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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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sonst den großen Feldübungen unserer Truppen. Alle Winde blasen un¬
gehindert darüber hin, und man hat die zahlreichen Hütten in schräg sich
kreuzenden Limen mit breiten Zwischenräumen immer so gegen einander ge¬
stellt, daß keine Wand die andere deckt. Sie stehen auf Pfählen, etwa zwei
Fuß über dem Boden, wie die Häuser im Wallis, nur daß hier die Luft,
nicht das Bergwasser darunter wegziehen soll. Die Dächer sind oben am
First doppelt; durch Klappen, die man von innen regulirt, kann so dem
Luftstrom auch von oben Eingang verschafft werden. Sie zählen meist etwa
dreißig Fenster, unter jedem steht ein Bett; die Baracken für die Leichtver¬
wundeten haben selbst da statt der Glasscheiben grüne oder blaue Gazegitter,
sodaß sich für die Krankenwärter und Pflegerinnen vielleicht ein Uebermaß
an Luftzug herausstellen dürfte. In jeder Hütte findet sich ein Badezimmer,
ein zweites mit Feuerung für die Bähungen und ein paar andere Wirth¬
schaftsräume. Wasser und Gas sind überall hingeleitet; eine große Leitung
führt umgekehrt wieder alle schädliche Unreinigkett schnell in den Schiffskanal
hinunter. Ueber die Holzdielen ist im Innern der Krankenräume Asphalt
ausgegossen, der die größte Säuberung ermöglicht; Asphalt schützt ebenso die
Dächer gegen den Regen. Ein eigener Schienenstrang ist von der Verbindungs¬
bahn den Hügel hinaufgeführt, um den Transport der Verletzten bis unmittel¬
bar vor ihren Bestimmungsort glatt und schmerzlos zu bewerkstelligen. Wasch¬
haus und Küchen sind in großem Maßstabe aufgebaut, in der Mitte der
ganzen Anstedlung liegt das Geschäftsgebäude mit einem Uhr- und Glocken"
thurme auf dem Dache, Kurz man kann dieser kleinen Stadt der Noth seine
Bewunderung nicht versagen. Es sind doch nicht blos böse Genien, die der
Krieg entfesselt; schade nur, daß alle sinnige Arbeit der guten den elemen¬
taren Kräften der bösen doch nimmer ganz gewachsen ist.

Um unsere Lücken auszufüllen werden wohl von den meisten Ersatzba¬
taillonen Nachschübe ausgesandt werden, auch die hiesigen Freiwilligen, die
schon wacker beim Schießen beschäftigt sind, freuen sich der nahen Aussicht;
doch dürfte man Wohl zunächst noch den früher erprobten älteren Jahr¬
gängen den Vorzug geben. Ausrüstungsgegenstände werden fort und fort
fleißig gefertigt. Im Erdgeschosse der Kaserne des zweiten Garderegiments
sieht man ein gutes Hundert Leute Tag aus Tag ein neue Uniformen schneidern.

Um noch einmal auf den Eindruck der Siege von Metz zurückzukommen,
so war es uns allen besonders erfreulich, daß dabei nach und nach fast alle
Truppencorps zum Schlagen gekommen sind. Wie peinlich mußte vor dem
18ten unserer Gardeinsanterie zu Muthe sein und namentlich den braven
Sachsen! Kein Mensch hier hat an ihrem brennenden Eifer gezweifelt; die
Kunde, daß sie ihn nun haben kühlen können, hat uns nicht minder er¬
quickt, als neulich die von der Mitwirkung der Süddeutschen.


sonst den großen Feldübungen unserer Truppen. Alle Winde blasen un¬
gehindert darüber hin, und man hat die zahlreichen Hütten in schräg sich
kreuzenden Limen mit breiten Zwischenräumen immer so gegen einander ge¬
stellt, daß keine Wand die andere deckt. Sie stehen auf Pfählen, etwa zwei
Fuß über dem Boden, wie die Häuser im Wallis, nur daß hier die Luft,
nicht das Bergwasser darunter wegziehen soll. Die Dächer sind oben am
First doppelt; durch Klappen, die man von innen regulirt, kann so dem
Luftstrom auch von oben Eingang verschafft werden. Sie zählen meist etwa
dreißig Fenster, unter jedem steht ein Bett; die Baracken für die Leichtver¬
wundeten haben selbst da statt der Glasscheiben grüne oder blaue Gazegitter,
sodaß sich für die Krankenwärter und Pflegerinnen vielleicht ein Uebermaß
an Luftzug herausstellen dürfte. In jeder Hütte findet sich ein Badezimmer,
ein zweites mit Feuerung für die Bähungen und ein paar andere Wirth¬
schaftsräume. Wasser und Gas sind überall hingeleitet; eine große Leitung
führt umgekehrt wieder alle schädliche Unreinigkett schnell in den Schiffskanal
hinunter. Ueber die Holzdielen ist im Innern der Krankenräume Asphalt
ausgegossen, der die größte Säuberung ermöglicht; Asphalt schützt ebenso die
Dächer gegen den Regen. Ein eigener Schienenstrang ist von der Verbindungs¬
bahn den Hügel hinaufgeführt, um den Transport der Verletzten bis unmittel¬
bar vor ihren Bestimmungsort glatt und schmerzlos zu bewerkstelligen. Wasch¬
haus und Küchen sind in großem Maßstabe aufgebaut, in der Mitte der
ganzen Anstedlung liegt das Geschäftsgebäude mit einem Uhr- und Glocken«
thurme auf dem Dache, Kurz man kann dieser kleinen Stadt der Noth seine
Bewunderung nicht versagen. Es sind doch nicht blos böse Genien, die der
Krieg entfesselt; schade nur, daß alle sinnige Arbeit der guten den elemen¬
taren Kräften der bösen doch nimmer ganz gewachsen ist.

