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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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wiedergegeben. "Mir" ami tel et tel va un xeu mieux" heißt z. B. in
dieser nicht allzu tiefsinnigen Geheimsprache: "on annonce un engagemsnt
trof LöriLux xrös Ah . . Für Forbach z. B. steht der Name "Anselme".
Soll ein ernstes Gefecht bei dieser Stadt gemeldet werden, so würde der Ein¬
geweihte telegraphiren: "Avers ami ^.nselms un xoux mieux". Die
Preußen sind geschlagen heißt: "xrevenos soll vmbs", die Preußen sind auf
dem Rückzüge "prüveiuz? gg, tMtiz", sie sind gänzlich geschlagen "preveriW
mere". Das ganze System dieser geheimen Zeitungscorrespondenz ist,
wie man sieht, auf den "kranken Mann" berechnet. Und da ergibt sich denn
sogleich die enge Beziehung mit den Fanfarronaden des Turcos, der auch,
bis er geschlagen ist, von nichts als dem "todten Preußen" zu erzählen
weiß. "I^tous ti-atermsous a-pee les (Meiers et les soläats", sagt Carton,
was, in die afrikanische Anschaung übersetzt, ungefähr soviel heißt, als in das
scalpiren der deutschen Schädel mit einstimmen. Die Turcos und Zouaven
hatten ihre Gewehre bereits geladen in der Hoffnung, daß ihnen in Wörth
die Preußen begegnen würden. Man bedauert, daß sie nicht schon zur Stelle
sind. Beruhigt Euch! Sie werden nicht ausbleiben!

Nachdem Herz und Magen, die beiden Organe, deren innere Befriedi¬
gung bei der Bravour des Kriegers so wesentlich mitsprechen, gestärkt sind,
entläßt man die Elitetruppen in das Vordertreffen. Für Figaro und Gau-
lois folgt noch eine Stunde gesättigten Behagens, eine Stunde, die mit
Siegesahnungen verbracht wird. Dann, es schlägt 7 Uhr von der Kirche in
Wörth: der Stundenschlag, der daheim die Meisten erst aus erquickendem
Schlummer aufweckt, hier wo die Männer von Nord und Süd zum Kampf
für die Ehre des deutschen Namens ihre Rüstung anlegen, bietet er manchem
wohl den Scheidegruß seiner irdischen Zeit. Es ist lebhaft geworden in den
Reihen der Preußen: was sie drüben mit so hoffnungsstarker Sehnsucht
wünschen, geschieht: die Schlacht ist angenommen. Die Journalisten denken
noch einen Augenblick nach über den besten Standort, von dem aus sie den
Ruhm ihrer Nation mit ansehen wollen. Mitten in der Stadt erhebt sich
ein altes Gemäuer, das einst einer ehrwürdigen Abtei als Warte diente.
Von den obersten Stockwerken aus überschaut man die Wiesengründe, gegen
welche der erste Vorstoß der Preußen gerichtet ist, und die Waldhügel, wo
das Geschütz des Feindes unsere Truppen erwartet. Dorthin verpflanzt sich
in dem Moment, wo die Frage des Völkerzwistes den ehernen Händen der
Armeen überlassen wird, die Redaction des feurigen Galliers. Allein noch
ehe der Zeiger einmal seine Minutenbahn umkreist hat, ein winziges Atom
der Zeit, wenn man von vergangenen Geschichten erzählt, aber für den. der selbst
für die werdende That seine Kraft einsetzt, eine Ewigkeit -- ehe noch die
Stunde gewechselt, haben die Preußen mit unwiderstehlichem Tirailleurfeuer


wiedergegeben. „Mir« ami tel et tel va un xeu mieux" heißt z. B. in
dieser nicht allzu tiefsinnigen Geheimsprache: „on annonce un engagemsnt
trof LöriLux xrös Ah . . Für Forbach z. B. steht der Name „Anselme".
Soll ein ernstes Gefecht bei dieser Stadt gemeldet werden, so würde der Ein¬
geweihte telegraphiren: „Avers ami ^.nselms un xoux mieux". Die
Preußen sind geschlagen heißt: „xrevenos soll vmbs", die Preußen sind auf
dem Rückzüge „prüveiuz? gg, tMtiz", sie sind gänzlich geschlagen „preveriW
mere". Das ganze System dieser geheimen Zeitungscorrespondenz ist,
wie man sieht, auf den „kranken Mann" berechnet. Und da ergibt sich denn
sogleich die enge Beziehung mit den Fanfarronaden des Turcos, der auch,
bis er geschlagen ist, von nichts als dem „todten Preußen" zu erzählen
weiß. „I^tous ti-atermsous a-pee les (Meiers et les soläats", sagt Carton,
was, in die afrikanische Anschaung übersetzt, ungefähr soviel heißt, als in das
scalpiren der deutschen Schädel mit einstimmen. Die Turcos und Zouaven
hatten ihre Gewehre bereits geladen in der Hoffnung, daß ihnen in Wörth
die Preußen begegnen würden. Man bedauert, daß sie nicht schon zur Stelle
sind. Beruhigt Euch! Sie werden nicht ausbleiben!

Nachdem Herz und Magen, die beiden Organe, deren innere Befriedi¬
gung bei der Bravour des Kriegers so wesentlich mitsprechen, gestärkt sind,
entläßt man die Elitetruppen in das Vordertreffen. Für Figaro und Gau-
lois folgt noch eine Stunde gesättigten Behagens, eine Stunde, die mit
Siegesahnungen verbracht wird. Dann, es schlägt 7 Uhr von der Kirche in
Wörth: der Stundenschlag, der daheim die Meisten erst aus erquickendem
Schlummer aufweckt, hier wo die Männer von Nord und Süd zum Kampf
für die Ehre des deutschen Namens ihre Rüstung anlegen, bietet er manchem
wohl den Scheidegruß seiner irdischen Zeit. Es ist lebhaft geworden in den
Reihen der Preußen: was sie drüben mit so hoffnungsstarker Sehnsucht
wünschen, geschieht: die Schlacht ist angenommen. Die Journalisten denken
noch einen Augenblick nach über den besten Standort, von dem aus sie den
Ruhm ihrer Nation mit ansehen wollen. Mitten in der Stadt erhebt sich
ein altes Gemäuer, das einst einer ehrwürdigen Abtei als Warte diente.
Von den obersten Stockwerken aus überschaut man die Wiesengründe, gegen
welche der erste Vorstoß der Preußen gerichtet ist, und die Waldhügel, wo
das Geschütz des Feindes unsere Truppen erwartet. Dorthin verpflanzt sich
in dem Moment, wo die Frage des Völkerzwistes den ehernen Händen der
Armeen überlassen wird, die Redaction des feurigen Galliers. Allein noch
ehe der Zeiger einmal seine Minutenbahn umkreist hat, ein winziges Atom
der Zeit, wenn man von vergangenen Geschichten erzählt, aber für den. der selbst
für die werdende That seine Kraft einsetzt, eine Ewigkeit — ehe noch die
Stunde gewechselt, haben die Preußen mit unwiderstehlichem Tirailleurfeuer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/352>, abgerufen am 26.06.2024.