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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Unsere Siege.

Mit Staunen folgen wir aus der Ferne den ungeheuren Fortschritten
unseres Heeres in Frankreich. Vier Wochen sind es, daß Napoleon III. den
Erdkreis prahlend zu Gaste rief, um dem Schauspiel der Erniedrigung Deutsch¬
lands zuzusehen, und was erblicken die lauschenden Neider rings um uns
her? niedergeworfen von dem Gewaltschritt unserer Heersäulen zersplittern
die Colonnen des Gegners, der Glanz seiner heerberühmten Marschallnamen
schwindet, Frankreichs Boden bleibt das Kriegstheater und Scharnhorsts Lehre
bewährt sich unter der Führung seiner Schüler: wer den Franzosen die Ini¬
tiative abgewinnt, wird ihrer Meister. Es scheint ein Fluch der unnatürlichen
Bravour der Franzosen, daß sie aus heimathlicher Erde kämpfend an Sieges¬
kraft einbüßen, statt zu gewinnen. Die Schlachten um Metz haben zu dem un¬
erhörten Ergebniß geführt, ihr größtes Heer, ihre Kernmacht festgekeilt von
der Hauptstadt abzusperren. Der Höhepunkt des blutigen Drama's scheint
erreicht- unaufhaltsam rollt Kaiserplunder, Gloire und Prestige der zuchtlosen
Nation die schiefe Ebene hinab. Nach menschlichem Urtheil hat es aufgehört,
Ueberhebung ^zu sein, wenn wir mit Zuversicht auf endgültigen Sieg zählen.

Dieser Krieg ist der gefräßigste des Jahrhunderts. In immer zunehmen¬
dem Verhältnisse wachsen die Verlustzahlen des deutschen Heeres; schon häufen
sich in allen Gauen des Vaterlandes die heimhinkenden Opfer, fließen die
Thränen der Verlassenen, forscht bange Sorge nach den gefährdeten Lieben.
Aber ein mächtiger Vermittler ist der Tod und ist dieser gemeinsame Schmerz,
diese gemeinsame tiefernste Freude an der höchsten Leistung unserer Nation.
Wir wissen und fühlen: es ist unmöglich, daß die brüderlich im heißen Kampf
um höchstes Gut verbundenen Stämme jemals wieder getrennt werden.

Ziemer uns bei aller Trübsal um die Schaaren der verlangten Opfer
männlich kräftige Gedanken, so drängt uns ganz besonders, der Freude über
den Antheil des sächsischen Corps an dem letzten harten Kampfe Ausdruck
zu geben. Zum ersten Male wieder seit vierundsechszig Jahren, seit dem un¬
seligen Tage von Jena, haben preußische Krieger mit sächsischen vereint ge¬
kämpft; zum ersten Male seit fast ebenso langer Zeit hat sächsische Tapferkeit
Sieg erstritten; im Kampfe mit dem andern Napoleon ist von diesen wackern
Regimentern der Bann gewichen, daß sie Bestes leisteten, ohne Erfolg zu
sehn, ja ohne daß der Genius des großen Vaterlandes ihnen Erfolg gönnen
durste. Seit sie nun Schulter an Schulter mit den preußischen Garden den
Feind des Vaterlandes niedergeworfen, ist nach Art der Ahnen der Bund
der Staaten durch Blutbrüderschast der Mannen besiegelt und es gibt serner


Unsere Siege.

Mit Staunen folgen wir aus der Ferne den ungeheuren Fortschritten
unseres Heeres in Frankreich. Vier Wochen sind es, daß Napoleon III. den
Erdkreis prahlend zu Gaste rief, um dem Schauspiel der Erniedrigung Deutsch¬
lands zuzusehen, und was erblicken die lauschenden Neider rings um uns
her? niedergeworfen von dem Gewaltschritt unserer Heersäulen zersplittern
die Colonnen des Gegners, der Glanz seiner heerberühmten Marschallnamen
schwindet, Frankreichs Boden bleibt das Kriegstheater und Scharnhorsts Lehre
bewährt sich unter der Führung seiner Schüler: wer den Franzosen die Ini¬
tiative abgewinnt, wird ihrer Meister. Es scheint ein Fluch der unnatürlichen
Bravour der Franzosen, daß sie aus heimathlicher Erde kämpfend an Sieges¬
kraft einbüßen, statt zu gewinnen. Die Schlachten um Metz haben zu dem un¬
erhörten Ergebniß geführt, ihr größtes Heer, ihre Kernmacht festgekeilt von
der Hauptstadt abzusperren. Der Höhepunkt des blutigen Drama's scheint
erreicht- unaufhaltsam rollt Kaiserplunder, Gloire und Prestige der zuchtlosen
Nation die schiefe Ebene hinab. Nach menschlichem Urtheil hat es aufgehört,
Ueberhebung ^zu sein, wenn wir mit Zuversicht auf endgültigen Sieg zählen.

