreich ins Verderben gestürzt hat.


G.


Die Provinz Hannover und der Ärieg.

Wer der Provinz Hannover wohlwollte, wer insbesondere wünschte, daß
ihr der immer unerquickliche Uebergang von einem wenn auch nur scheinbar
und beschränkt selbständigen Staatswesen in die Zugehörigkeit zu einem größe¬
ren Ganzen möglichst erleichtert werde, der konnte schon 1866 oder 67 halb¬
laut die Hoffnung aussprechen, daß die ja doch kaum zu vermeidende blutige
Auseinandersetzung mit Frankreich sofort auf diejenige mit Oestreich folgen
möge. Von allen Gebieten, welche Preußen sich damals einverleibte, hatte
Hannover allein eine von den Traditionen alten Ruhmes erfüllte Armee.
Männer, die nichts weniger als antipreußisch gesinnt waren, die sich des
Tages von Königgrätz aufrichtig freuten und nach wie vor ihre besten Kräfte
redlich an die Aussöhnung ihrer Landsleute mit dem nothwendig geworde¬
nen Aufgehen in den großen Nachbarstaat setzen wollten, bekannten doch im
vertraulichen Gespräch, daß ihnen der Untergang der hannoverschen Armee
einigermaßen nahe gehe. Es kam für die Masse der Hannoveraner
und vieler Einzelner hinzu, daß die Truppen, welche diese Armee bilde¬
ten, sich eben erst noch bei Langensalza der Väter würdig geschlagen, den
Lorbeerkranz ihrer Regimenter mit den stolz zerfetzten Peninsula- und Waterloo-
Fahnen also um ein neues Blatt vermehrt hatten. Was anders konnte
solche Mißgefühle rasch und völlig ersticken, als ein Krieg gegen den allen
Erbfeind Deutschlands? In dem stärkeren Gefühl wäre da das schwächere
aufgelöst worden; wie jetzt die Bayern, so hätten die Hannoveraner sich ge¬
freut, neben den Preußen und unter der 1866 allein bewährten Leitung
preußischer Generale zu zeigen, was sie im Kampfe zu leisten vermöchten.
Sie haben es natürlich auch jetzt noch gethan, wo sie ins Feuer gekommen
sind, — nur daß nach vierjähriger staatlicher Gemeinschaft sich der Vorgang
nicht mehr so bemerklich machte.

