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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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erhellte das schlaffe AntliK des wohlbeleibten Galliers: er war gerettet.
Man kündigte ihm an. daß er in zwei Tagen in seine Heimath zurück¬
reisen dürfe.

"Ihr von der Presse in Paris", so sagten wir ihm. "habt Deutschland,
wenigstens das Deutschland, das etwas in der Welt bedeutet, erst im Jahre
1866 entdeckt; kennt Ihr uns jetzt?,. Monsieur, maintsnant vous
eonntüsLOQL !" "Und werdet Ihr nie wieder gegen Preußen
schreiben?" "Uou3 1e Durons!" Die Thaten unserer Armee, hoffen wir,
werden es dem Chauvinismus leicht machen, sein Wort zu halten. Sollte
er sich dennoch vergessen, so werden wir vielleicht in Paris Gelegenheit neh¬
men, ihn an das zu erinnern, was er uns in Wörth feierlich gelobt hat.


Paul Hassel.


Das Weite Kaiserreich im Lichte der französischen Geschichten
Schreibung.
V. Von Villafranca bis Soledad.

Der italienische Krieg von 1869 wurde nicht bis zu dem verheißenen
Ziele: "frei bis zur Adria" geführt; er wurde abgebrochen, er schuf ein
halbes Werk, er stellte einen neuen Krieg in sichere Aussicht. Napoleon
wich zurück vor den Gefahren eines Kampfes um das Festungsviereck, die
um so schwerer ins Gewicht fielen, da die erhitzte Stimmung Süddeutschlands
bereits auf Preußen eine auf die Dauer unwiderstehliche Pression übte; er
wich zurück vor der politischen Schwierigkeit, die ihm aus der entschieden
dem Anschluß an Piemont zugeneigten Stimmung der italienischen Fürsten-
thümer und der Legationen erwuchs. Er sah ein, daß er, wenn er den
Kampf fortsetze, für die Gründung eines unabhängigen Nationalstaats würde
zu kämpfen haben, während er nur deshalb den Krieg unternommen hatte,
um Piemont so weit zu vergrößern, daß er durch dessen Vermittelung
Italien beherrschen konnte. Daß Oestreich in Besitz Venetiens blieb, war
ein Uebel, dem sich doch eine gute Seite abgewinnen ließ. Denn es war ja
klar, daß, so lange Oestreich auch nur einen Fuß breit italienischen Bodens
sein nannte, Piemont völlig auf Frankreichs Schutz angewiesen war und
jeder selbständigen Politik unfähig bleiben mußte. Wie fest er entschlossen
war, Piemont als willenlosen Vasallenstaat zu behandeln, trat schon in der
Art. und Weise, wie der Vertrag von Villafranca abgeschlossen wurde, mit


erhellte das schlaffe AntliK des wohlbeleibten Galliers: er war gerettet.
Man kündigte ihm an. daß er in zwei Tagen in seine Heimath zurück¬
reisen dürfe.

„Ihr von der Presse in Paris", so sagten wir ihm. „habt Deutschland,
wenigstens das Deutschland, das etwas in der Welt bedeutet, erst im Jahre
1866 entdeckt; kennt Ihr uns jetzt?,. Monsieur, maintsnant vous
eonntüsLOQL !" „Und werdet Ihr nie wieder gegen Preußen
schreiben?" „Uou3 1e Durons!" Die Thaten unserer Armee, hoffen wir,
werden es dem Chauvinismus leicht machen, sein Wort zu halten. Sollte
er sich dennoch vergessen, so werden wir vielleicht in Paris Gelegenheit neh¬
men, ihn an das zu erinnern, was er uns in Wörth feierlich gelobt hat.


Paul Hassel.


Das Weite Kaiserreich im Lichte der französischen Geschichten
Schreibung.
V. Von Villafranca bis Soledad.

Der italienische Krieg von 1869 wurde nicht bis zu dem verheißenen
Ziele: „frei bis zur Adria" geführt; er wurde abgebrochen, er schuf ein
halbes Werk, er stellte einen neuen Krieg in sichere Aussicht. Napoleon
wich zurück vor den Gefahren eines Kampfes um das Festungsviereck, die
um so schwerer ins Gewicht fielen, da die erhitzte Stimmung Süddeutschlands
bereits auf Preußen eine auf die Dauer unwiderstehliche Pression übte; er
wich zurück vor der politischen Schwierigkeit, die ihm aus der entschieden
dem Anschluß an Piemont zugeneigten Stimmung der italienischen Fürsten-
thümer und der Legationen erwuchs. Er sah ein, daß er, wenn er den
Kampf fortsetze, für die Gründung eines unabhängigen Nationalstaats würde
zu kämpfen haben, während er nur deshalb den Krieg unternommen hatte,
um Piemont so weit zu vergrößern, daß er durch dessen Vermittelung
Italien beherrschen konnte. Daß Oestreich in Besitz Venetiens blieb, war
ein Uebel, dem sich doch eine gute Seite abgewinnen ließ. Denn es war ja
klar, daß, so lange Oestreich auch nur einen Fuß breit italienischen Bodens
sein nannte, Piemont völlig auf Frankreichs Schutz angewiesen war und
jeder selbständigen Politik unfähig bleiben mußte. Wie fest er entschlossen
war, Piemont als willenlosen Vasallenstaat zu behandeln, trat schon in der
Art. und Weise, wie der Vertrag von Villafranca abgeschlossen wurde, mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/357>, abgerufen am 26.06.2024.