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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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dung einer Monarchie unter einem bourbonischen Prinzen; den monarchi¬
stischen Eifer theilt Frankreich vollkommen, schweigt aber hartnäckig über die
dynastische Frage. England dagegen verlangt, daß als Ziel der Interven¬
tion ausschließlich die Ordnung der Geldangelegenheiten bezeichnet, auf jede
Einmischung in die inneren Verhältnisse Mexico's förmlich und ausdrücklich
verzichtet werde. Hiergegen protestiren Thouvenel und Calderon Collantes,
der französische und der spanische Minister des Auswärtigen, aufs lebhafteste.
Collantes erklärt, es wäre besser. Nichts zu thun, als eine solche Verbind¬
lichkeit einzugehen, die im Voraus die Hände binde. Thouvenel hebt dem
englischen Gesandten gegenüber hervor, daß es ein Fehler sein würde, wenn
man die mexicanische Ordnungspartei durch einen solchen Artikel von vorn
herein entmuthigen wollte; im weiteren Verlaufe des Gespräches läßt er so¬
gar unvorsichtiger Weise eine Anspielung auf die Habsburgische Candidatur
fallen. Um so entschiedener bestand England auf der Aufnahme des be¬
schränkenden Artikels in die Convention, und die beiden anderen Mächte
mußten nachgeben. Am 31. October wurde die Londoner Convention unter¬
zeichnet, im Anfang des Jahres 1862 besetzten die Verbünderen Vera-Cruz
und bereits am 9. Januar fand die erste Conferenz der Commissäre der ver¬
bündeten Mächte statt. Es waren dies sür Frankreich Saligny und der
Vice Admiral Jurien de la Graviöre, für England Sir Lennox Whke und
Admiral Dunlop, sür Spanien Prim,

Die verschiedene Auffassung der Bevollmächtigten trat sogleich bei Be¬
rathung über die drei Ullimata, die in einer nach Mexico gesandten Collec-
tivnvte angekündigt waren, hervor. Frankreich normirte seine Forderungen
auf die fabelhafte Höhe von 12 Millionen Piaster (60 Millionen Francs),
während seine unbestrittenen Ansprüche sich, wie schon erwähnt, nur auf
750,000 Francs beliefen, und verlangte außerdem vollständigen und unmittel¬
baren Vollzug des zwischen Miramon und dem Hause Jecker geschlossenen
Vertrages, von dem bisher in keiner französischen Reclamation die Rede ge¬
wesen war und dessen Thouvenel in seiner Instruction für Jurien de la
Graviöre nicht mit einem Worte erwähnt hatte, woraus sich ziemlich klar
ergibt, daß Saligny besonderen Jnstructionen folgte. Dieser Jeckersche
Vertrag war aber ein reines Wucher- und Schwindelgeschäft. Jecker, ein
Schweizer, hatte unter der Präsidentschaft Zuloaga's für eine Lieferung eine
große Menge werthloser Schayscheine erhalten. Für diese ließ er sich von
Miramon, der baares Geld brauchte, neue Schatzscheine im Nominalwerthe
von 75 Millionen Francs geben, für die er ungesähr 3 Millionen Francs
zahlte: also für eine Buarzahlung von 3 Millionen Ansprüche auf 75 Mil¬
lionen! Diese 75 Millionen reclamirte Saligny, obgleich Jecker nicht einmal


Greuzbote" III. 1870 47

dung einer Monarchie unter einem bourbonischen Prinzen; den monarchi¬
stischen Eifer theilt Frankreich vollkommen, schweigt aber hartnäckig über die
dynastische Frage. England dagegen verlangt, daß als Ziel der Interven¬
tion ausschließlich die Ordnung der Geldangelegenheiten bezeichnet, auf jede
Einmischung in die inneren Verhältnisse Mexico's förmlich und ausdrücklich
verzichtet werde. Hiergegen protestiren Thouvenel und Calderon Collantes,
der französische und der spanische Minister des Auswärtigen, aufs lebhafteste.
Collantes erklärt, es wäre besser. Nichts zu thun, als eine solche Verbind¬
lichkeit einzugehen, die im Voraus die Hände binde. Thouvenel hebt dem
englischen Gesandten gegenüber hervor, daß es ein Fehler sein würde, wenn
man die mexicanische Ordnungspartei durch einen solchen Artikel von vorn
herein entmuthigen wollte; im weiteren Verlaufe des Gespräches läßt er so¬
gar unvorsichtiger Weise eine Anspielung auf die Habsburgische Candidatur
fallen. Um so entschiedener bestand England auf der Aufnahme des be¬
schränkenden Artikels in die Convention, und die beiden anderen Mächte
mußten nachgeben. Am 31. October wurde die Londoner Convention unter¬
zeichnet, im Anfang des Jahres 1862 besetzten die Verbünderen Vera-Cruz
und bereits am 9. Januar fand die erste Conferenz der Commissäre der ver¬
bündeten Mächte statt. Es waren dies sür Frankreich Saligny und der
Vice Admiral Jurien de la Graviöre, für England Sir Lennox Whke und
Admiral Dunlop, sür Spanien Prim,