Dieser Krieg ist der gefräßigste des Jahrhunderts. In immer zunehmen¬
dem Verhältnisse wachsen die Verlustzahlen des deutschen Heeres; schon häufen
sich in allen Gauen des Vaterlandes die heimhinkenden Opfer, fließen die
Thränen der Verlassenen, forscht bange Sorge nach den gefährdeten Lieben.
Aber ein mächtiger Vermittler ist der Tod und ist dieser gemeinsame Schmerz,
diese gemeinsame tiefernste Freude an der höchsten Leistung unserer Nation.
Wir wissen und fühlen: es ist unmöglich, daß die brüderlich im heißen Kampf
um höchstes Gut verbundenen Stämme jemals wieder getrennt werden.

Ziemer uns bei aller Trübsal um die Schaaren der verlangten Opfer
männlich kräftige Gedanken, so drängt uns ganz besonders, der Freude über
den Antheil des sächsischen Corps an dem letzten harten Kampfe Ausdruck
zu geben. Zum ersten Male wieder seit vierundsechszig Jahren, seit dem un¬
seligen Tage von Jena, haben preußische Krieger mit sächsischen vereint ge¬
kämpft; zum ersten Male seit fast ebenso langer Zeit hat sächsische Tapferkeit
Sieg erstritten; im Kampfe mit dem andern Napoleon ist von diesen wackern
Regimentern der Bann gewichen, daß sie Bestes leisteten, ohne Erfolg zu
sehn, ja ohne daß der Genius des großen Vaterlandes ihnen Erfolg gönnen
durste. Seit sie nun Schulter an Schulter mit den preußischen Garden den
Feind des Vaterlandes niedergeworfen, ist nach Art der Ahnen der Bund
der Staaten durch Blutbrüderschast der Mannen besiegelt und es gibt serner


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[0382] Unsere Siege. Mit Staunen folgen wir aus der Ferne den ungeheuren Fortschritten unseres Heeres in Frankreich. Vier Wochen sind es, daß Napoleon III. den Erdkreis prahlend zu Gaste rief, um dem Schauspiel der Erniedrigung Deutsch¬ lands zuzusehen, und was erblicken die lauschenden Neider rings um uns her? niedergeworfen von dem Gewaltschritt unserer Heersäulen zersplittern die Colonnen des Gegners, der Glanz seiner heerberühmten Marschallnamen schwindet, Frankreichs Boden bleibt das Kriegstheater und Scharnhorsts Lehre bewährt sich unter der Führung seiner Schüler: wer den Franzosen die Ini¬ tiative abgewinnt, wird ihrer Meister. Es scheint ein Fluch der unnatürlichen Bravour der Franzosen, daß sie aus heimathlicher Erde kämpfend an Sieges¬ kraft einbüßen, statt zu gewinnen. Die Schlachten um Metz haben zu dem un¬ erhörten Ergebniß geführt, ihr größtes Heer, ihre Kernmacht festgekeilt von der Hauptstadt abzusperren. Der Höhepunkt des blutigen Drama's scheint erreicht- unaufhaltsam rollt Kaiserplunder, Gloire und Prestige der zuchtlosen Nation die schiefe Ebene hinab. Nach menschlichem Urtheil hat es aufgehört, Ueberhebung ^zu sein, wenn wir mit Zuversicht auf endgültigen Sieg zählen. Dieser Krieg ist der gefräßigste des Jahrhunderts. In immer zunehmen¬ dem Verhältnisse wachsen die Verlustzahlen des deutschen Heeres; schon häufen sich in allen Gauen des Vaterlandes die heimhinkenden Opfer, fließen die Thränen der Verlassenen, forscht bange Sorge nach den gefährdeten Lieben. Aber ein mächtiger Vermittler ist der Tod und ist dieser gemeinsame Schmerz, diese gemeinsame tiefernste Freude an der höchsten Leistung unserer Nation. Wir wissen und fühlen: es ist unmöglich, daß die brüderlich im heißen Kampf um höchstes Gut verbundenen Stämme jemals wieder getrennt werden. Ziemer uns bei aller Trübsal um die Schaaren der verlangten Opfer männlich kräftige Gedanken, so drängt uns ganz besonders, der Freude über den Antheil des sächsischen Corps an dem letzten harten Kampfe Ausdruck zu geben. Zum ersten Male wieder seit vierundsechszig Jahren, seit dem un¬ seligen Tage von Jena, haben preußische Krieger mit sächsischen vereint ge¬ kämpft; zum ersten Male seit fast ebenso langer Zeit hat sächsische Tapferkeit Sieg erstritten; im Kampfe mit dem andern Napoleon ist von diesen wackern Regimentern der Bann gewichen, daß sie Bestes leisteten, ohne Erfolg zu sehn, ja ohne daß der Genius des großen Vaterlandes ihnen Erfolg gönnen durste. Seit sie nun Schulter an Schulter mit den preußischen Garden den Feind des Vaterlandes niedergeworfen, ist nach Art der Ahnen der Bund der Staaten durch Blutbrüderschast der Mannen besiegelt und es gibt serner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/382>, abgerufen am 26.06.2024.