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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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gekommen ist. Nur mit dem beträchtlichen Unterschied, daß diesmal die Be¬
trüger sich selbst betrogen. Denn auch die angegebene Stärke der französi¬
schen Armee ist eine Lüge. Wir wissen jetzt sicher, daß die Tage des 4ten
und 6ten bei Weißenburg, Wörth, Forbach mehr als ein Drittel der fran¬
zösischen Feldarmee abnutzten, dann hat General Steinmetz am töten bei Metz
wieder mehr als ein französisches Corps in die Flucht geschlagen; schon am
8ten telegraphirte der Kaiser, daß er noch drei intacte Corps habe, heut am
töten bleibt ihm außer den Garden kaum noch ein Corps frischer Truppen,
die übrigen sind zerschlagen, entmuthigt, schwerlich noch zu großen Leistungen
fähig. Die übelzugerichtete kaiserliche Armee zählt h ö chstens noch 200,000 M.,
wir stehen mit 450,000 Mann auf französischem Boden, die Hälfte unserer
Corps noch ganz frisch und unberührt durch feindliches Feuer, auch die andere
Hälfte durch ruhmvolle Erfolge trotz ihrer Verluste hoch gehoben. Die Er¬
folge, welche wir bis jetzt gewannen, sind fast ganz durch die beiden Flügel¬
armeen errungen, die große Centrumarmee, 7 Corps, darunter die Garde,
hat bis heut nur einzelne Regimenter an Steinmetz abgegeben. Auch bei der Armee
des Kronprinzen sind noch 2 Corps fast ganz unversehrt/) -- Es steht zu
hoffen, daß das kaiserliche Heer zerbröckelt sein wird, und die Möglichkeit des
Widerstandes geschwunden, bevor die deutschen Krieger bis vor Paris mar-
schiren. Man macht sich wohl jetzt nur noch in Paris Illusionen über die
Widerstandsfähigkeit der Riesenstadt. Es ist nicht nöthig, die Stadt zu er¬
obern, wir führen 100 Reiterregimenter mit uns, welche die Bannmeile
von Paris nebst Befestigungen wie mit einer Nebelwolke einzuschließen ver¬
mögen und Paris von seinen Zufuhren absperren werden. Man darf an¬
nehmen, daß dem patriotischen und todesmuthigen Geschlecht des kaiserlichen
Paris unerträglich sein wird. Milch und frische Butter durch einige Tage zu
entbehren.

Nach der Schlacht bei Wörth durchschnitt die Armee des Kronprinzen
in 7 Colonnen die Thäler und Defile'en der Vogesen, von den Schanzen und
Forts, welche den Durchgang sperren sollten, leistete nur die verhältnißmäßig
stärkste Festung Pfalzburg mit ca. 1000 Mann Besatzung erwähnenswerthen
Widerstand, sie wurde von Truppen des 6ten Corps (Tümpling) eingeschlossen



") Die französischen Corps, erst für den Krieg gebildet und ohne feste Formation, waren
25.000--50,000 Mann stark, die Corps des norddeutschen Bundes zählen bekanntlich 30--33.000
Mann, nur die Garde einige Tausend mehr. Die beiden bayrischen Corps sind schwächer, dafür
das combinirte Corps Wiirtembcrg-Baden wieder stärker. Die Einordnung der Corps in die
Armeen hat sich in folgender Weise vollzogen:
III. Armee: Kronprinz. II. (Centrum) Armee: Pr. Friedr. Karl, I. Armee: Steinmetz.
Corps: Bad.-Würtemb. V., XI., IV.,III.,Sachsen, Garde.II.,I., VIII. X., IX., VII.
II. Bayr., I. Bahr. VI. Zus. 210,000 M. Zus. 80--90,000 M.
Zus.: 180,000 M.

gekommen ist. Nur mit dem beträchtlichen Unterschied, daß diesmal die Be¬
trüger sich selbst betrogen. Denn auch die angegebene Stärke der französi¬
schen Armee ist eine Lüge. Wir wissen jetzt sicher, daß die Tage des 4ten
und 6ten bei Weißenburg, Wörth, Forbach mehr als ein Drittel der fran¬
zösischen Feldarmee abnutzten, dann hat General Steinmetz am töten bei Metz
wieder mehr als ein französisches Corps in die Flucht geschlagen; schon am
8ten telegraphirte der Kaiser, daß er noch drei intacte Corps habe, heut am
töten bleibt ihm außer den Garden kaum noch ein Corps frischer Truppen,
die übrigen sind zerschlagen, entmuthigt, schwerlich noch zu großen Leistungen
fähig. Die übelzugerichtete kaiserliche Armee zählt h ö chstens noch 200,000 M.,
wir stehen mit 450,000 Mann auf französischem Boden, die Hälfte unserer
Corps noch ganz frisch und unberührt durch feindliches Feuer, auch die andere
Hälfte durch ruhmvolle Erfolge trotz ihrer Verluste hoch gehoben. Die Er¬
folge, welche wir bis jetzt gewannen, sind fast ganz durch die beiden Flügel¬
armeen errungen, die große Centrumarmee, 7 Corps, darunter die Garde,
hat bis heut nur einzelne Regimenter an Steinmetz abgegeben. Auch bei der Armee
des Kronprinzen sind noch 2 Corps fast ganz unversehrt/) — Es steht zu
hoffen, daß das kaiserliche Heer zerbröckelt sein wird, und die Möglichkeit des
Widerstandes geschwunden, bevor die deutschen Krieger bis vor Paris mar-
schiren. Man macht sich wohl jetzt nur noch in Paris Illusionen über die
Widerstandsfähigkeit der Riesenstadt. Es ist nicht nöthig, die Stadt zu er¬
obern, wir führen 100 Reiterregimenter mit uns, welche die Bannmeile
von Paris nebst Befestigungen wie mit einer Nebelwolke einzuschließen ver¬
mögen und Paris von seinen Zufuhren absperren werden. Man darf an¬
nehmen, daß dem patriotischen und todesmuthigen Geschlecht des kaiserlichen
Paris unerträglich sein wird. Milch und frische Butter durch einige Tage zu
entbehren.

