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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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verfiel. Der gemüthvolle deutsche Leser aber wird ein Interesse haben zu
vernehmen, wie sein Schicksal sich ferner gestaltete.

Als wir am Abend des 6. August vom Schauplatz des mörderischen
Kampfes in das Hauptquartier der 3ten Armee, das noch in Sulz still lag,
zurückkehrten, begegnete uns auf der Landstraße ein Trupp von acht bis zehn
Civilisten, der unter Escorte der Kriegspolizei, der furchtbaren "Feldgens-
darmen", sich weiter bewegte. Schon aus einiger Entfernung fallen uns zwei
Männer auf, die sich mit übermäßig lebhaften Gesticulationen bemühen, ihre
militärische Begleitung von einem uns noch unbekannten Gegenstand zu über¬
zeugen. Wir wollen an dem Knäuel von Menschen, der sie umsteht, vorüber¬
gehen, sie aber sprechen uns mit französischen Worten an und bitten um un¬
sere Vermittelung. Wir hemmen unsere Schritte und erhalten von dem
Feldgensdarmen den Bescheid, daß man diese Männer auf einem Thurm in
Wörth gefangen habe, von dem aus auf unsere Soldaten meuchlings ge¬
schossen worden sei, und daß man im Begriff stehe, sie ins Hauptquartier ab¬
zuführen. Die beiden Sprecher, in denen unsere Leser längst den "Figaro"
und "Gaulois" erkannt haben werden, betheuern mit theatralischen Pathos
ihre Unschuld, während die übrigen Mitglieder der gefangenen Cohorte, jeder
mit seiner besonderen Miene der Verzweiflung ein Gleiches versichern. "Das
ist ganz egal, vorwärts!" donnert die Kriegspolizei mit dem letzten Auf¬
wand ihres kräftigen Brusttons, der vom Staub der Landstraße und einigen
flüssigen Ingredienzen rauher Natur bereits stark gelitten hat. Der Zug
setzt sich wieder in Marsch und so oft er durch erneute Redeversuche der De¬
linquenten gestört wird, helfen einige deutsche Faustschläge der hohen Polizei,
ihn wieder in das übliche Tempo zu bringen.

Am nächsten Morgen hat sich durch das ganze Hauptlager des Kron¬
prinzen die Kunde von dem tragikomischen Geschick des preußensressenden
Gaulois verbreitet. Die Untersuchung ist angeordnet und von einem General¬
stabsoffizier geführt worden. Sie hat ergeben, daß bei der Gefangennahme
unserer Journalisten auf dem verhängnißvollen Thurm in Wörth nichts
von Waffen sich vorfand, womit jedes directe Zeugniß ihrer Schuld gefallen war,

Die ernste Geschichte eilt zu einer friedlichen Lösung. Als der Ausgang
der Verhandlungen im Hauptquartier bekannt geworden war, äußerte sich der
Wunsch, die Herren, die seit so langer Zeit die preußische Politik in allen
möglichen Tonarten angeblafft hatten, kennen zu lernen. Man gab Befehl
zu ihrem Erscheinen. Nach wenigen Minuten drückten sich "Figaro" und
"Gaulois" durch die schüchtern halbgeöffnete Thür. Sie standen vor dem
Denker unserer Schlachten, Generallieutenant v. Blumenthal, und dem Stäbe.
Mit seiner unnachahmlichen Grandezza lud sie der Hofmarschall ein, an der
Tafel Platz zu nehmen und zum Frühstück zuzugreifen. Ein Freudenstrahl


verfiel. Der gemüthvolle deutsche Leser aber wird ein Interesse haben zu
vernehmen, wie sein Schicksal sich ferner gestaltete.

Als wir am Abend des 6. August vom Schauplatz des mörderischen
Kampfes in das Hauptquartier der 3ten Armee, das noch in Sulz still lag,
zurückkehrten, begegnete uns auf der Landstraße ein Trupp von acht bis zehn
Civilisten, der unter Escorte der Kriegspolizei, der furchtbaren „Feldgens-
darmen", sich weiter bewegte. Schon aus einiger Entfernung fallen uns zwei
Männer auf, die sich mit übermäßig lebhaften Gesticulationen bemühen, ihre
militärische Begleitung von einem uns noch unbekannten Gegenstand zu über¬
zeugen. Wir wollen an dem Knäuel von Menschen, der sie umsteht, vorüber¬
gehen, sie aber sprechen uns mit französischen Worten an und bitten um un¬
sere Vermittelung. Wir hemmen unsere Schritte und erhalten von dem
Feldgensdarmen den Bescheid, daß man diese Männer auf einem Thurm in
Wörth gefangen habe, von dem aus auf unsere Soldaten meuchlings ge¬
schossen worden sei, und daß man im Begriff stehe, sie ins Hauptquartier ab¬
zuführen. Die beiden Sprecher, in denen unsere Leser längst den „Figaro"
und „Gaulois" erkannt haben werden, betheuern mit theatralischen Pathos
ihre Unschuld, während die übrigen Mitglieder der gefangenen Cohorte, jeder
mit seiner besonderen Miene der Verzweiflung ein Gleiches versichern. „Das
ist ganz egal, vorwärts!" donnert die Kriegspolizei mit dem letzten Auf¬
wand ihres kräftigen Brusttons, der vom Staub der Landstraße und einigen
flüssigen Ingredienzen rauher Natur bereits stark gelitten hat. Der Zug
setzt sich wieder in Marsch und so oft er durch erneute Redeversuche der De¬
linquenten gestört wird, helfen einige deutsche Faustschläge der hohen Polizei,
ihn wieder in das übliche Tempo zu bringen.

