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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Felde denken, einem militärischen Berichterstatter, der ihnen versichert, daß
die neuen Zerstörungswerkzeuge des Feindes ihm keineswegs ein Uebergewicht
sichern, daß unser kriegerisches Naturell und unsere Methode des Kampfes
stärker sei, als die der Feinde, endlich daß wir auf den Sieg auch deshalb
hoffen dürfen, weil unsere Sache die gerechte sei und die vergeltende Macht
dem Frevler sein Gericht bereiten werde. Sie lauschen so andächtig solchem
Wort, aber sie sehnten sich, eine Bestätigung von Schlachtfelde her zu vernehmen.

Ergibt die nahe bevorstehende Entscheidung sofort ein großes Resultat
für einen der beiden Theile, so mag auf den ersten Abschnitt des großen
Völkerkampfes der Friede folgen, oder auch eine längere Pause, in
welcher beide Theile ihre Heere ergänzen, aber auch nach neuen Gewalt¬
mitteln umschauen, Bundesgenossen werben oder die gewordenen offen¬
baren. In dieser Zeit wird auch die vermittelnde Thätigkeit der friedens¬
liebenden Neutralen wirksamer und in diesem Fall ist die Lage der beiden
Krieg führenden Mächte durchaus verschieden. Auf welcher Seite die grö¬
ßere Kraft des ersten Angriffs liegt, wissen wir jetzt, auch wissen wir genau,
daß auf unserer Seite die größere Kraft des Beharrens liegt, zu¬
nächst weil unsere militärischen Einrichtungen uns eine weit stärkere
und zuverlässiger Ergänzung des Heeres sichern, dann aber auch, weil bei
uns die sittlichen Kräfte, welche in längerem Kriege in den Vordergrund
treten, bei weitem die stärkeren sind. Wir leben in festgefügter geselliger
Ordnung, die Stellung unserer Fürsten, zumal des obersten Kriegsherrn zum
Volke, ist so sicher und so fähig, ideale Empfindungen, Hingabe und Opfer¬
freudigkeit im Volke zu entwickeln. Das Ungerechte und Brutale dieses Krieges
wird in der ganzen Nation als eine zugefügte Schmach empfunden. Wir
haben uns vor dem Kriege nicht überhoben, wir haben deshalb auch nicht
die bitteren Enttäuschungen grundlosen Hochmuths zu befürchten. Wir sind
nach jeder dieser Richtungen dem Feinde unermeßlich überlegen. Je länger
der Krieg dauert, desto stärker müssen sich diese Vorzüge unserer Stellung
geltend machen. Sie allein sichern uns noch nicht große Erfolge im Felde,
aber sie sichern uns vor einem demüthigenden Frieden.

Wir hatten bei Beginn des Feldzugs vor dem Feinde Eins voraus,
die volle und fehr bescheidene Würdigung seiner militärischen Tüchtigkeit.
Es ist deutsche Art, die Bedeutung der Fremden eher zu hoch schätzen, als gering
zu achten. Dabei aber sind wir doch nicht mehr geneigt, uns selbst gering
zu achten, und es ist ein junges, fröhliches Gefühl der eigenen Tüchtigkeit
in unserem Heere, bei welchem auch der kleine Erfolg beglückt, ein Mißlingen
nicht niederschlägt.

Wir vergleichen zunächst die Güte der Truppen, wie sie sich nach den
ersten Zusammenstößen und nach der Schlacht bei Wörth (6. August) dem


Felde denken, einem militärischen Berichterstatter, der ihnen versichert, daß
die neuen Zerstörungswerkzeuge des Feindes ihm keineswegs ein Uebergewicht
sichern, daß unser kriegerisches Naturell und unsere Methode des Kampfes
stärker sei, als die der Feinde, endlich daß wir auf den Sieg auch deshalb
hoffen dürfen, weil unsere Sache die gerechte sei und die vergeltende Macht
dem Frevler sein Gericht bereiten werde. Sie lauschen so andächtig solchem
Wort, aber sie sehnten sich, eine Bestätigung von Schlachtfelde her zu vernehmen.

Ergibt die nahe bevorstehende Entscheidung sofort ein großes Resultat
für einen der beiden Theile, so mag auf den ersten Abschnitt des großen
Völkerkampfes der Friede folgen, oder auch eine längere Pause, in
welcher beide Theile ihre Heere ergänzen, aber auch nach neuen Gewalt¬
mitteln umschauen, Bundesgenossen werben oder die gewordenen offen¬
baren. In dieser Zeit wird auch die vermittelnde Thätigkeit der friedens¬
liebenden Neutralen wirksamer und in diesem Fall ist die Lage der beiden
Krieg führenden Mächte durchaus verschieden. Auf welcher Seite die grö¬
ßere Kraft des ersten Angriffs liegt, wissen wir jetzt, auch wissen wir genau,
daß auf unserer Seite die größere Kraft des Beharrens liegt, zu¬
nächst weil unsere militärischen Einrichtungen uns eine weit stärkere
und zuverlässiger Ergänzung des Heeres sichern, dann aber auch, weil bei
uns die sittlichen Kräfte, welche in längerem Kriege in den Vordergrund
treten, bei weitem die stärkeren sind. Wir leben in festgefügter geselliger
Ordnung, die Stellung unserer Fürsten, zumal des obersten Kriegsherrn zum
Volke, ist so sicher und so fähig, ideale Empfindungen, Hingabe und Opfer¬
freudigkeit im Volke zu entwickeln. Das Ungerechte und Brutale dieses Krieges
wird in der ganzen Nation als eine zugefügte Schmach empfunden. Wir
haben uns vor dem Kriege nicht überhoben, wir haben deshalb auch nicht
die bitteren Enttäuschungen grundlosen Hochmuths zu befürchten. Wir sind
nach jeder dieser Richtungen dem Feinde unermeßlich überlegen. Je länger
der Krieg dauert, desto stärker müssen sich diese Vorzüge unserer Stellung
geltend machen. Sie allein sichern uns noch nicht große Erfolge im Felde,
aber sie sichern uns vor einem demüthigenden Frieden.

