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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Franzose war. Diese Schuldverschreibungen waren, wie im englischen Unter¬
hause von Lord Montugu erklärt wurde (Duvernois erwähnt dies nicht)
an den französischen Gesandten in Mexico selbst verkauft worden und durch
verschiedene Hände hindurch endlich in den Besitz von Morny gelangt. So
ging also mit Napoleons pomphaft gepriesenen Regenerationsplänen ein
Geldgeschäft der schmutzigsten Art Hand in Hand, welches seine dunkeln
Schatten auf die höchsten Kreise des offiziellen bonapartischen Frank¬
reich warf.

Mit Recht verlangten der englische und der spanische Bevollmächtigte,
daß Saligny in das Ultimatum nur die zweifellos berechtigten Forderungen
aufnehme. Saligny fuhr auf: Was geht Sie das an? Lassen Sie uns
unser Ultimatum auf unsere Verantwortung machen, und wir wollen das
Ihrige nicht controliren. Da aber Prim und die Engländer fest blieben,
so mußte man sich unmittelbar an die Kabinette wenden. Thouvenel billigte
im allgemeinen Saligny's Verhalten, fand aber doch seine Sprache etwas
schroff und die Reklamationen etwas übertrieben; er stellte den Grundsatz
auf, daß in Betreff der Jecker'schen Sache zwischen dem unterschieden werden
müsse, was die französischen Interessen berühre, und dem, was ihnen fremd
sei, das heißt also, daß Frankreich nur wegen der Scheine zu reclamiren
habe, die sich in den Händen französischer Besitzer befanden. Nun erhielt
aber wunderbarer Weise Jecker bald darauf (26. März) die große französische
Naturalisation, die nur vom Kaiser selbst unter ganz besonderen Umständen
ertheilt wird. Und als später die Schuld regulirt wurde, da fand sich noch
wunderbarerer Weise, daß fast alle Scheine sich wieder in Jeckers Händen
befanden. Wie dieser wieder in den (natürlich scheinbaren) Besitz der¬
selben gelangt ist, läßt sich leicht errathen; aber kaum begreiflich ist es,
wie ein so schmählicher Handel sich "in die Falten der französischen Fahne"
hüllen durfte. .

Die spanische Regierung, die noch immer von einer bourbonischen Se-
cundogenitur träumte, war höchlichst unzufrieden damit, daß man sich üoer-
haupt mit Juarez eingelassen und denselben dadurch indirect anerkannt habe.
Inzwischen aber hatte Prim, der sich um die Wünsche seines Hofes wenig
kümmerte, sich der englischen Auffassung mehr genähert und am 19, Februar
mit dem General Doblado die berühmte Convention von Soledad abge¬
schlossen, der zufolge die Verbündeten, in Betracht, daß die mexicanische Re¬
gierung in sich selbst die erforderlichen Elemente der Macht besitze, um sich
gegen jeden inneren Aufruhr zu behaupten, sich auf den Boden der Verträge
stellten, um alle ihre Reclamtionen zu formuliren. Zu diesem Zwecke sollten in
Orizaba Verhandlungen eröffnet werden; jede Absicht, die Souveränetät der
Republik anzutasten, wird abgewiesen, während der Verhandlungen werden


Franzose war. Diese Schuldverschreibungen waren, wie im englischen Unter¬
hause von Lord Montugu erklärt wurde (Duvernois erwähnt dies nicht)
an den französischen Gesandten in Mexico selbst verkauft worden und durch
verschiedene Hände hindurch endlich in den Besitz von Morny gelangt. So
ging also mit Napoleons pomphaft gepriesenen Regenerationsplänen ein
Geldgeschäft der schmutzigsten Art Hand in Hand, welches seine dunkeln
Schatten auf die höchsten Kreise des offiziellen bonapartischen Frank¬
reich warf.

Mit Recht verlangten der englische und der spanische Bevollmächtigte,
daß Saligny in das Ultimatum nur die zweifellos berechtigten Forderungen
aufnehme. Saligny fuhr auf: Was geht Sie das an? Lassen Sie uns
unser Ultimatum auf unsere Verantwortung machen, und wir wollen das
Ihrige nicht controliren. Da aber Prim und die Engländer fest blieben,
so mußte man sich unmittelbar an die Kabinette wenden. Thouvenel billigte
im allgemeinen Saligny's Verhalten, fand aber doch seine Sprache etwas
schroff und die Reklamationen etwas übertrieben; er stellte den Grundsatz
auf, daß in Betreff der Jecker'schen Sache zwischen dem unterschieden werden
müsse, was die französischen Interessen berühre, und dem, was ihnen fremd
sei, das heißt also, daß Frankreich nur wegen der Scheine zu reclamiren
habe, die sich in den Händen französischer Besitzer befanden. Nun erhielt
aber wunderbarer Weise Jecker bald darauf (26. März) die große französische
Naturalisation, die nur vom Kaiser selbst unter ganz besonderen Umständen
ertheilt wird. Und als später die Schuld regulirt wurde, da fand sich noch
wunderbarerer Weise, daß fast alle Scheine sich wieder in Jeckers Händen
befanden. Wie dieser wieder in den (natürlich scheinbaren) Besitz der¬
selben gelangt ist, läßt sich leicht errathen; aber kaum begreiflich ist es,
wie ein so schmählicher Handel sich „in die Falten der französischen Fahne"
hüllen durfte. .

