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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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ihre Gegner aus den Gärten der Vorstadt herausgedrängt. Noch ein glück¬
licher Schlag und die Preußen stehen zwischen den Häuserzeilen von Wörth.
Da war es, tapferer "Gallier", wo Dir beim Heraufziehen des preußischen
Sturmwindes das Innerste im Busen erbebte. Denn freilich! über die Lage
der Dinge bleibt kein Zweifel. Sind die Preußen in Wörth, so werden die
französischen Geschütze von den Höhen um Fröschweiler ihren Donner gegen
die offenen Stellungen des 5. preußischen Armeecorps loslassen. Wörth ist
dann der Hauptpunkt des Kampfes. Und so geschieht es. Genau um 8 Uhr
10 Minuten, der "Gaulois" selbst nennt uns diesen Zeitpunkt, sind die
Preußen zum ersten Male Meister der Stadt und es beginnen auf der anderen
Seite Kanonen und Mitrailleusen für die Wiedereroberung des Platzes zu
arbeiten, von den Preußen beantwortet. "I^s ksux as xelotons resonnent
autour <Zs "Wvertd. Leurs roulements os osssent xomt. 0u enteuä les
imtrMIeuses, Hui eowmoneöut le den. I^ö eimou gronäs." So steht es
um halb 9 Uhr. Der Gallier befindet sich zwischen zwei Feuern.

Und das ist, auf Stunde und Minute berechnet, die Zeit, wo dem Chau¬
vinismus dieser Heißsporne von der französischen Presse das Herz in die Pluderhose
fiel. Den Sinn vor der Sorge um das eigene Dasein erschüttert, citiren sie den
Geist des Mannes, den sie als den Urheber des Krieges betrachten : es ist die sub¬
alterne Figur Olliviers, des von Ehrgeiz durchwühlten Parvenus. "Das
verdanken wir Ollivier," ruft der Gaulois aus, "daß wir uns in dieser Lage
befinden I" Und wirklich die Lage ist von der unangenehmsten Art. Zu
der Kanonade, welche die Mitrailleusen auf der linken Flanke unterhalten,
und dem Kugelregen der Preußen im Centrum gesellt sich noch ein drittes
Feuer, das von links her, wo bei Lenbach die tapferen Bayern den Durch¬
bruch ertrotzen wollen, herüberdröhnt. Unsere Herren vom eingebildeten
Ritterthum der Feder haben längst ihre dominirende Stellung auf dem
Wartthurm verlassen und sich auf neutrales Gebiet zurückgezogen. Das rothe
Kreuz in weißer Fahne giebt Bürgschaft für den Schutz ihres kostbaren
Lebens -- es ist im Hospital von Wörth, wo wir gegen 9 Uhr den Chau¬
vinismus des Gaulois wiederfinden. Aber das Schlimmste erwartet ihn
noch. Die Preußen sind inne geworden, daß ihre Gewehre nicht hinreichen,
um die feindlichen Batterien in ihrer entfernten Schußweite und it)ren über¬
legenen Positionen matt zu setzen. Die Artillerie des 5ten Corps schiebt
sich zur Hilfe zwischen die Colonnen der Infanterie und vertheilt ihre Posten
in den Straßen von Wörth. Alle Commandoruse, die diese Vorgänge be¬
zeichnen, werden dem literarischen Bannerträger Napoleons vernehmbar: er
hört die Worte der tapfern 58er: "Wir können hier nichts ausrichten!"
l^vus us xouvous rieu tair" itzi), er bemerkt, wenn er aus seinem lauersamen
Verstecke den Kopf in die Höhe schnellt, die Ausfahrt der preußischen Ge"


Grenzbot",. III. 1870. 45

ihre Gegner aus den Gärten der Vorstadt herausgedrängt. Noch ein glück¬
licher Schlag und die Preußen stehen zwischen den Häuserzeilen von Wörth.
Da war es, tapferer „Gallier", wo Dir beim Heraufziehen des preußischen
Sturmwindes das Innerste im Busen erbebte. Denn freilich! über die Lage
der Dinge bleibt kein Zweifel. Sind die Preußen in Wörth, so werden die
französischen Geschütze von den Höhen um Fröschweiler ihren Donner gegen
die offenen Stellungen des 5. preußischen Armeecorps loslassen. Wörth ist
dann der Hauptpunkt des Kampfes. Und so geschieht es. Genau um 8 Uhr
10 Minuten, der „Gaulois" selbst nennt uns diesen Zeitpunkt, sind die
Preußen zum ersten Male Meister der Stadt und es beginnen auf der anderen
Seite Kanonen und Mitrailleusen für die Wiedereroberung des Platzes zu
arbeiten, von den Preußen beantwortet. „I^s ksux as xelotons resonnent
autour <Zs "Wvertd. Leurs roulements os osssent xomt. 0u enteuä les
imtrMIeuses, Hui eowmoneöut le den. I^ö eimou gronäs." So steht es
um halb 9 Uhr. Der Gallier befindet sich zwischen zwei Feuern.