Um unsere Lücken auszufüllen werden wohl von den meisten Ersatzba¬
taillonen Nachschübe ausgesandt werden, auch die hiesigen Freiwilligen, die
schon wacker beim Schießen beschäftigt sind, freuen sich der nahen Aussicht;
doch dürfte man Wohl zunächst noch den früher erprobten älteren Jahr¬
gängen den Vorzug geben. Ausrüstungsgegenstände werden fort und fort
fleißig gefertigt. Im Erdgeschosse der Kaserne des zweiten Garderegiments
sieht man ein gutes Hundert Leute Tag aus Tag ein neue Uniformen schneidern.

Um noch einmal auf den Eindruck der Siege von Metz zurückzukommen,
so war es uns allen besonders erfreulich, daß dabei nach und nach fast alle
Truppencorps zum Schlagen gekommen sind. Wie peinlich mußte vor dem
18ten unserer Gardeinsanterie zu Muthe sein und namentlich den braven
Sachsen! Kein Mensch hier hat an ihrem brennenden Eifer gezweifelt; die
Kunde, daß sie ihn nun haben kühlen können, hat uns nicht minder er¬
quickt, als neulich die von der Mitwirkung der Süddeutschen.


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[0380] sonst den großen Feldübungen unserer Truppen. Alle Winde blasen un¬ gehindert darüber hin, und man hat die zahlreichen Hütten in schräg sich kreuzenden Limen mit breiten Zwischenräumen immer so gegen einander ge¬ stellt, daß keine Wand die andere deckt. Sie stehen auf Pfählen, etwa zwei Fuß über dem Boden, wie die Häuser im Wallis, nur daß hier die Luft, nicht das Bergwasser darunter wegziehen soll. Die Dächer sind oben am First doppelt; durch Klappen, die man von innen regulirt, kann so dem Luftstrom auch von oben Eingang verschafft werden. Sie zählen meist etwa dreißig Fenster, unter jedem steht ein Bett; die Baracken für die Leichtver¬ wundeten haben selbst da statt der Glasscheiben grüne oder blaue Gazegitter, sodaß sich für die Krankenwärter und Pflegerinnen vielleicht ein Uebermaß an Luftzug herausstellen dürfte. In jeder Hütte findet sich ein Badezimmer, ein zweites mit Feuerung für die Bähungen und ein paar andere Wirth¬ schaftsräume. Wasser und Gas sind überall hingeleitet; eine große Leitung führt umgekehrt wieder alle schädliche Unreinigkett schnell in den Schiffskanal hinunter. Ueber die Holzdielen ist im Innern der Krankenräume Asphalt ausgegossen, der die größte Säuberung ermöglicht; Asphalt schützt ebenso die Dächer gegen den Regen. Ein eigener Schienenstrang ist von der Verbindungs¬ bahn den Hügel hinaufgeführt, um den Transport der Verletzten bis unmittel¬ bar vor ihren Bestimmungsort glatt und schmerzlos zu bewerkstelligen. Wasch¬ haus und Küchen sind in großem Maßstabe aufgebaut, in der Mitte der ganzen Anstedlung liegt das Geschäftsgebäude mit einem Uhr- und Glocken« thurme auf dem Dache, Kurz man kann dieser kleinen Stadt der Noth seine Bewunderung nicht versagen. Es sind doch nicht blos böse Genien, die der Krieg entfesselt; schade nur, daß alle sinnige Arbeit der guten den elemen¬ taren Kräften der bösen doch nimmer ganz gewachsen ist. Um unsere Lücken auszufüllen werden wohl von den meisten Ersatzba¬ taillonen Nachschübe ausgesandt werden, auch die hiesigen Freiwilligen, die schon wacker beim Schießen beschäftigt sind, freuen sich der nahen Aussicht; doch dürfte man Wohl zunächst noch den früher erprobten älteren Jahr¬ gängen den Vorzug geben. Ausrüstungsgegenstände werden fort und fort fleißig gefertigt. Im Erdgeschosse der Kaserne des zweiten Garderegiments sieht man ein gutes Hundert Leute Tag aus Tag ein neue Uniformen schneidern. Um noch einmal auf den Eindruck der Siege von Metz zurückzukommen, so war es uns allen besonders erfreulich, daß dabei nach und nach fast alle Truppencorps zum Schlagen gekommen sind. Wie peinlich mußte vor dem 18ten unserer Gardeinsanterie zu Muthe sein und namentlich den braven Sachsen! Kein Mensch hier hat an ihrem brennenden Eifer gezweifelt; die Kunde, daß sie ihn nun haben kühlen können, hat uns nicht minder er¬ quickt, als neulich die von der Mitwirkung der Süddeutschen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/380>, abgerufen am 26.06.2024.