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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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lands zuzulassen, welche das Grab der französischen Größe sei. -- Er drückte diese
Ansicht in seinem bald darauf erschienenen Buche ,,I^g, ?iÄuev vouvelle" so aus:
"Solange der Zusammenstoß zwischen Frankreich und Preußen nicht statt¬
gehabt hat, fühlt Europa instinctiv, daß es in einem Provisorium lebt. Seit
der Eroberung der Herzogtümer sind Frankreich und Preußen von fernher
aufeinander losgelassen wie zwei Eisenbahnzüge, die ova Ost und West auf
demselben Schienengleise gegen einander heranbrausen; der Philosoph mag
das beklagen, dennoch wird dieser Zusammenstoß unvermeidlich sein. Denen,
welche empfehlen, Deutschland sich unbehindert constituiren zu lassen, erwiedere
ich, daß noch niemals eine große im Aussteigen begriffene Macht auf halbem
Wege stillgestanden ist. Am wenigsten wird Preußen, nachdem es zuerst einen
über seine Kräfte hinausgehenden Ehrgeiz gezeigt hat, jetzt denselben plötzlich
unter das Maß seiner Kräfte Herabdrücken. Das wäre ein Wunder, welches
die Welt noch nicht gesehen, und selbst wenn dasselbe einträte, würde Frank¬
reich zu einer Macht zweiten Ranges herabsinken. Will es acceptiren, eine
Rolle wie Spanien zu spielen? Es bleibt keine andere Alternative: entweder
muß Frankreich sich resigniren, bescheiden in seinen Grenzen hinzuleben und
die Erinnerungen an Ludwig XIV. und Napoleon zu betrachten wie Spanien
die Karls V. und Philipps II.. oder es muß sich entschließen, mir ungeheuren
Opfern seine frühere Stellung wiederzugewinnen." Als Prevost-Paradol mir
in diesem Sinne sprach, bemerkte ich ihm, daß eine derartige Politik ausschlie߬
lich auf die Voraussetzung gebaut sei, daß Frankreich in diesem Kampfe siege,
nur erlaube ich mir, ihn bei allem Respekt vor der Tapferkeit der französischen
Armee darauf aufmerksam zu machen, daß es derselben sehr viel schwerer ge¬
worden, die Oestreicher zu schlagen, als uns im böhmischen Feldzuge; wenn
aber Frankreich sich j/tzt schon durch Deutschlands Stellung gedemüthigt
fühlte, wie werde es erst dastehen, wenn es in einem furchtbaren Kampfe den
Kürzern gezogen? Aber diese Eventualität wollte der Nationalstolz selbst dieses
geistvollen Mannes nicht zugeben. "5lon, Nousisur", rief er lebhaft, "o'c.'Le im-
possible, it hö veut bi<zu yue vous a^eiz cle lusillvurL Mo6rg,ux, eng.i3 e'est
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ig, victoire, ear, Monsieur, co xg,^s el.t riede et l'^IIeill^Litt no 1'ost
Ich sah, daß mit diesem Chauvinismus nicht zu discutiren war und schwieg
kopfschüttelnd; "aber," fuhr Paradol fort, "glauben Sie nicht, daß ich darum
diesen Krieg herbeiwünsche, im Gegentheil, ich halte ihn für Frankreich un¬
heilvoll, weil der Sieg über Deutschland das persönliche Regiment, das sich
jetzt nach Mexico und Sadowa unsicher fühlt, wieder auf lange befestigen wird.

Der Haß gegen das Kaiserthum und die moralische Erniedrigung, die
dasselbe über Frankreich gebracht, war überhaupt die leitende Idee bei Prevost-


lands zuzulassen, welche das Grab der französischen Größe sei. — Er drückte diese
Ansicht in seinem bald darauf erschienenen Buche ,,I^g, ?iÄuev vouvelle" so aus:
„Solange der Zusammenstoß zwischen Frankreich und Preußen nicht statt¬
gehabt hat, fühlt Europa instinctiv, daß es in einem Provisorium lebt. Seit
der Eroberung der Herzogtümer sind Frankreich und Preußen von fernher
aufeinander losgelassen wie zwei Eisenbahnzüge, die ova Ost und West auf
demselben Schienengleise gegen einander heranbrausen; der Philosoph mag
das beklagen, dennoch wird dieser Zusammenstoß unvermeidlich sein. Denen,
welche empfehlen, Deutschland sich unbehindert constituiren zu lassen, erwiedere
ich, daß noch niemals eine große im Aussteigen begriffene Macht auf halbem
Wege stillgestanden ist. Am wenigsten wird Preußen, nachdem es zuerst einen
über seine Kräfte hinausgehenden Ehrgeiz gezeigt hat, jetzt denselben plötzlich
unter das Maß seiner Kräfte Herabdrücken. Das wäre ein Wunder, welches
die Welt noch nicht gesehen, und selbst wenn dasselbe einträte, würde Frank¬
reich zu einer Macht zweiten Ranges herabsinken. Will es acceptiren, eine
Rolle wie Spanien zu spielen? Es bleibt keine andere Alternative: entweder
muß Frankreich sich resigniren, bescheiden in seinen Grenzen hinzuleben und
die Erinnerungen an Ludwig XIV. und Napoleon zu betrachten wie Spanien
die Karls V. und Philipps II.. oder es muß sich entschließen, mir ungeheuren
Opfern seine frühere Stellung wiederzugewinnen." Als Prevost-Paradol mir
in diesem Sinne sprach, bemerkte ich ihm, daß eine derartige Politik ausschlie߬
lich auf die Voraussetzung gebaut sei, daß Frankreich in diesem Kampfe siege,
nur erlaube ich mir, ihn bei allem Respekt vor der Tapferkeit der französischen
Armee darauf aufmerksam zu machen, daß es derselben sehr viel schwerer ge¬
worden, die Oestreicher zu schlagen, als uns im böhmischen Feldzuge; wenn
aber Frankreich sich j/tzt schon durch Deutschlands Stellung gedemüthigt
fühlte, wie werde es erst dastehen, wenn es in einem furchtbaren Kampfe den
Kürzern gezogen? Aber diese Eventualität wollte der Nationalstolz selbst dieses
geistvollen Mannes nicht zugeben. „5lon, Nousisur", rief er lebhaft, „o'c.'Le im-
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ig, victoire, ear, Monsieur, co xg,^s el.t riede et l'^IIeill^Litt no 1'ost
Ich sah, daß mit diesem Chauvinismus nicht zu discutiren war und schwieg
kopfschüttelnd; „aber," fuhr Paradol fort, „glauben Sie nicht, daß ich darum
diesen Krieg herbeiwünsche, im Gegentheil, ich halte ihn für Frankreich un¬
heilvoll, weil der Sieg über Deutschland das persönliche Regiment, das sich
jetzt nach Mexico und Sadowa unsicher fühlt, wieder auf lange befestigen wird.