Am nächsten Morgen hat sich durch das ganze Hauptlager des Kron¬
prinzen die Kunde von dem tragikomischen Geschick des preußensressenden
Gaulois verbreitet. Die Untersuchung ist angeordnet und von einem General¬
stabsoffizier geführt worden. Sie hat ergeben, daß bei der Gefangennahme
unserer Journalisten auf dem verhängnißvollen Thurm in Wörth nichts
von Waffen sich vorfand, womit jedes directe Zeugniß ihrer Schuld gefallen war,

Die ernste Geschichte eilt zu einer friedlichen Lösung. Als der Ausgang
der Verhandlungen im Hauptquartier bekannt geworden war, äußerte sich der
Wunsch, die Herren, die seit so langer Zeit die preußische Politik in allen
möglichen Tonarten angeblafft hatten, kennen zu lernen. Man gab Befehl
zu ihrem Erscheinen. Nach wenigen Minuten drückten sich „Figaro" und
„Gaulois" durch die schüchtern halbgeöffnete Thür. Sie standen vor dem
Denker unserer Schlachten, Generallieutenant v. Blumenthal, und dem Stäbe.
Mit seiner unnachahmlichen Grandezza lud sie der Hofmarschall ein, an der
Tafel Platz zu nehmen und zum Frühstück zuzugreifen. Ein Freudenstrahl


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[0356] verfiel. Der gemüthvolle deutsche Leser aber wird ein Interesse haben zu vernehmen, wie sein Schicksal sich ferner gestaltete. Als wir am Abend des 6. August vom Schauplatz des mörderischen Kampfes in das Hauptquartier der 3ten Armee, das noch in Sulz still lag, zurückkehrten, begegnete uns auf der Landstraße ein Trupp von acht bis zehn Civilisten, der unter Escorte der Kriegspolizei, der furchtbaren „Feldgens- darmen", sich weiter bewegte. Schon aus einiger Entfernung fallen uns zwei Männer auf, die sich mit übermäßig lebhaften Gesticulationen bemühen, ihre militärische Begleitung von einem uns noch unbekannten Gegenstand zu über¬ zeugen. Wir wollen an dem Knäuel von Menschen, der sie umsteht, vorüber¬ gehen, sie aber sprechen uns mit französischen Worten an und bitten um un¬ sere Vermittelung. Wir hemmen unsere Schritte und erhalten von dem Feldgensdarmen den Bescheid, daß man diese Männer auf einem Thurm in Wörth gefangen habe, von dem aus auf unsere Soldaten meuchlings ge¬ schossen worden sei, und daß man im Begriff stehe, sie ins Hauptquartier ab¬ zuführen. Die beiden Sprecher, in denen unsere Leser längst den „Figaro" und „Gaulois" erkannt haben werden, betheuern mit theatralischen Pathos ihre Unschuld, während die übrigen Mitglieder der gefangenen Cohorte, jeder mit seiner besonderen Miene der Verzweiflung ein Gleiches versichern. „Das ist ganz egal, vorwärts!" donnert die Kriegspolizei mit dem letzten Auf¬ wand ihres kräftigen Brusttons, der vom Staub der Landstraße und einigen flüssigen Ingredienzen rauher Natur bereits stark gelitten hat. Der Zug setzt sich wieder in Marsch und so oft er durch erneute Redeversuche der De¬ linquenten gestört wird, helfen einige deutsche Faustschläge der hohen Polizei, ihn wieder in das übliche Tempo zu bringen. Am nächsten Morgen hat sich durch das ganze Hauptlager des Kron¬ prinzen die Kunde von dem tragikomischen Geschick des preußensressenden Gaulois verbreitet. Die Untersuchung ist angeordnet und von einem General¬ stabsoffizier geführt worden. Sie hat ergeben, daß bei der Gefangennahme unserer Journalisten auf dem verhängnißvollen Thurm in Wörth nichts von Waffen sich vorfand, womit jedes directe Zeugniß ihrer Schuld gefallen war, Die ernste Geschichte eilt zu einer friedlichen Lösung. Als der Ausgang der Verhandlungen im Hauptquartier bekannt geworden war, äußerte sich der Wunsch, die Herren, die seit so langer Zeit die preußische Politik in allen möglichen Tonarten angeblafft hatten, kennen zu lernen. Man gab Befehl zu ihrem Erscheinen. Nach wenigen Minuten drückten sich „Figaro" und „Gaulois" durch die schüchtern halbgeöffnete Thür. Sie standen vor dem Denker unserer Schlachten, Generallieutenant v. Blumenthal, und dem Stäbe. Mit seiner unnachahmlichen Grandezza lud sie der Hofmarschall ein, an der Tafel Platz zu nehmen und zum Frühstück zuzugreifen. Ein Freudenstrahl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/356>, abgerufen am 26.06.2024.