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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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die Verbündeten in Rücksicht auf das ungesunde Klima von Vera-Cruz Cor-
dova, Orizaba und Tehuacan besetzen; für den Fall des Scheiterns der Ver¬
handlungen haben die Verbündeten diese Städte zu räumen und wieder auf
einer Linie Stellung zu nehmen, die sich diesseits der von den Mexikanern
auf dem Wege von der Küste zur Hauptstadt angelegten Befestigungen hin¬
zieht; die Spitäler der Verbündeten würden in diesem Falle unter dem
Schutze der mexikanischen Nation bleiben.

Dieser Vertrag wurde gleich in der Sitzung der Commission am 19. Febr.
Abends, wie aus dem von Duvernois mitgetheilten Protokolle der Sitzung
hervorgeht, lebhaft debattirt und schließlich ohne alle Modifikation von sämmt¬
lichen Bevollmächtigten gebilligt. Und doch rief Saligny am folgenden Tage
aus: Die Convention ist das Papier nicht werth, auf dem sie geschrieben ist!
Sehr erklärlich: er wußte, daß sie von Frankreich verworfen werden würde,
wovon der offenbar in die Intrigue nicht eingeweihte Jurien de la Gra¬
vure schwerlich eine Ahnung hatte. Saligny war daher auch gewiß nicht
überrascht darüber, daß sein Kabinet die Convention mißbilligte, und eben¬
sowenig darüber, daß Jurien de la Graviöre in verletzender Weise seiner
politischen Vollmachten, die nun allein auf Saligny übergingen, enthoben
und auf das militärische Commando beschränkt wurde.

Selbstverständlich war die französische Regierung befugt, der Convention
die Bestätigung zu verweigern. Aber mehr als naiv war es. wenn Rouher,
um die Regierungspolitik zu rechtfertigen, erklärte, die Convention sei erst
am Tage nach ihrem Abschluß durch Prim aus einem Gefühl achtungsvoller
Nachgiebigkeit gegen den spanischen Bevollmächtigten von dem französischen
unterzeichnet worden. Daß man einen Vertrag, an dessen Ratifikation
man selbst nicht glaubt, aus achtungsvoller Nachgiebigkeit gegen den Ver¬
bündeten unterzeichnet, ist jedenfalls ein des Herrn Rouher würdiger Einfall.
Daß die beiden Franzosen sie erst am folgenden Tage unterzeichnet haben
(worauf im Grunde gar nichts ankommt) ist möglich, zugestimmt, und zwar
nach eingehender Debatte, haben sie ihr jedenfalls schon an dem Tage, wo
Prim sie ihnen vorlegte.

Die Convention wurde verworfen, weil sie Napoleon gehindert haben
würde, die Candidatur des Erzherzogs Maximilian in Scene zu setzen. Das
habsburg-mexicanische Kaiserthum war damals bei ihm fest beschlossene Sache,
trotz aller Ableugnungen, die Billault mit gewohnter Dreistigkeit allen daraus
bezüglichen Gerüchten im gesetzgebenden Körper entgegensetzte.

Daß Napoleons Politik auf die Durchführung einer Habsburgischen
Candidatur hinauslief, merkte jetzt endlich auch die kurzsichtige spanische Re¬
gierung. Sie hatte auf die erste Nachricht von dem Abschluß der Conven¬
tion, ganz dem bisher von ihr eingenommenen Standpunkt gemäß, eine ent-


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die Verbündeten in Rücksicht auf das ungesunde Klima von Vera-Cruz Cor-
dova, Orizaba und Tehuacan besetzen; für den Fall des Scheiterns der Ver¬
handlungen haben die Verbündeten diese Städte zu räumen und wieder auf
einer Linie Stellung zu nehmen, die sich diesseits der von den Mexikanern
auf dem Wege von der Küste zur Hauptstadt angelegten Befestigungen hin¬
zieht; die Spitäler der Verbündeten würden in diesem Falle unter dem
Schutze der mexikanischen Nation bleiben.

Dieser Vertrag wurde gleich in der Sitzung der Commission am 19. Febr.
Abends, wie aus dem von Duvernois mitgetheilten Protokolle der Sitzung
hervorgeht, lebhaft debattirt und schließlich ohne alle Modifikation von sämmt¬
lichen Bevollmächtigten gebilligt. Und doch rief Saligny am folgenden Tage
aus: Die Convention ist das Papier nicht werth, auf dem sie geschrieben ist!
Sehr erklärlich: er wußte, daß sie von Frankreich verworfen werden würde,
wovon der offenbar in die Intrigue nicht eingeweihte Jurien de la Gra¬
vure schwerlich eine Ahnung hatte. Saligny war daher auch gewiß nicht
überrascht darüber, daß sein Kabinet die Convention mißbilligte, und eben¬
sowenig darüber, daß Jurien de la Graviöre in verletzender Weise seiner
politischen Vollmachten, die nun allein auf Saligny übergingen, enthoben
und auf das militärische Commando beschränkt wurde.