Nach der Schlacht bei Wörth durchschnitt die Armee des Kronprinzen
in 7 Colonnen die Thäler und Defile'en der Vogesen, von den Schanzen und
Forts, welche den Durchgang sperren sollten, leistete nur die verhältnißmäßig
stärkste Festung Pfalzburg mit ca. 1000 Mann Besatzung erwähnenswerthen
Widerstand, sie wurde von Truppen des 6ten Corps (Tümpling) eingeschlossen



") Die französischen Corps, erst für den Krieg gebildet und ohne feste Formation, waren
25.000—50,000 Mann stark, die Corps des norddeutschen Bundes zählen bekanntlich 30—33.000
Mann, nur die Garde einige Tausend mehr. Die beiden bayrischen Corps sind schwächer, dafür
das combinirte Corps Wiirtembcrg-Baden wieder stärker. Die Einordnung der Corps in die
Armeen hat sich in folgender Weise vollzogen:
III. Armee: Kronprinz. II. (Centrum) Armee: Pr. Friedr. Karl, I. Armee: Steinmetz.
Corps: Bad.-Würtemb. V., XI., IV.,III.,Sachsen, Garde.II.,I., VIII. X., IX., VII.
II. Bayr., I. Bahr. VI. Zus. 210,000 M. Zus. 80—90,000 M.
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[0373] gekommen ist. Nur mit dem beträchtlichen Unterschied, daß diesmal die Be¬ trüger sich selbst betrogen. Denn auch die angegebene Stärke der französi¬ schen Armee ist eine Lüge. Wir wissen jetzt sicher, daß die Tage des 4ten und 6ten bei Weißenburg, Wörth, Forbach mehr als ein Drittel der fran¬ zösischen Feldarmee abnutzten, dann hat General Steinmetz am töten bei Metz wieder mehr als ein französisches Corps in die Flucht geschlagen; schon am 8ten telegraphirte der Kaiser, daß er noch drei intacte Corps habe, heut am töten bleibt ihm außer den Garden kaum noch ein Corps frischer Truppen, die übrigen sind zerschlagen, entmuthigt, schwerlich noch zu großen Leistungen fähig. Die übelzugerichtete kaiserliche Armee zählt h ö chstens noch 200,000 M., wir stehen mit 450,000 Mann auf französischem Boden, die Hälfte unserer Corps noch ganz frisch und unberührt durch feindliches Feuer, auch die andere Hälfte durch ruhmvolle Erfolge trotz ihrer Verluste hoch gehoben. Die Er¬ folge, welche wir bis jetzt gewannen, sind fast ganz durch die beiden Flügel¬ armeen errungen, die große Centrumarmee, 7 Corps, darunter die Garde, hat bis heut nur einzelne Regimenter an Steinmetz abgegeben. Auch bei der Armee des Kronprinzen sind noch 2 Corps fast ganz unversehrt/) — Es steht zu hoffen, daß das kaiserliche Heer zerbröckelt sein wird, und die Möglichkeit des Widerstandes geschwunden, bevor die deutschen Krieger bis vor Paris mar- schiren. Man macht sich wohl jetzt nur noch in Paris Illusionen über die Widerstandsfähigkeit der Riesenstadt. Es ist nicht nöthig, die Stadt zu er¬ obern, wir führen 100 Reiterregimenter mit uns, welche die Bannmeile von Paris nebst Befestigungen wie mit einer Nebelwolke einzuschließen ver¬ mögen und Paris von seinen Zufuhren absperren werden. Man darf an¬ nehmen, daß dem patriotischen und todesmuthigen Geschlecht des kaiserlichen Paris unerträglich sein wird. Milch und frische Butter durch einige Tage zu entbehren. Nach der Schlacht bei Wörth durchschnitt die Armee des Kronprinzen in 7 Colonnen die Thäler und Defile'en der Vogesen, von den Schanzen und Forts, welche den Durchgang sperren sollten, leistete nur die verhältnißmäßig stärkste Festung Pfalzburg mit ca. 1000 Mann Besatzung erwähnenswerthen Widerstand, sie wurde von Truppen des 6ten Corps (Tümpling) eingeschlossen ") Die französischen Corps, erst für den Krieg gebildet und ohne feste Formation, waren 25.000—50,000 Mann stark, die Corps des norddeutschen Bundes zählen bekanntlich 30—33.000 Mann, nur die Garde einige Tausend mehr. Die beiden bayrischen Corps sind schwächer, dafür das combinirte Corps Wiirtembcrg-Baden wieder stärker. Die Einordnung der Corps in die Armeen hat sich in folgender Weise vollzogen: III. Armee: Kronprinz. II. (Centrum) Armee: Pr. Friedr. Karl, I. Armee: Steinmetz. Corps: Bad.-Würtemb. V., XI., IV.,III.,Sachsen, Garde.II.,I., VIII. X., IX., VII. II. Bayr., I. Bahr. VI. Zus. 210,000 M. Zus. 80—90,000 M. Zus.: 180,000 M.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/373>, abgerufen am 26.06.2024.