Und das ist, auf Stunde und Minute berechnet, die Zeit, wo dem Chau¬
vinismus dieser Heißsporne von der französischen Presse das Herz in die Pluderhose
fiel. Den Sinn vor der Sorge um das eigene Dasein erschüttert, citiren sie den
Geist des Mannes, den sie als den Urheber des Krieges betrachten : es ist die sub¬
alterne Figur Olliviers, des von Ehrgeiz durchwühlten Parvenus. „Das
verdanken wir Ollivier," ruft der Gaulois aus, „daß wir uns in dieser Lage
befinden I" Und wirklich die Lage ist von der unangenehmsten Art. Zu
der Kanonade, welche die Mitrailleusen auf der linken Flanke unterhalten,
und dem Kugelregen der Preußen im Centrum gesellt sich noch ein drittes
Feuer, das von links her, wo bei Lenbach die tapferen Bayern den Durch¬
bruch ertrotzen wollen, herüberdröhnt. Unsere Herren vom eingebildeten
Ritterthum der Feder haben längst ihre dominirende Stellung auf dem
Wartthurm verlassen und sich auf neutrales Gebiet zurückgezogen. Das rothe
Kreuz in weißer Fahne giebt Bürgschaft für den Schutz ihres kostbaren
Lebens — es ist im Hospital von Wörth, wo wir gegen 9 Uhr den Chau¬
vinismus des Gaulois wiederfinden. Aber das Schlimmste erwartet ihn
noch. Die Preußen sind inne geworden, daß ihre Gewehre nicht hinreichen,
um die feindlichen Batterien in ihrer entfernten Schußweite und it)ren über¬
legenen Positionen matt zu setzen. Die Artillerie des 5ten Corps schiebt
sich zur Hilfe zwischen die Colonnen der Infanterie und vertheilt ihre Posten
in den Straßen von Wörth. Alle Commandoruse, die diese Vorgänge be¬
zeichnen, werden dem literarischen Bannerträger Napoleons vernehmbar: er
hört die Worte der tapfern 58er: „Wir können hier nichts ausrichten!"
l^vus us xouvous rieu tair« itzi), er bemerkt, wenn er aus seinem lauersamen
Verstecke den Kopf in die Höhe schnellt, die Ausfahrt der preußischen Ge«


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[0353] ihre Gegner aus den Gärten der Vorstadt herausgedrängt. Noch ein glück¬ licher Schlag und die Preußen stehen zwischen den Häuserzeilen von Wörth. Da war es, tapferer „Gallier", wo Dir beim Heraufziehen des preußischen Sturmwindes das Innerste im Busen erbebte. Denn freilich! über die Lage der Dinge bleibt kein Zweifel. Sind die Preußen in Wörth, so werden die französischen Geschütze von den Höhen um Fröschweiler ihren Donner gegen die offenen Stellungen des 5. preußischen Armeecorps loslassen. Wörth ist dann der Hauptpunkt des Kampfes. Und so geschieht es. Genau um 8 Uhr 10 Minuten, der „Gaulois" selbst nennt uns diesen Zeitpunkt, sind die Preußen zum ersten Male Meister der Stadt und es beginnen auf der anderen Seite Kanonen und Mitrailleusen für die Wiedereroberung des Platzes zu arbeiten, von den Preußen beantwortet. „I^s ksux as xelotons resonnent autour <Zs "Wvertd. Leurs roulements os osssent xomt. 0u enteuä les imtrMIeuses, Hui eowmoneöut le den. I^ö eimou gronäs." So steht es um halb 9 Uhr. Der Gallier befindet sich zwischen zwei Feuern. Und das ist, auf Stunde und Minute berechnet, die Zeit, wo dem Chau¬ vinismus dieser Heißsporne von der französischen Presse das Herz in die Pluderhose fiel. Den Sinn vor der Sorge um das eigene Dasein erschüttert, citiren sie den Geist des Mannes, den sie als den Urheber des Krieges betrachten : es ist die sub¬ alterne Figur Olliviers, des von Ehrgeiz durchwühlten Parvenus. „Das verdanken wir Ollivier," ruft der Gaulois aus, „daß wir uns in dieser Lage befinden I" Und wirklich die Lage ist von der unangenehmsten Art. Zu der Kanonade, welche die Mitrailleusen auf der linken Flanke unterhalten, und dem Kugelregen der Preußen im Centrum gesellt sich noch ein drittes Feuer, das von links her, wo bei Lenbach die tapferen Bayern den Durch¬ bruch ertrotzen wollen, herüberdröhnt. Unsere Herren vom eingebildeten Ritterthum der Feder haben längst ihre dominirende Stellung auf dem Wartthurm verlassen und sich auf neutrales Gebiet zurückgezogen. Das rothe Kreuz in weißer Fahne giebt Bürgschaft für den Schutz ihres kostbaren Lebens — es ist im Hospital von Wörth, wo wir gegen 9 Uhr den Chau¬ vinismus des Gaulois wiederfinden. Aber das Schlimmste erwartet ihn noch. Die Preußen sind inne geworden, daß ihre Gewehre nicht hinreichen, um die feindlichen Batterien in ihrer entfernten Schußweite und it)ren über¬ legenen Positionen matt zu setzen. Die Artillerie des 5ten Corps schiebt sich zur Hilfe zwischen die Colonnen der Infanterie und vertheilt ihre Posten in den Straßen von Wörth. Alle Commandoruse, die diese Vorgänge be¬ zeichnen, werden dem literarischen Bannerträger Napoleons vernehmbar: er hört die Worte der tapfern 58er: „Wir können hier nichts ausrichten!" l^vus us xouvous rieu tair« itzi), er bemerkt, wenn er aus seinem lauersamen Verstecke den Kopf in die Höhe schnellt, die Ausfahrt der preußischen Ge« Grenzbot«,. III. 1870. 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/353>, abgerufen am 26.06.2024.