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[0397] lands zuzulassen, welche das Grab der französischen Größe sei. — Er drückte diese Ansicht in seinem bald darauf erschienenen Buche ,,I^g, ?iÄuev vouvelle" so aus: „Solange der Zusammenstoß zwischen Frankreich und Preußen nicht statt¬ gehabt hat, fühlt Europa instinctiv, daß es in einem Provisorium lebt. Seit der Eroberung der Herzogtümer sind Frankreich und Preußen von fernher aufeinander losgelassen wie zwei Eisenbahnzüge, die ova Ost und West auf demselben Schienengleise gegen einander heranbrausen; der Philosoph mag das beklagen, dennoch wird dieser Zusammenstoß unvermeidlich sein. Denen, welche empfehlen, Deutschland sich unbehindert constituiren zu lassen, erwiedere ich, daß noch niemals eine große im Aussteigen begriffene Macht auf halbem Wege stillgestanden ist. Am wenigsten wird Preußen, nachdem es zuerst einen über seine Kräfte hinausgehenden Ehrgeiz gezeigt hat, jetzt denselben plötzlich unter das Maß seiner Kräfte Herabdrücken. Das wäre ein Wunder, welches die Welt noch nicht gesehen, und selbst wenn dasselbe einträte, würde Frank¬ reich zu einer Macht zweiten Ranges herabsinken. Will es acceptiren, eine Rolle wie Spanien zu spielen? Es bleibt keine andere Alternative: entweder muß Frankreich sich resigniren, bescheiden in seinen Grenzen hinzuleben und die Erinnerungen an Ludwig XIV. und Napoleon zu betrachten wie Spanien die Karls V. und Philipps II.. oder es muß sich entschließen, mir ungeheuren Opfern seine frühere Stellung wiederzugewinnen." Als Prevost-Paradol mir in diesem Sinne sprach, bemerkte ich ihm, daß eine derartige Politik ausschlie߬ lich auf die Voraussetzung gebaut sei, daß Frankreich in diesem Kampfe siege, nur erlaube ich mir, ihn bei allem Respekt vor der Tapferkeit der französischen Armee darauf aufmerksam zu machen, daß es derselben sehr viel schwerer ge¬ worden, die Oestreicher zu schlagen, als uns im böhmischen Feldzuge; wenn aber Frankreich sich j/tzt schon durch Deutschlands Stellung gedemüthigt fühlte, wie werde es erst dastehen, wenn es in einem furchtbaren Kampfe den Kürzern gezogen? Aber diese Eventualität wollte der Nationalstolz selbst dieses geistvollen Mannes nicht zugeben. „5lon, Nousisur", rief er lebhaft, „o'c.'Le im- possible, it hö veut bi<zu yue vous a^eiz cle lusillvurL Mo6rg,ux, eng.i3 e'est 1e soläat si'An^is qui vaiveiÄ, comms it a va.ilieu rrmlgre l'elniM-cui- ü. Lolkeriiro, ce sollt nos ressoures üllaneierös illvpuisiMvk!, <mi lions äolllleront ig, victoire, ear, Monsieur, co xg,^s el.t riede et l'^IIeill^Litt no 1'ost Ich sah, daß mit diesem Chauvinismus nicht zu discutiren war und schwieg kopfschüttelnd; „aber," fuhr Paradol fort, „glauben Sie nicht, daß ich darum diesen Krieg herbeiwünsche, im Gegentheil, ich halte ihn für Frankreich un¬ heilvoll, weil der Sieg über Deutschland das persönliche Regiment, das sich jetzt nach Mexico und Sadowa unsicher fühlt, wieder auf lange befestigen wird. Der Haß gegen das Kaiserthum und die moralische Erniedrigung, die dasselbe über Frankreich gebracht, war überhaupt die leitende Idee bei Prevost-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/397>, abgerufen am 26.06.2024.