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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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schieden tadelnde Depesche an Prim gerichtet. Zwei Tage darauf schlug sie
Frankreich vor, daß die drei Mächte zu einer Berathung über die neu zu
gründende Monarchie zusammentreten möchten. Frankreich wies den Vor¬
schlag zurück; und jetzt spricht Calderon Collantes plötzlich seine rückhaltlose
Billigung der Politik Prius aus. Prim hatte eben von Anfang an Na¬
poleons Absichten durchschaut, der minder scharf blickende Minister merkte
erst in Folge der Zurückweisung des oben erwähnten Vorschlags, daß der
Kaiser besondere Pläne verfolge; und jetzt beeilte er sich, den Kopf aus der
Schlinge zu ziehen.


G. Z.


Kriegsberichte der Grensiwten.
Von der Armee des Kronprinzen.
3. Auf der Höhe der Vogesen.

Als nach der Schlacht bei Wörth die dritte Armee des deutschen Heeres
in die Thäler und Pässe der Vogesen eindrang, war die Absicht, die franzö¬
sische Stellung bei Metz-Thionville zu umgehen und das feindliche Heer in
der rechten Flanke zu fassen. Der Kaiser hat sich dieser Katastrophe entzogen,
seine Armee hat die Saar, die Meuthe-Mosellinie preisgegeben, Luneville
hat artig einen Nippes, seinen vergoldeten Stadtschlüssel, dem Kronprinzen
eingesandt, es ist sogar zweifelhaft, ob sich bei Chalons der Feind stellen
kann, es ist wahrscheinlich, daß die Völkerschlacht erst in der Nähe von Paris
geschlagen wird. Wenn sie geschlagen wird! Denn es liegt im Interesse
des Kaisers, alles zu thun, um diese letzte Katastrophe von sich abzuwenden,
und wir merken, daß er jede diplomatische Kunst aufbietet. Oestreich und
Italien in bewaffneter "Neutralität" alliirt, der König von Italien dem
Kaiser durch jenen berüchtigten Vertrag zur Heeresfolge verpflichtet, das giebt
eine Kette geheimer und halber Allianzen, bei denen der Kaiser die Absicht
hat, dem Kabinet von Wien genau dieselbe Jnterpositionsrolle gegen Preußen
zuzutheilen, welche er selbst im Jahr 1866 sich ersonnen hatte. Eitele Hoff¬
nung! Es wird' der wuchtigen Faust des deutschen Volksheeres gelingen,
dieses diplomatische Drahtgeflecht zu zerschlagen, dies und den kaiserlichen
Thron dazu.

Unterdeß schwindet dem Kaiser seine Armee dahin. Es scheint dem
zweiten Kaiserreich beschieden zu sein, an einer Reihe von Täuschungen und
Phrasen ebenso unterzugehn, wie es durch Täuschungen und Phrasen herauf-


schieden tadelnde Depesche an Prim gerichtet. Zwei Tage darauf schlug sie
Frankreich vor, daß die drei Mächte zu einer Berathung über die neu zu
gründende Monarchie zusammentreten möchten. Frankreich wies den Vor¬
schlag zurück; und jetzt spricht Calderon Collantes plötzlich seine rückhaltlose
Billigung der Politik Prius aus. Prim hatte eben von Anfang an Na¬
poleons Absichten durchschaut, der minder scharf blickende Minister merkte
erst in Folge der Zurückweisung des oben erwähnten Vorschlags, daß der
Kaiser besondere Pläne verfolge; und jetzt beeilte er sich, den Kopf aus der
Schlinge zu ziehen.


G. Z.


Kriegsberichte der Grensiwten.
Von der Armee des Kronprinzen.
3. Auf der Höhe der Vogesen.

Als nach der Schlacht bei Wörth die dritte Armee des deutschen Heeres
in die Thäler und Pässe der Vogesen eindrang, war die Absicht, die franzö¬
sische Stellung bei Metz-Thionville zu umgehen und das feindliche Heer in
der rechten Flanke zu fassen. Der Kaiser hat sich dieser Katastrophe entzogen,
seine Armee hat die Saar, die Meuthe-Mosellinie preisgegeben, Luneville
hat artig einen Nippes, seinen vergoldeten Stadtschlüssel, dem Kronprinzen
eingesandt, es ist sogar zweifelhaft, ob sich bei Chalons der Feind stellen
kann, es ist wahrscheinlich, daß die Völkerschlacht erst in der Nähe von Paris
geschlagen wird. Wenn sie geschlagen wird! Denn es liegt im Interesse
des Kaisers, alles zu thun, um diese letzte Katastrophe von sich abzuwenden,
und wir merken, daß er jede diplomatische Kunst aufbietet. Oestreich und
Italien in bewaffneter „Neutralität" alliirt, der König von Italien dem
Kaiser durch jenen berüchtigten Vertrag zur Heeresfolge verpflichtet, das giebt
eine Kette geheimer und halber Allianzen, bei denen der Kaiser die Absicht
hat, dem Kabinet von Wien genau dieselbe Jnterpositionsrolle gegen Preußen
zuzutheilen, welche er selbst im Jahr 1866 sich ersonnen hatte. Eitele Hoff¬
nung! Es wird' der wuchtigen Faust des deutschen Volksheeres gelingen,
dieses diplomatische Drahtgeflecht zu zerschlagen, dies und den kaiserlichen
Thron dazu.

Unterdeß schwindet dem Kaiser seine Armee dahin. Es scheint dem
zweiten Kaiserreich beschieden zu sein, an einer Reihe von Täuschungen und
Phrasen ebenso unterzugehn, wie es durch Täuschungen und Phrasen herauf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/372>, abgerufen am 26.06.2024.