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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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actenmäßige Aufschlüsse. Duvernois hat das Buel zu einer Zeit verfaßt,
wo er sich noch in der Opposition befand; der Herausgeber der Uebersetzung
erwarb -- wie in der Vorrede mitgetheilt wird -- das Uebersetzungsrecht
und die Uebersetzung wurde gleich nach Erscheinen der einzelnen Aushänge¬
bogen angefertigt. Inzwischen aber hatte Duvernois seinen Uebergang ins
bonapartische Lager bewerkstelligt, und da es sich für einen officiösen Jour¬
nalisten und Hofdemagogen natürlich nicht schickte, über Mexico die Wahr,
heit zu veröffentlichen, so hinderte er die Herausgabe des Werkes, dessen
erster Theil, bis zum Bruch 'der Convention, indessen durch den deutschen
Uebersetzer dem Untergange entzogen war. Wenn die Veränderung der Ver¬
hältnisse, der wir jetzt entgegensehen, erst Thatsache geworden ist, entschließt
sich der charaktervolle Verfasser vielleicht, das Ganze herauszugeben. --

Die Veranlassung zu dem Einschreiten Spaniens, Frankreichs und Eng¬
lands war ziemlich unbedeutend. Es handelte sich für die drei Mächte be¬
kanntlich darum. Geldforderungen ihrer Unterthanen an die Republik zur
Geltung zu bringen, und zugleich Genugthuung für die Ermordung oder
Beleidigung einzelner ihrer Angehörigen zu erlangen. Verfassungsmäßiger
Präsident war bereits vor dem Ausbruch des Conflictes Benito Juarez, der
energische Führer der liberalen Partei. Juarez' Herrschaft war indessen nicht
unbestritten; die Clericalen hatten ihm Zuloaga entgegengestellt, der, da er
sich in Besitz der Hauptstadt gesetzt hatte, von den auswärtigen Mächten,
außer Nordamerika, als rechtmäßiger Präsident anerkannt wurde. Dieser
mußte indessen die höchste Gewalt bald dem ehemaligen Bandenführer
Miramon einräumen, zu dessen reactionärer Energie die Priesterpartei größeres
Vertrauen hatte. Bald gewann jedoch Juarez wieder die Oberhand. Mira-
mons Truppen wurden von Ortega geschlagen, und im Januar 1861 zog
Juarez in Mexico ein, sodaß ihm nun die Anerkennung von Seiten des
Auslandes nicht länger verweigert werden konnte.

Es ist begreiflich, daß die Forderungen, welche die drei Mächte jetzt an
Juarez richteten, diesem höchst ungelegen kamen. Die Cassen waren leer,
die völlige Unterdrückung der Clericalen, die über die Energie, mit welcher
Juarez die Macht der Geistlichkeit zu brechen suchte, im höchsten Grade
erbittert waren und die in zahlreiche Banden aufgelöst das Land beunruhig¬
ten und überall plünderten, nahm große Geldmittel in Anspruch. Juarez
suchte Frist zu gewinnen; aber Frankreichs Gesandter, Herr von Saligny,
verstand sich trotz der Geringfügigkeit der französischen Forderung zu Nichts,
während England gemäßigt und versöhnlich auftrat. Es war schon damals
einleuchtend, daß Frankreich die ganze Geldfrage nur als Ausgangspunkt
für weitere Pläne ausnutzen wollte. Saligny trat der Regierung des
Juarez bei jeder Gelegenheit mit berechneter Nichtachtung und Rücksichts-


actenmäßige Aufschlüsse. Duvernois hat das Buel zu einer Zeit verfaßt,
wo er sich noch in der Opposition befand; der Herausgeber der Uebersetzung
erwarb — wie in der Vorrede mitgetheilt wird — das Uebersetzungsrecht
und die Uebersetzung wurde gleich nach Erscheinen der einzelnen Aushänge¬
bogen angefertigt. Inzwischen aber hatte Duvernois seinen Uebergang ins
bonapartische Lager bewerkstelligt, und da es sich für einen officiösen Jour¬
nalisten und Hofdemagogen natürlich nicht schickte, über Mexico die Wahr,
heit zu veröffentlichen, so hinderte er die Herausgabe des Werkes, dessen
erster Theil, bis zum Bruch 'der Convention, indessen durch den deutschen
Uebersetzer dem Untergange entzogen war. Wenn die Veränderung der Ver¬
hältnisse, der wir jetzt entgegensehen, erst Thatsache geworden ist, entschließt
sich der charaktervolle Verfasser vielleicht, das Ganze herauszugeben. —

Die Veranlassung zu dem Einschreiten Spaniens, Frankreichs und Eng¬
lands war ziemlich unbedeutend. Es handelte sich für die drei Mächte be¬
kanntlich darum. Geldforderungen ihrer Unterthanen an die Republik zur
Geltung zu bringen, und zugleich Genugthuung für die Ermordung oder
Beleidigung einzelner ihrer Angehörigen zu erlangen. Verfassungsmäßiger
Präsident war bereits vor dem Ausbruch des Conflictes Benito Juarez, der
energische Führer der liberalen Partei. Juarez' Herrschaft war indessen nicht
unbestritten; die Clericalen hatten ihm Zuloaga entgegengestellt, der, da er
sich in Besitz der Hauptstadt gesetzt hatte, von den auswärtigen Mächten,
außer Nordamerika, als rechtmäßiger Präsident anerkannt wurde. Dieser
mußte indessen die höchste Gewalt bald dem ehemaligen Bandenführer
Miramon einräumen, zu dessen reactionärer Energie die Priesterpartei größeres
Vertrauen hatte. Bald gewann jedoch Juarez wieder die Oberhand. Mira-
mons Truppen wurden von Ortega geschlagen, und im Januar 1861 zog
Juarez in Mexico ein, sodaß ihm nun die Anerkennung von Seiten des
Auslandes nicht länger verweigert werden konnte.

Es ist begreiflich, daß die Forderungen, welche die drei Mächte jetzt an
Juarez richteten, diesem höchst ungelegen kamen. Die Cassen waren leer,
die völlige Unterdrückung der Clericalen, die über die Energie, mit welcher
Juarez die Macht der Geistlichkeit zu brechen suchte, im höchsten Grade
erbittert waren und die in zahlreiche Banden aufgelöst das Land beunruhig¬
ten und überall plünderten, nahm große Geldmittel in Anspruch. Juarez
suchte Frist zu gewinnen; aber Frankreichs Gesandter, Herr von Saligny,
verstand sich trotz der Geringfügigkeit der französischen Forderung zu Nichts,
während England gemäßigt und versöhnlich auftrat. Es war schon damals
einleuchtend, daß Frankreich die ganze Geldfrage nur als Ausgangspunkt
für weitere Pläne ausnutzen wollte. Saligny trat der Regierung des
Juarez bei jeder Gelegenheit mit berechneter Nichtachtung und Rücksichts-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/367>, abgerufen am 26.06.2024.