Die spanische Regierung, die noch immer von einer bourbonischen Se-
cundogenitur träumte, war höchlichst unzufrieden damit, daß man sich üoer-
haupt mit Juarez eingelassen und denselben dadurch indirect anerkannt habe.
Inzwischen aber hatte Prim, der sich um die Wünsche seines Hofes wenig
kümmerte, sich der englischen Auffassung mehr genähert und am 19, Februar
mit dem General Doblado die berühmte Convention von Soledad abge¬
schlossen, der zufolge die Verbündeten, in Betracht, daß die mexicanische Re¬
gierung in sich selbst die erforderlichen Elemente der Macht besitze, um sich
gegen jeden inneren Aufruhr zu behaupten, sich auf den Boden der Verträge
stellten, um alle ihre Reclamtionen zu formuliren. Zu diesem Zwecke sollten in
Orizaba Verhandlungen eröffnet werden; jede Absicht, die Souveränetät der
Republik anzutasten, wird abgewiesen, während der Verhandlungen werden


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[0370] Franzose war. Diese Schuldverschreibungen waren, wie im englischen Unter¬ hause von Lord Montugu erklärt wurde (Duvernois erwähnt dies nicht) an den französischen Gesandten in Mexico selbst verkauft worden und durch verschiedene Hände hindurch endlich in den Besitz von Morny gelangt. So ging also mit Napoleons pomphaft gepriesenen Regenerationsplänen ein Geldgeschäft der schmutzigsten Art Hand in Hand, welches seine dunkeln Schatten auf die höchsten Kreise des offiziellen bonapartischen Frank¬ reich warf. Mit Recht verlangten der englische und der spanische Bevollmächtigte, daß Saligny in das Ultimatum nur die zweifellos berechtigten Forderungen aufnehme. Saligny fuhr auf: Was geht Sie das an? Lassen Sie uns unser Ultimatum auf unsere Verantwortung machen, und wir wollen das Ihrige nicht controliren. Da aber Prim und die Engländer fest blieben, so mußte man sich unmittelbar an die Kabinette wenden. Thouvenel billigte im allgemeinen Saligny's Verhalten, fand aber doch seine Sprache etwas schroff und die Reklamationen etwas übertrieben; er stellte den Grundsatz auf, daß in Betreff der Jecker'schen Sache zwischen dem unterschieden werden müsse, was die französischen Interessen berühre, und dem, was ihnen fremd sei, das heißt also, daß Frankreich nur wegen der Scheine zu reclamiren habe, die sich in den Händen französischer Besitzer befanden. Nun erhielt aber wunderbarer Weise Jecker bald darauf (26. März) die große französische Naturalisation, die nur vom Kaiser selbst unter ganz besonderen Umständen ertheilt wird. Und als später die Schuld regulirt wurde, da fand sich noch wunderbarerer Weise, daß fast alle Scheine sich wieder in Jeckers Händen befanden. Wie dieser wieder in den (natürlich scheinbaren) Besitz der¬ selben gelangt ist, läßt sich leicht errathen; aber kaum begreiflich ist es, wie ein so schmählicher Handel sich „in die Falten der französischen Fahne" hüllen durfte. . Die spanische Regierung, die noch immer von einer bourbonischen Se- cundogenitur träumte, war höchlichst unzufrieden damit, daß man sich üoer- haupt mit Juarez eingelassen und denselben dadurch indirect anerkannt habe. Inzwischen aber hatte Prim, der sich um die Wünsche seines Hofes wenig kümmerte, sich der englischen Auffassung mehr genähert und am 19, Februar mit dem General Doblado die berühmte Convention von Soledad abge¬ schlossen, der zufolge die Verbündeten, in Betracht, daß die mexicanische Re¬ gierung in sich selbst die erforderlichen Elemente der Macht besitze, um sich gegen jeden inneren Aufruhr zu behaupten, sich auf den Boden der Verträge stellten, um alle ihre Reclamtionen zu formuliren. Zu diesem Zwecke sollten in Orizaba Verhandlungen eröffnet werden; jede Absicht, die Souveränetät der Republik anzutasten, wird abgewiesen, während der Verhandlungen werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/370>, abgerufen am 26.06.2024.