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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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und dauerhaftem Hinhalten des Gefechts vortrefflich, nicht ebenso sicher bei
gefährlichem Angriff. Die sichere "Initiative", welche nur durch feste Zucht
und militärische Durchbildung erreicht wird, ist von ihnen nicht zu verlangen,
und wenn sie doch dergleichen geleistet haben, so ist das eben ihrem tüchtigen
Naturell zum Ruhm zu schreiben. -- Einen besonders günstigen Eindruck
machen die Würtenberger. Zu rechter Zeit fertig, gut equipirt und aus¬
gerüstet, -- auch in ihrem Sanitcitswesen -- gut befehligt, haben sie sich seit¬
her sehr brav geschlagen. Die beiden Prinzen ihres Königshauses, einer der
präsumtive Thronerbe, welche dem Hauptquartier zugetheilt sind, haben die
Schlacht tapfer in der Mitte ihrer Truppen gekämpft, ein nachahmungswerthes
Beispiel. In Schwaben ist bei dem beginnenden Kriege recht lebhaft em¬
pfunden worden, daß die heimische militärische Ausbildung der Offiziere eine
zweckmäßige Besetzung der Führerstellen nicht sichert, und sie haben von
Preußen ihren Divisionär v. Obernitz und hätten für den Krieg wohl gern
noch mehr von Staabsoffizieren gehabt. Die Division Badenser ist ganz
nach Preußischem Muster organisirt und als Theil des preußischen Heeres
auch der Vorzüge desselben theilhaftig zu betrachten.

Zum Schluß noch eine Bemerkung über die Bewohner des Landes.
Als unser Heer die Grenze überschritten hatte und die heimische Sprache
fortdauerte, unsere flachsköpfigen Kinder in den Dörfern, deutscher Haus¬
brauch und deutsche Gutmüthigkeit bei den Dorsleuten, da wars den Sol¬
daten seltsam, daß die Franzosen so aussehen sollten. Die Elsasser sind auf
dem Lande, wie in den kleinen Städten noch viel vollständiger deutsch, als wir
annehmen. Die großen Errungenschaften der Revolution, die Präfecten, die
Anziehungskraft von Paris haben einen französischen Patriotismus hervor¬
gerufen und genährt, der bei den Strebsamen, welche aus dem Volke herauf¬
kommen, zuweilen fanatisch hervorbricht, die Adelsfamilien des Landes und
die praktische Intelligenz, Grundbesitzer und Industrielle sind gut französisch,
ebenso ein großer Theil -- nicht alle katholischen Geistlichen. Die übrige
Bevölkerung steht, wenn auch ein wenig verkümmert, dauerhaft in deutschem
Wesen still, arbeitsam in innigem Hausleben auf der Scholle, bei ihr ist
keinerlei Anhänglichkeit an den Kaiser, geringe an Frankreich. Sie würden
sich den Uebergang zu Deutschland ohne Schwierigkeit gefallen lassen. Die
Schwierigkeit liegt nur in der Industrie. Die ziemlich zahlreichen Fälle von
tückischen und unmenschlichen Angriffen auf unsere Soldaten, Schrotschüsse
aus Dorfhäusern und Verstümmlung und Ermordung Verwundeter sind --
soweit sie auf Rechnung der Eingebornen kommen und nicht von marodiren-
den Turcos verübt wurden -- dem aufgeregten Fanatismus eingewanderter
Franzosen und einer jungfranzösischen Richtung zuzuschreiben, welche in der


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und dauerhaftem Hinhalten des Gefechts vortrefflich, nicht ebenso sicher bei
gefährlichem Angriff. Die sichere „Initiative", welche nur durch feste Zucht
und militärische Durchbildung erreicht wird, ist von ihnen nicht zu verlangen,
und wenn sie doch dergleichen geleistet haben, so ist das eben ihrem tüchtigen
Naturell zum Ruhm zu schreiben. — Einen besonders günstigen Eindruck
machen die Würtenberger. Zu rechter Zeit fertig, gut equipirt und aus¬
gerüstet, — auch in ihrem Sanitcitswesen — gut befehligt, haben sie sich seit¬
her sehr brav geschlagen. Die beiden Prinzen ihres Königshauses, einer der
präsumtive Thronerbe, welche dem Hauptquartier zugetheilt sind, haben die
Schlacht tapfer in der Mitte ihrer Truppen gekämpft, ein nachahmungswerthes
Beispiel. In Schwaben ist bei dem beginnenden Kriege recht lebhaft em¬
pfunden worden, daß die heimische militärische Ausbildung der Offiziere eine
zweckmäßige Besetzung der Führerstellen nicht sichert, und sie haben von
Preußen ihren Divisionär v. Obernitz und hätten für den Krieg wohl gern
noch mehr von Staabsoffizieren gehabt. Die Division Badenser ist ganz
nach Preußischem Muster organisirt und als Theil des preußischen Heeres
auch der Vorzüge desselben theilhaftig zu betrachten.

Zum Schluß noch eine Bemerkung über die Bewohner des Landes.
Als unser Heer die Grenze überschritten hatte und die heimische Sprache
fortdauerte, unsere flachsköpfigen Kinder in den Dörfern, deutscher Haus¬
brauch und deutsche Gutmüthigkeit bei den Dorsleuten, da wars den Sol¬
daten seltsam, daß die Franzosen so aussehen sollten. Die Elsasser sind auf
dem Lande, wie in den kleinen Städten noch viel vollständiger deutsch, als wir
annehmen. Die großen Errungenschaften der Revolution, die Präfecten, die
Anziehungskraft von Paris haben einen französischen Patriotismus hervor¬
gerufen und genährt, der bei den Strebsamen, welche aus dem Volke herauf¬
kommen, zuweilen fanatisch hervorbricht, die Adelsfamilien des Landes und
die praktische Intelligenz, Grundbesitzer und Industrielle sind gut französisch,
ebenso ein großer Theil — nicht alle katholischen Geistlichen. Die übrige
Bevölkerung steht, wenn auch ein wenig verkümmert, dauerhaft in deutschem
Wesen still, arbeitsam in innigem Hausleben auf der Scholle, bei ihr ist
keinerlei Anhänglichkeit an den Kaiser, geringe an Frankreich. Sie würden
sich den Uebergang zu Deutschland ohne Schwierigkeit gefallen lassen. Die
Schwierigkeit liegt nur in der Industrie. Die ziemlich zahlreichen Fälle von
tückischen und unmenschlichen Angriffen auf unsere Soldaten, Schrotschüsse
aus Dorfhäusern und Verstümmlung und Ermordung Verwundeter sind —
soweit sie auf Rechnung der Eingebornen kommen und nicht von marodiren-
den Turcos verübt wurden — dem aufgeregten Fanatismus eingewanderter
Franzosen und einer jungfranzösischen Richtung zuzuschreiben, welche in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/331>, abgerufen am 26.06.2024.