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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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schütze. Von seinen eigenen Landsleuten kommt ihm nichts mehr zu Gesicht:
er befindet sich inmitten der Preußen. Xou3 8oans8 I"ztt6ralsms"t entour6s
as ?russisll8, notirt er in seine Schreibtafel mit Schriftzügen, die immer
deutlicher die zitternde Hand verrathen und setzt dann, in einem letzten Auf¬
dämmern seines feuilletonistischen Stils hinzu: "O'sse 1s prologus, an^uel
nous Ässistons, en es volume ig. xisee of. eommeuesr." Ein furchtbarer
Knall ist das einleitende Thema dieser kriegerischen Symphonie; er fignalisirt
den Beginn der Kanonade auf derselben Seite. Die vernichtenden Läufe
sind in die Höhe gerichtet, gegen die Firsten der Häuser, Schornsteine stürzen
herab, und wo die Blitze der Bomben einschlagen, reißen sie in der Ziegel¬
bedachung klaffende Lücken. In den oberen Stockwerken des Hospitals darf
man sich unter solchen Umständen nicht mehr sicher wähnen: allein sollte es
nicht mit dem Geschäft zusammenhängen, daß der kriegswüchige Condottiere
der französischen Presse etwas vom Blut des vorsichtigen Strategen in seinen
Adern trägt? Er ersieht die Mittel zu einem anständigen Rückzüge und
flüchtet sich in das Souterrain. Allein das Zittern der Wände, die bis in
ihre Tiefen zu wanken scheinen, belehrt ihn, daß eine feindliche Kugel wohl
so unverschämt sein könne, auch hier sein geweihtes Leben zu behelligen.
Deine Stellung ist zu offen, verschanze Dich, so spricht aus ihm sein taktischer
Verstand. Zum Glück ist zwischen Ofen und Kamin ein freier Raum ge¬
blieben, dorthin schlüpft der beängstigte Journalismus. Die letzte unbe-
zwungene Kraft, die seiner Phantasie geblieben, sammelt er zu dem höhnischen
Vergleich zwischen seinem gegenwärtigen Loose und dem seines ehemaligen
politischen Verbündeten, des Großsiegelbewahrers von Frankreich, der im
Augenblick an der wohlbesetzten Tafel seines ministeriellen Frühstücks schwel¬
gen mag. "Was gäbe ich drum, wenn Ollivier in meiner Haut stäke."
Im Uebrigen harrt er mit Resignation der Dinge, die da kommen werden.

Und wirklich gestalten sie sich noch einmal über alle Erwartung gut.
Der Widerstand der französischen Geschütze, die auf den Höhen von Frösch¬
weiler auffahren, ist nicht zu brechen, unter ihrem Schutze debauchirt die
feindliche Infanterie gegen die linke Flanke von Wörth, wo die preußische
Phalanx erschüttert wird. In den Verdauen des abschüssigen Terrains,
welches die Stadt im Rücken einschließt, haben sich aufgelöste Zuavencorps
versteckt gehalten: sie ergreifen die Gunst des Augenblickes und fallen in die
Reihen der Unsrigen. Wörth muß noch einmal aufgegeben werden. Der Feind
frohlockt ob des errungenen Sieges, nicht ahnend, daß vor seiner Front Dank
der trefflichen Disposition unserer Führer die größeren Abtheilungen der
Preußen und Bayern sich zum Angriff zusammenschließen.

Auch der Gaulois athmet noch einmal auf. Er ist der Ansicht, daß
man das Fernglas des ruhigen Beschauers wieder zur Hand nehmen dürfe.


schütze. Von seinen eigenen Landsleuten kommt ihm nichts mehr zu Gesicht:
er befindet sich inmitten der Preußen. Xou3 8oans8 I«ztt6ralsms»t entour6s
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deutlicher die zitternde Hand verrathen und setzt dann, in einem letzten Auf¬
dämmern seines feuilletonistischen Stils hinzu: „O'sse 1s prologus, an^uel
nous Ässistons, en es volume ig. xisee of. eommeuesr." Ein furchtbarer
Knall ist das einleitende Thema dieser kriegerischen Symphonie; er fignalisirt
den Beginn der Kanonade auf derselben Seite. Die vernichtenden Läufe
sind in die Höhe gerichtet, gegen die Firsten der Häuser, Schornsteine stürzen
herab, und wo die Blitze der Bomben einschlagen, reißen sie in der Ziegel¬
bedachung klaffende Lücken. In den oberen Stockwerken des Hospitals darf
man sich unter solchen Umständen nicht mehr sicher wähnen: allein sollte es
nicht mit dem Geschäft zusammenhängen, daß der kriegswüchige Condottiere
der französischen Presse etwas vom Blut des vorsichtigen Strategen in seinen
Adern trägt? Er ersieht die Mittel zu einem anständigen Rückzüge und
flüchtet sich in das Souterrain. Allein das Zittern der Wände, die bis in
ihre Tiefen zu wanken scheinen, belehrt ihn, daß eine feindliche Kugel wohl
so unverschämt sein könne, auch hier sein geweihtes Leben zu behelligen.
Deine Stellung ist zu offen, verschanze Dich, so spricht aus ihm sein taktischer
Verstand. Zum Glück ist zwischen Ofen und Kamin ein freier Raum ge¬
blieben, dorthin schlüpft der beängstigte Journalismus. Die letzte unbe-
zwungene Kraft, die seiner Phantasie geblieben, sammelt er zu dem höhnischen
Vergleich zwischen seinem gegenwärtigen Loose und dem seines ehemaligen
politischen Verbündeten, des Großsiegelbewahrers von Frankreich, der im
Augenblick an der wohlbesetzten Tafel seines ministeriellen Frühstücks schwel¬
gen mag. „Was gäbe ich drum, wenn Ollivier in meiner Haut stäke."
Im Uebrigen harrt er mit Resignation der Dinge, die da kommen werden.

Und wirklich gestalten sie sich noch einmal über alle Erwartung gut.
Der Widerstand der französischen Geschütze, die auf den Höhen von Frösch¬
weiler auffahren, ist nicht zu brechen, unter ihrem Schutze debauchirt die
feindliche Infanterie gegen die linke Flanke von Wörth, wo die preußische
Phalanx erschüttert wird. In den Verdauen des abschüssigen Terrains,
welches die Stadt im Rücken einschließt, haben sich aufgelöste Zuavencorps
versteckt gehalten: sie ergreifen die Gunst des Augenblickes und fallen in die
Reihen der Unsrigen. Wörth muß noch einmal aufgegeben werden. Der Feind
frohlockt ob des errungenen Sieges, nicht ahnend, daß vor seiner Front Dank
der trefflichen Disposition unserer Führer die größeren Abtheilungen der
Preußen und Bayern sich zum Angriff zusammenschließen.

Auch der Gaulois athmet noch einmal auf. Er ist der Ansicht, daß
man das Fernglas des ruhigen Beschauers wieder zur Hand nehmen dürfe.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/354>, abgerufen am 26.06.2024.