Selbstverständlich war die französische Regierung befugt, der Convention
die Bestätigung zu verweigern. Aber mehr als naiv war es. wenn Rouher,
um die Regierungspolitik zu rechtfertigen, erklärte, die Convention sei erst
am Tage nach ihrem Abschluß durch Prim aus einem Gefühl achtungsvoller
Nachgiebigkeit gegen den spanischen Bevollmächtigten von dem französischen
unterzeichnet worden. Daß man einen Vertrag, an dessen Ratifikation
man selbst nicht glaubt, aus achtungsvoller Nachgiebigkeit gegen den Ver¬
bündeten unterzeichnet, ist jedenfalls ein des Herrn Rouher würdiger Einfall.
Daß die beiden Franzosen sie erst am folgenden Tage unterzeichnet haben
(worauf im Grunde gar nichts ankommt) ist möglich, zugestimmt, und zwar
nach eingehender Debatte, haben sie ihr jedenfalls schon an dem Tage, wo
Prim sie ihnen vorlegte.

Die Convention wurde verworfen, weil sie Napoleon gehindert haben
würde, die Candidatur des Erzherzogs Maximilian in Scene zu setzen. Das
habsburg-mexicanische Kaiserthum war damals bei ihm fest beschlossene Sache,
trotz aller Ableugnungen, die Billault mit gewohnter Dreistigkeit allen daraus
bezüglichen Gerüchten im gesetzgebenden Körper entgegensetzte.

Daß Napoleons Politik auf die Durchführung einer Habsburgischen
Candidatur hinauslief, merkte jetzt endlich auch die kurzsichtige spanische Re¬
gierung. Sie hatte auf die erste Nachricht von dem Abschluß der Conven¬
tion, ganz dem bisher von ihr eingenommenen Standpunkt gemäß, eine ent-


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[0371] die Verbündeten in Rücksicht auf das ungesunde Klima von Vera-Cruz Cor- dova, Orizaba und Tehuacan besetzen; für den Fall des Scheiterns der Ver¬ handlungen haben die Verbündeten diese Städte zu räumen und wieder auf einer Linie Stellung zu nehmen, die sich diesseits der von den Mexikanern auf dem Wege von der Küste zur Hauptstadt angelegten Befestigungen hin¬ zieht; die Spitäler der Verbündeten würden in diesem Falle unter dem Schutze der mexikanischen Nation bleiben. Dieser Vertrag wurde gleich in der Sitzung der Commission am 19. Febr. Abends, wie aus dem von Duvernois mitgetheilten Protokolle der Sitzung hervorgeht, lebhaft debattirt und schließlich ohne alle Modifikation von sämmt¬ lichen Bevollmächtigten gebilligt. Und doch rief Saligny am folgenden Tage aus: Die Convention ist das Papier nicht werth, auf dem sie geschrieben ist! Sehr erklärlich: er wußte, daß sie von Frankreich verworfen werden würde, wovon der offenbar in die Intrigue nicht eingeweihte Jurien de la Gra¬ vure schwerlich eine Ahnung hatte. Saligny war daher auch gewiß nicht überrascht darüber, daß sein Kabinet die Convention mißbilligte, und eben¬ sowenig darüber, daß Jurien de la Graviöre in verletzender Weise seiner politischen Vollmachten, die nun allein auf Saligny übergingen, enthoben und auf das militärische Commando beschränkt wurde. Selbstverständlich war die französische Regierung befugt, der Convention die Bestätigung zu verweigern. Aber mehr als naiv war es. wenn Rouher, um die Regierungspolitik zu rechtfertigen, erklärte, die Convention sei erst am Tage nach ihrem Abschluß durch Prim aus einem Gefühl achtungsvoller Nachgiebigkeit gegen den spanischen Bevollmächtigten von dem französischen unterzeichnet worden. Daß man einen Vertrag, an dessen Ratifikation man selbst nicht glaubt, aus achtungsvoller Nachgiebigkeit gegen den Ver¬ bündeten unterzeichnet, ist jedenfalls ein des Herrn Rouher würdiger Einfall. Daß die beiden Franzosen sie erst am folgenden Tage unterzeichnet haben (worauf im Grunde gar nichts ankommt) ist möglich, zugestimmt, und zwar nach eingehender Debatte, haben sie ihr jedenfalls schon an dem Tage, wo Prim sie ihnen vorlegte. Die Convention wurde verworfen, weil sie Napoleon gehindert haben würde, die Candidatur des Erzherzogs Maximilian in Scene zu setzen. Das habsburg-mexicanische Kaiserthum war damals bei ihm fest beschlossene Sache, trotz aller Ableugnungen, die Billault mit gewohnter Dreistigkeit allen daraus bezüglichen Gerüchten im gesetzgebenden Körper entgegensetzte. Daß Napoleons Politik auf die Durchführung einer Habsburgischen Candidatur hinauslief, merkte jetzt endlich auch die kurzsichtige spanische Re¬ gierung. Sie hatte auf die erste Nachricht von dem Abschluß der Conven¬ tion, ganz dem bisher von ihr eingenommenen Standpunkt gemäß, eine ent- 47*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/371>, abgerufen am 26.06.2024.