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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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losigkeit gegenüber, während er mit der Gegenpartei die intimsten Verbin¬
dungen unterhielt; auch hierin von den Engländern unterschieden, die den
guten Willen an Juarez bereitwillig anerkannten, wie denn in der That
Juarez' Verwaltung der erste Regenerationsversuch war, dessen Gelingen,
wenn auch nicht grade wahrscheinlich, doch wenigstens möglich schien. Um
so mehr aber drückte Napoleon auf die Regierung, da er die Regeneration
der lateinischen Race als sure eigene providentielle Aufgabe betrachtete, bet
deren Ausübung er keinen Concurrenten dulden konnte.

Saligny ergriff daher, als Juarez in seiner Finanznoth den verhängniß-
vollen Entschluß faßte, die Zahlungen der äußeren Schuld für zwei Jahre
zu suspendiren, sogleich die Gelegenheit, in schroffster Weise mit der Regie¬
rung zu brechen, ohne den Sühneversuchen des Ministers Zamacona ent¬
gegenzukommen. Daß Saligny diese Bemühungen Zamacona's in seiner in
das Gelbbuch aufgenommenen Depesche verschweigt und daß er überhaupt
das Verfahren der mericanischen Regierung in einem viel zu ungünstigen
Lichte darstellt, beweist nur, daß Napoleon den von ihm fest beschlossenen
und herbeigeführten Bruch vor dem gesetzgebenden Körper als unvermeid¬
liche Folge von Juarez' gewalthätigem Verfahren erscheinen lassen wollte.
Wie vollständig Saligny das Werkzeug der persönlichen Politik Napoleons
war, tritt im Verlaufe der Erzählung bis zur Evidenz hervor. Seine Auf¬
gabe war, einen easus belli zu schaffen, und das gelang ihm unschwer. Aus
Verlegenheiten, die man der Regierung geschaffen, den Vorwand nehmen,
um sie der Schwäche oder Unthätigkeit zu beschuldigen -- das war nach
Duvernois' treffendem Ausdrucke die Politik, die Herr von Saligny vom
Januar bis September 1861 mit dem ganzen Geschick des bösen Willens
befolgte.

Unterdessen waren die Verhandlungen zwischen Spanien, Frankreich und
England begonnen worden. Schon 1860 hatte Spanien Frankreich Vorschläge
zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Mexico gemacht, die auf nichts Ge¬
ringeres als auf Gründung einer mericanischen Monarchie gingen, wobei
Spanien natürlich an eine bourbonische Secundogenitur dachte. Das Pro¬
jekt wurde damals von Frankreich nicht grade zurückgewiesen, aber vertagt.
1861 nimmt Frankreich dagegen die Verhandlungen in Betreff einer Coo-
peration der drei Mächte mit einem Eiser auf, der England überraschte, da
es dem Kabinet von Se. James unwahrscheinlich vorkam, daß Frankreich
um 750,000 Francs (denn nicht höher beliefen sich die begründeten und
unbestreitbaren Forderungen Frankreichs, während England auf 300 Mil¬
lionen Anspruch hatte) sich so erhitzen sollte. Nichtsdestoweniger geht Eng¬
land, aber mit der kühlsten Vorsicht, auf die Unterhandlungen ein. Spanien
überbietet an Eiser selbst Frankreich und spricht ganz laut von der Grün-


losigkeit gegenüber, während er mit der Gegenpartei die intimsten Verbin¬
dungen unterhielt; auch hierin von den Engländern unterschieden, die den
guten Willen an Juarez bereitwillig anerkannten, wie denn in der That
Juarez' Verwaltung der erste Regenerationsversuch war, dessen Gelingen,
wenn auch nicht grade wahrscheinlich, doch wenigstens möglich schien. Um
so mehr aber drückte Napoleon auf die Regierung, da er die Regeneration
der lateinischen Race als sure eigene providentielle Aufgabe betrachtete, bet
deren Ausübung er keinen Concurrenten dulden konnte.

Saligny ergriff daher, als Juarez in seiner Finanznoth den verhängniß-
vollen Entschluß faßte, die Zahlungen der äußeren Schuld für zwei Jahre
zu suspendiren, sogleich die Gelegenheit, in schroffster Weise mit der Regie¬
rung zu brechen, ohne den Sühneversuchen des Ministers Zamacona ent¬
gegenzukommen. Daß Saligny diese Bemühungen Zamacona's in seiner in
das Gelbbuch aufgenommenen Depesche verschweigt und daß er überhaupt
das Verfahren der mericanischen Regierung in einem viel zu ungünstigen
Lichte darstellt, beweist nur, daß Napoleon den von ihm fest beschlossenen
und herbeigeführten Bruch vor dem gesetzgebenden Körper als unvermeid¬
liche Folge von Juarez' gewalthätigem Verfahren erscheinen lassen wollte.
Wie vollständig Saligny das Werkzeug der persönlichen Politik Napoleons
war, tritt im Verlaufe der Erzählung bis zur Evidenz hervor. Seine Auf¬
gabe war, einen easus belli zu schaffen, und das gelang ihm unschwer. Aus
Verlegenheiten, die man der Regierung geschaffen, den Vorwand nehmen,
um sie der Schwäche oder Unthätigkeit zu beschuldigen — das war nach
Duvernois' treffendem Ausdrucke die Politik, die Herr von Saligny vom
Januar bis September 1861 mit dem ganzen Geschick des bösen Willens
befolgte.