In den verflossenen vier Jahren hat das Widerstreben des hannover¬
schen Sonderbewußtseins allerdings vollauf Zeit gehabt, sich in festen For-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124549"/>
          <p xml:id="ID_1166" prev="#ID_1165"> as ce pu'on iriexriLö", aber dieses stolze Heidenthum des Gefühls<lb/>
entschuldigt ihn nicht. Frankreich mag um ihn als einen seiner besten Söhne<lb/>
trauern, doch bleibt er ein warnendes Beispiel sür alle, welche in unbedachter<lb/>
Leichtgläubigkeit die Traditionen einer ehrenhaften und opfervoller Opposition<lb/>
gegen ein System vergaßen, das die demokratische Gleichheit nur als Sche¬<lb/>
mel des Absolutismus benutzt und Frankreich ins Verderben gestürzt hat.</p><lb/>
          <note type="byline"> G.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Provinz Hannover und der Ärieg.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1167"> Wer der Provinz Hannover wohlwollte, wer insbesondere wünschte, daß<lb/>
ihr der immer unerquickliche Uebergang von einem wenn auch nur scheinbar<lb/>
und beschränkt selbständigen Staatswesen in die Zugehörigkeit zu einem größe¬<lb/>
ren Ganzen möglichst erleichtert werde, der konnte schon 1866 oder 67 halb¬<lb/>
laut die Hoffnung aussprechen, daß die ja doch kaum zu vermeidende blutige<lb/>
Auseinandersetzung mit Frankreich sofort auf diejenige mit Oestreich folgen<lb/>
möge. Von allen Gebieten, welche Preußen sich damals einverleibte, hatte<lb/>
Hannover allein eine von den Traditionen alten Ruhmes erfüllte Armee.<lb/>
Männer, die nichts weniger als antipreußisch gesinnt waren, die sich des<lb/>
Tages von Königgrätz aufrichtig freuten und nach wie vor ihre besten Kräfte<lb/>
redlich an die Aussöhnung ihrer Landsleute mit dem nothwendig geworde¬<lb/>
nen Aufgehen in den großen Nachbarstaat setzen wollten, bekannten doch im<lb/>
vertraulichen Gespräch, daß ihnen der Untergang der hannoverschen Armee<lb/>
einigermaßen nahe gehe. Es kam für die Masse der Hannoveraner<lb/>
und vieler Einzelner hinzu, daß die Truppen, welche diese Armee bilde¬<lb/>
ten, sich eben erst noch bei Langensalza der Väter würdig geschlagen, den<lb/>
Lorbeerkranz ihrer Regimenter mit den stolz zerfetzten Peninsula- und Waterloo-<lb/>
Fahnen also um ein neues Blatt vermehrt hatten. Was anders konnte<lb/>
solche Mißgefühle rasch und völlig ersticken, als ein Krieg gegen den allen<lb/>
Erbfeind Deutschlands? In dem stärkeren Gefühl wäre da das schwächere<lb/>
aufgelöst worden; wie jetzt die Bayern, so hätten die Hannoveraner sich ge¬<lb/>
freut, neben den Preußen und unter der 1866 allein bewährten Leitung<lb/>
preußischer Generale zu zeigen, was sie im Kampfe zu leisten vermöchten.<lb/>
Sie haben es natürlich auch jetzt noch gethan, wo sie ins Feuer gekommen<lb/>
sind, &#x2014; nur daß nach vierjähriger staatlicher Gemeinschaft sich der Vorgang<lb/>
nicht mehr so bemerklich machte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1168" next="#ID_1169"> In den verflossenen vier Jahren hat das Widerstreben des hannover¬<lb/>
schen Sonderbewußtseins allerdings vollauf Zeit gehabt, sich in festen For-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0399] as ce pu'on iriexriLö", aber dieses stolze Heidenthum des Gefühls entschuldigt ihn nicht. Frankreich mag um ihn als einen seiner besten Söhne trauern, doch bleibt er ein warnendes Beispiel sür alle, welche in unbedachter Leichtgläubigkeit die Traditionen einer ehrenhaften und opfervoller Opposition gegen ein System vergaßen, das die demokratische Gleichheit nur als Sche¬ mel des Absolutismus benutzt und Frankreich ins Verderben gestürzt hat. G. Die Provinz Hannover und der Ärieg. Wer der Provinz Hannover wohlwollte, wer insbesondere wünschte, daß ihr der immer unerquickliche Uebergang von einem wenn auch nur scheinbar und beschränkt selbständigen Staatswesen in die Zugehörigkeit zu einem größe¬ ren Ganzen möglichst erleichtert werde, der konnte schon 1866 oder 67 halb¬ laut die Hoffnung aussprechen, daß die ja doch kaum zu vermeidende blutige Auseinandersetzung mit Frankreich sofort auf diejenige mit Oestreich folgen möge. Von allen Gebieten, welche Preußen sich damals einverleibte, hatte Hannover allein eine von den Traditionen alten Ruhmes erfüllte Armee. Männer, die nichts weniger als antipreußisch gesinnt waren, die sich des Tages von Königgrätz aufrichtig freuten und nach wie vor ihre besten Kräfte redlich an die Aussöhnung ihrer Landsleute mit dem nothwendig geworde¬ nen Aufgehen in den großen Nachbarstaat setzen wollten, bekannten doch im vertraulichen Gespräch, daß ihnen der Untergang der hannoverschen Armee einigermaßen nahe gehe. Es kam für die Masse der Hannoveraner und vieler Einzelner hinzu, daß die Truppen, welche diese Armee bilde¬ ten, sich eben erst noch bei Langensalza der Väter würdig geschlagen, den Lorbeerkranz ihrer Regimenter mit den stolz zerfetzten Peninsula- und Waterloo- Fahnen also um ein neues Blatt vermehrt hatten. Was anders konnte solche Mißgefühle rasch und völlig ersticken, als ein Krieg gegen den allen Erbfeind Deutschlands? In dem stärkeren Gefühl wäre da das schwächere aufgelöst worden; wie jetzt die Bayern, so hätten die Hannoveraner sich ge¬ freut, neben den Preußen und unter der 1866 allein bewährten Leitung preußischer Generale zu zeigen, was sie im Kampfe zu leisten vermöchten. Sie haben es natürlich auch jetzt noch gethan, wo sie ins Feuer gekommen sind, — nur daß nach vierjähriger staatlicher Gemeinschaft sich der Vorgang nicht mehr so bemerklich machte. In den verflossenen vier Jahren hat das Widerstreben des hannover¬ schen Sonderbewußtseins allerdings vollauf Zeit gehabt, sich in festen For-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/399
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/399>, abgerufen am 26.06.2024.