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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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sollen; ihr Centrum entfaltet sich von Langensulzbach bis Wörth, während
die Rechte bei Mörsbrunn steht. Noch gehört ihnen die Verbindung mit
Hagenau, sie occupiren die Landstraße, die dorthin führt und aus! der im
Laufe der Nacht die Divisionen des 7. Corps sich zur Concentration an den
Abhängen des künftigen Schlachtfeldes genähert haben. Die Ordnung ist
bereits so, daß der Kampf jeden Augenblick angenommen werden kann.
Denn im Rücken, bei Reichshofen, hat man die Cavallerie zur Reserve
rangirt, darunter die Truppen des auf dem Felde der Ehre gefallenen Donay.
Die 3ten Husaren und die Ulm Chasseurs harren hier ihrer Bestimmung. Noch
weiter hinterwärts hält man Niederbronn in guter Bedeckung. Aber man
rechnet außerdem auf weitere Verstärkung. Während der Nacht müssen die
Garden, die man aus Saargemünd beordert hat, über Bietsch und Reichs¬
hofen angekommen sein. Der Schlag ist vorbereitet, in jeder Stunde kann
er niederfallen. "Rae Raton", so lesen wir in unseren Berichten, "eoneentiö
taut sur estts liZnö. I! oeeuxs sg, Position splöuäiäö, on it altera los
?ruf8lors". Man ist von den Stellungen des Gegners genau unterrichtet.
Sein Erfolg vom 4. hat die Wirkung, daß er auf der Straße von Weißen¬
burg bis Sulz dominirt, allein man kennt auch seine übrigen strategischen
Punkte. Görsdorf, rechts von der Sulz-Wörther Chaussee ist in seiner
Macht, links Tiefenbach, Gunstett, Walburg, Surburg und Schwabweiler
von seinen Vorposten eingenommen.

Es ist S Uhr geworden. Die Zuaven rücken an. In den elsässischen
Dörfern, durch die wir passirten, sprach man von ihnen als von den "wilden
Bestien", die der Nachkomme Bonaparte's gegen seine Feinde losgelassen
hat. In dem französischen Lager aber sind sie die verwöhnten Schooßkinder
von Offizieren und Mannschaften, denn man hat nun einmal die Hoffnung
dieses Feldzugs auf sie gesetzt. Auch der kriegsschnaubende Schriftsteller, wie
der Gaulois bei der Morgenfrische des 6. August noch einer ist, muß sich
mit ihnen verhalten. Er tritt aus seiner "^.uberM" auf die Straße und
labt, soweit der Vorrath des Einzelnen reicht, mit VM, Mit verres und
Cigarren die Zouaven vom 2. Regiment und die Turcos. Dabei zeigt sich,
daß die Gefühlsweise des französischen Journalismus von der tyrtäischen
Furie der Schwarzen und Braunen des" dritten Kaiserreiches nicht allzuweit
entfernt ist. Man hat bei diesen Herren ein Chiffreblatt gefunden, das die
französische Presse, soweit sie den Lagern gefolgt ist, für die intimen Mit¬
theilungen ihrer Sendlinge verabredet zu haben scheint. Die Depesche wird
in Form eines Krankenbülletins gehalten. Für die Bezeichnung der Gene¬
räle und Corpsbefehlshaber wie für die der Ortschaften von Frankreich bis
in das Herz unseres Vaterlandes sind französische Vornamen gewählt; die
militärischen Bewegungen werden durch die einzelnen Stadien der Krankheit


sollen; ihr Centrum entfaltet sich von Langensulzbach bis Wörth, während
die Rechte bei Mörsbrunn steht. Noch gehört ihnen die Verbindung mit
Hagenau, sie occupiren die Landstraße, die dorthin führt und aus! der im
Laufe der Nacht die Divisionen des 7. Corps sich zur Concentration an den
Abhängen des künftigen Schlachtfeldes genähert haben. Die Ordnung ist
bereits so, daß der Kampf jeden Augenblick angenommen werden kann.
Denn im Rücken, bei Reichshofen, hat man die Cavallerie zur Reserve
rangirt, darunter die Truppen des auf dem Felde der Ehre gefallenen Donay.
Die 3ten Husaren und die Ulm Chasseurs harren hier ihrer Bestimmung. Noch
weiter hinterwärts hält man Niederbronn in guter Bedeckung. Aber man
rechnet außerdem auf weitere Verstärkung. Während der Nacht müssen die
Garden, die man aus Saargemünd beordert hat, über Bietsch und Reichs¬
hofen angekommen sein. Der Schlag ist vorbereitet, in jeder Stunde kann
er niederfallen. „Rae Raton", so lesen wir in unseren Berichten, „eoneentiö
taut sur estts liZnö. I! oeeuxs sg, Position splöuäiäö, on it altera los
?ruf8lors". Man ist von den Stellungen des Gegners genau unterrichtet.
Sein Erfolg vom 4. hat die Wirkung, daß er auf der Straße von Weißen¬
burg bis Sulz dominirt, allein man kennt auch seine übrigen strategischen
Punkte. Görsdorf, rechts von der Sulz-Wörther Chaussee ist in seiner
Macht, links Tiefenbach, Gunstett, Walburg, Surburg und Schwabweiler
von seinen Vorposten eingenommen.

Es ist S Uhr geworden. Die Zuaven rücken an. In den elsässischen
Dörfern, durch die wir passirten, sprach man von ihnen als von den „wilden
Bestien", die der Nachkomme Bonaparte's gegen seine Feinde losgelassen
hat. In dem französischen Lager aber sind sie die verwöhnten Schooßkinder
von Offizieren und Mannschaften, denn man hat nun einmal die Hoffnung
dieses Feldzugs auf sie gesetzt. Auch der kriegsschnaubende Schriftsteller, wie
der Gaulois bei der Morgenfrische des 6. August noch einer ist, muß sich
mit ihnen verhalten. Er tritt aus seiner „^.uberM" auf die Straße und
labt, soweit der Vorrath des Einzelnen reicht, mit VM, Mit verres und
Cigarren die Zouaven vom 2. Regiment und die Turcos. Dabei zeigt sich,
daß die Gefühlsweise des französischen Journalismus von der tyrtäischen
Furie der Schwarzen und Braunen des« dritten Kaiserreiches nicht allzuweit
entfernt ist. Man hat bei diesen Herren ein Chiffreblatt gefunden, das die
französische Presse, soweit sie den Lagern gefolgt ist, für die intimen Mit¬
theilungen ihrer Sendlinge verabredet zu haben scheint. Die Depesche wird
in Form eines Krankenbülletins gehalten. Für die Bezeichnung der Gene¬
räle und Corpsbefehlshaber wie für die der Ortschaften von Frankreich bis
in das Herz unseres Vaterlandes sind französische Vornamen gewählt; die
militärischen Bewegungen werden durch die einzelnen Stadien der Krankheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/351>, abgerufen am 26.06.2024.