Unterdessen waren die Verhandlungen zwischen Spanien, Frankreich und
England begonnen worden. Schon 1860 hatte Spanien Frankreich Vorschläge
zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Mexico gemacht, die auf nichts Ge¬
ringeres als auf Gründung einer mericanischen Monarchie gingen, wobei
Spanien natürlich an eine bourbonische Secundogenitur dachte. Das Pro¬
jekt wurde damals von Frankreich nicht grade zurückgewiesen, aber vertagt.
1861 nimmt Frankreich dagegen die Verhandlungen in Betreff einer Coo-
peration der drei Mächte mit einem Eiser auf, der England überraschte, da
es dem Kabinet von Se. James unwahrscheinlich vorkam, daß Frankreich
um 750,000 Francs (denn nicht höher beliefen sich die begründeten und
unbestreitbaren Forderungen Frankreichs, während England auf 300 Mil¬
lionen Anspruch hatte) sich so erhitzen sollte. Nichtsdestoweniger geht Eng¬
land, aber mit der kühlsten Vorsicht, auf die Unterhandlungen ein. Spanien
überbietet an Eiser selbst Frankreich und spricht ganz laut von der Grün-


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[0368] losigkeit gegenüber, während er mit der Gegenpartei die intimsten Verbin¬ dungen unterhielt; auch hierin von den Engländern unterschieden, die den guten Willen an Juarez bereitwillig anerkannten, wie denn in der That Juarez' Verwaltung der erste Regenerationsversuch war, dessen Gelingen, wenn auch nicht grade wahrscheinlich, doch wenigstens möglich schien. Um so mehr aber drückte Napoleon auf die Regierung, da er die Regeneration der lateinischen Race als sure eigene providentielle Aufgabe betrachtete, bet deren Ausübung er keinen Concurrenten dulden konnte. Saligny ergriff daher, als Juarez in seiner Finanznoth den verhängniß- vollen Entschluß faßte, die Zahlungen der äußeren Schuld für zwei Jahre zu suspendiren, sogleich die Gelegenheit, in schroffster Weise mit der Regie¬ rung zu brechen, ohne den Sühneversuchen des Ministers Zamacona ent¬ gegenzukommen. Daß Saligny diese Bemühungen Zamacona's in seiner in das Gelbbuch aufgenommenen Depesche verschweigt und daß er überhaupt das Verfahren der mericanischen Regierung in einem viel zu ungünstigen Lichte darstellt, beweist nur, daß Napoleon den von ihm fest beschlossenen und herbeigeführten Bruch vor dem gesetzgebenden Körper als unvermeid¬ liche Folge von Juarez' gewalthätigem Verfahren erscheinen lassen wollte. Wie vollständig Saligny das Werkzeug der persönlichen Politik Napoleons war, tritt im Verlaufe der Erzählung bis zur Evidenz hervor. Seine Auf¬ gabe war, einen easus belli zu schaffen, und das gelang ihm unschwer. Aus Verlegenheiten, die man der Regierung geschaffen, den Vorwand nehmen, um sie der Schwäche oder Unthätigkeit zu beschuldigen — das war nach Duvernois' treffendem Ausdrucke die Politik, die Herr von Saligny vom Januar bis September 1861 mit dem ganzen Geschick des bösen Willens befolgte. Unterdessen waren die Verhandlungen zwischen Spanien, Frankreich und England begonnen worden. Schon 1860 hatte Spanien Frankreich Vorschläge zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Mexico gemacht, die auf nichts Ge¬ ringeres als auf Gründung einer mericanischen Monarchie gingen, wobei Spanien natürlich an eine bourbonische Secundogenitur dachte. Das Pro¬ jekt wurde damals von Frankreich nicht grade zurückgewiesen, aber vertagt. 1861 nimmt Frankreich dagegen die Verhandlungen in Betreff einer Coo- peration der drei Mächte mit einem Eiser auf, der England überraschte, da es dem Kabinet von Se. James unwahrscheinlich vorkam, daß Frankreich um 750,000 Francs (denn nicht höher beliefen sich die begründeten und unbestreitbaren Forderungen Frankreichs, während England auf 300 Mil¬ lionen Anspruch hatte) sich so erhitzen sollte. Nichtsdestoweniger geht Eng¬ land, aber mit der kühlsten Vorsicht, auf die Unterhandlungen ein. Spanien überbietet an Eiser selbst Frankreich und spricht ganz laut von der Grün-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/368>, abgerufen am 26.06.2024.