Die verschiedene Auffassung der Bevollmächtigten trat sogleich bei Be¬
rathung über die drei Ullimata, die in einer nach Mexico gesandten Collec-
tivnvte angekündigt waren, hervor. Frankreich normirte seine Forderungen
auf die fabelhafte Höhe von 12 Millionen Piaster (60 Millionen Francs),
während seine unbestrittenen Ansprüche sich, wie schon erwähnt, nur auf
750,000 Francs beliefen, und verlangte außerdem vollständigen und unmittel¬
baren Vollzug des zwischen Miramon und dem Hause Jecker geschlossenen
Vertrages, von dem bisher in keiner französischen Reclamation die Rede ge¬
wesen war und dessen Thouvenel in seiner Instruction für Jurien de la
Graviöre nicht mit einem Worte erwähnt hatte, woraus sich ziemlich klar
ergibt, daß Saligny besonderen Jnstructionen folgte. Dieser Jeckersche
Vertrag war aber ein reines Wucher- und Schwindelgeschäft. Jecker, ein
Schweizer, hatte unter der Präsidentschaft Zuloaga's für eine Lieferung eine
große Menge werthloser Schayscheine erhalten. Für diese ließ er sich von
Miramon, der baares Geld brauchte, neue Schatzscheine im Nominalwerthe
von 75 Millionen Francs geben, für die er ungesähr 3 Millionen Francs
zahlte: also für eine Buarzahlung von 3 Millionen Ansprüche auf 75 Mil¬
lionen! Diese 75 Millionen reclamirte Saligny, obgleich Jecker nicht einmal


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[0369] dung einer Monarchie unter einem bourbonischen Prinzen; den monarchi¬ stischen Eifer theilt Frankreich vollkommen, schweigt aber hartnäckig über die dynastische Frage. England dagegen verlangt, daß als Ziel der Interven¬ tion ausschließlich die Ordnung der Geldangelegenheiten bezeichnet, auf jede Einmischung in die inneren Verhältnisse Mexico's förmlich und ausdrücklich verzichtet werde. Hiergegen protestiren Thouvenel und Calderon Collantes, der französische und der spanische Minister des Auswärtigen, aufs lebhafteste. Collantes erklärt, es wäre besser. Nichts zu thun, als eine solche Verbind¬ lichkeit einzugehen, die im Voraus die Hände binde. Thouvenel hebt dem englischen Gesandten gegenüber hervor, daß es ein Fehler sein würde, wenn man die mexicanische Ordnungspartei durch einen solchen Artikel von vorn herein entmuthigen wollte; im weiteren Verlaufe des Gespräches läßt er so¬ gar unvorsichtiger Weise eine Anspielung auf die Habsburgische Candidatur fallen. Um so entschiedener bestand England auf der Aufnahme des be¬ schränkenden Artikels in die Convention, und die beiden anderen Mächte mußten nachgeben. Am 31. October wurde die Londoner Convention unter¬ zeichnet, im Anfang des Jahres 1862 besetzten die Verbünderen Vera-Cruz und bereits am 9. Januar fand die erste Conferenz der Commissäre der ver¬ bündeten Mächte statt. Es waren dies sür Frankreich Saligny und der Vice Admiral Jurien de la Graviöre, für England Sir Lennox Whke und Admiral Dunlop, sür Spanien Prim, Die verschiedene Auffassung der Bevollmächtigten trat sogleich bei Be¬ rathung über die drei Ullimata, die in einer nach Mexico gesandten Collec- tivnvte angekündigt waren, hervor. Frankreich normirte seine Forderungen auf die fabelhafte Höhe von 12 Millionen Piaster (60 Millionen Francs), während seine unbestrittenen Ansprüche sich, wie schon erwähnt, nur auf 750,000 Francs beliefen, und verlangte außerdem vollständigen und unmittel¬ baren Vollzug des zwischen Miramon und dem Hause Jecker geschlossenen Vertrages, von dem bisher in keiner französischen Reclamation die Rede ge¬ wesen war und dessen Thouvenel in seiner Instruction für Jurien de la Graviöre nicht mit einem Worte erwähnt hatte, woraus sich ziemlich klar ergibt, daß Saligny besonderen Jnstructionen folgte. Dieser Jeckersche Vertrag war aber ein reines Wucher- und Schwindelgeschäft. Jecker, ein Schweizer, hatte unter der Präsidentschaft Zuloaga's für eine Lieferung eine große Menge werthloser Schayscheine erhalten. Für diese ließ er sich von Miramon, der baares Geld brauchte, neue Schatzscheine im Nominalwerthe von 75 Millionen Francs geben, für die er ungesähr 3 Millionen Francs zahlte: also für eine Buarzahlung von 3 Millionen Ansprüche auf 75 Mil¬ lionen! Diese 75 Millionen reclamirte Saligny, obgleich Jecker nicht einmal Greuzbote» III. 1870 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/369>, abgerufen am 26.06.2024.