Wir hatten bei Beginn des Feldzugs vor dem Feinde Eins voraus,
die volle und fehr bescheidene Würdigung seiner militärischen Tüchtigkeit.
Es ist deutsche Art, die Bedeutung der Fremden eher zu hoch schätzen, als gering
zu achten. Dabei aber sind wir doch nicht mehr geneigt, uns selbst gering
zu achten, und es ist ein junges, fröhliches Gefühl der eigenen Tüchtigkeit
in unserem Heere, bei welchem auch der kleine Erfolg beglückt, ein Mißlingen
nicht niederschlägt.

Wir vergleichen zunächst die Güte der Truppen, wie sie sich nach den
ersten Zusammenstößen und nach der Schlacht bei Wörth (6. August) dem


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[0327] Felde denken, einem militärischen Berichterstatter, der ihnen versichert, daß die neuen Zerstörungswerkzeuge des Feindes ihm keineswegs ein Uebergewicht sichern, daß unser kriegerisches Naturell und unsere Methode des Kampfes stärker sei, als die der Feinde, endlich daß wir auf den Sieg auch deshalb hoffen dürfen, weil unsere Sache die gerechte sei und die vergeltende Macht dem Frevler sein Gericht bereiten werde. Sie lauschen so andächtig solchem Wort, aber sie sehnten sich, eine Bestätigung von Schlachtfelde her zu vernehmen. Ergibt die nahe bevorstehende Entscheidung sofort ein großes Resultat für einen der beiden Theile, so mag auf den ersten Abschnitt des großen Völkerkampfes der Friede folgen, oder auch eine längere Pause, in welcher beide Theile ihre Heere ergänzen, aber auch nach neuen Gewalt¬ mitteln umschauen, Bundesgenossen werben oder die gewordenen offen¬ baren. In dieser Zeit wird auch die vermittelnde Thätigkeit der friedens¬ liebenden Neutralen wirksamer und in diesem Fall ist die Lage der beiden Krieg führenden Mächte durchaus verschieden. Auf welcher Seite die grö¬ ßere Kraft des ersten Angriffs liegt, wissen wir jetzt, auch wissen wir genau, daß auf unserer Seite die größere Kraft des Beharrens liegt, zu¬ nächst weil unsere militärischen Einrichtungen uns eine weit stärkere und zuverlässiger Ergänzung des Heeres sichern, dann aber auch, weil bei uns die sittlichen Kräfte, welche in längerem Kriege in den Vordergrund treten, bei weitem die stärkeren sind. Wir leben in festgefügter geselliger Ordnung, die Stellung unserer Fürsten, zumal des obersten Kriegsherrn zum Volke, ist so sicher und so fähig, ideale Empfindungen, Hingabe und Opfer¬ freudigkeit im Volke zu entwickeln. Das Ungerechte und Brutale dieses Krieges wird in der ganzen Nation als eine zugefügte Schmach empfunden. Wir haben uns vor dem Kriege nicht überhoben, wir haben deshalb auch nicht die bitteren Enttäuschungen grundlosen Hochmuths zu befürchten. Wir sind nach jeder dieser Richtungen dem Feinde unermeßlich überlegen. Je länger der Krieg dauert, desto stärker müssen sich diese Vorzüge unserer Stellung geltend machen. Sie allein sichern uns noch nicht große Erfolge im Felde, aber sie sichern uns vor einem demüthigenden Frieden. Wir hatten bei Beginn des Feldzugs vor dem Feinde Eins voraus, die volle und fehr bescheidene Würdigung seiner militärischen Tüchtigkeit. Es ist deutsche Art, die Bedeutung der Fremden eher zu hoch schätzen, als gering zu achten. Dabei aber sind wir doch nicht mehr geneigt, uns selbst gering zu achten, und es ist ein junges, fröhliches Gefühl der eigenen Tüchtigkeit in unserem Heere, bei welchem auch der kleine Erfolg beglückt, ein Mißlingen nicht niederschlägt. Wir vergleichen zunächst die Güte der Truppen, wie sie sich nach den ersten Zusammenstößen und nach der Schlacht bei Wörth (6. August) dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/327>, abgerufen am 26.06.2024.