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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Wissenschaft gelten wird. Und der Deutsche darf, auch wenn er in den näch¬
sten Tagen noch nicht durch die Presse erfährt, was der Feind nicht lesen
soll, darin den weisen Berathern des Heeres vertrauen.

Das kleinere Gefecht bei Weißenburg verlief ganz genau nach den Dis¬
positionen des Obercommandos der 3. Armee. Die Division Donay lagerte
Front gegen Norden in sehr fester Stellung auf der Höhe von der alten
Feste Weißenburg bis zum Gaisberg, beide Stützpunkte befestigt, die Stadt
durch alten Erdwall und feste Thore, der Berg durch Geschützemplacements,
zwei zur Vertheidigung hergerichtete Häuser und einen vom Geschütz- und
Gewehrfeuer bestrichenen allmäligen Abfall. Die Bayern 2. Corps Dio.
Boehmer eröffneten tapfer den Angriff auf Weißenburg und hielten ihn
hin bis die beiden preußischen Armeecorps gegen die linke Flanke des Fein¬
des vorgeschoben waren, dann stürmten die Preußen den Gaisberg, mehrere
tausend Schritte ungedeckt, gegen Geschütze. Mitrailleusen, und das bestreichende
Gewehrfeuer schritten sie Bataillon neben Bataillon unter Trommelschlag die
Höhe hinauf, die Offiziere voran. Es war ein großartiger, furchtbarer, be¬
geisternder Anblick! Die Sprache hat keine Worte für die Spannung dieser
Viertelstunde: grausig tödteten die Kugeln des Feindes, es war ein Feuer
wie aus der Hölle, die Bataillone wurden durch Granaten und Kugelregen
zerrissen, die Offiziere an der Spitze fielen, die Tambours schlugen weiter, fast
ohne einen Schuß zu thun stiegen die gelichteten Reihen der 9ten Division
höher und höher, dann einige furchtbare Salven und mit Hurrah und Ba-
jonnet gegen den Feind. Er wich in schneller Flucht. Die Eroberung des
dominirenden Gaisberges erleichterte den Bayern ihre schwere Arbeit, die
Feinde in Weißenburg -- meist Turcos -- steckten die weiße Fahne auf
und ergaben sich. General Donay selbst war auf dem Gaisberg durch einen
Granatschuß zerrissen worden, als er die Mitrailleusenbatterie richten wollte.
Diese Kriegswerkzeuge hatten nur etwa 3 Schuß gethan. Das Resultat
unseres ersten Treffens waren ca. 1000 Gefangene, darunter viel des africani-
schen Turcogesindels, 1 Geschütz, und was General Blumenthal für den
unverhältnißmäßig größten Gewinn halten mußte, der Gewinn eines großen
Terrains von hoher Wichtigkeit, weit über die sogenannten Weißenburger
Linien hinaus, welche in unserer Zeit ferntragender Geschütze ihren Ruhm
und Schrecken verloren haben.

Am 3. August breitete sich die Armee in raschem Vormarsch über das
gewonnene Terrain -- lange Hügellehnen mit mäßigem Abfall -- aus, das
Corps Würtemberg-Bayern, welches bei Marau über den Rhein gegangen
war, wurde zur Deckung des linken Flügels herangezogen, der Vormarsch
ging nach Sulz, die Vortruppen besetzten das Terrain bis Wörth, durchsuchten
den Hagenauer Wald und bedrohten bereits die Schienenverbindung zwischen


Wissenschaft gelten wird. Und der Deutsche darf, auch wenn er in den näch¬
sten Tagen noch nicht durch die Presse erfährt, was der Feind nicht lesen
soll, darin den weisen Berathern des Heeres vertrauen.

Das kleinere Gefecht bei Weißenburg verlief ganz genau nach den Dis¬
positionen des Obercommandos der 3. Armee. Die Division Donay lagerte
Front gegen Norden in sehr fester Stellung auf der Höhe von der alten
Feste Weißenburg bis zum Gaisberg, beide Stützpunkte befestigt, die Stadt
durch alten Erdwall und feste Thore, der Berg durch Geschützemplacements,
zwei zur Vertheidigung hergerichtete Häuser und einen vom Geschütz- und
Gewehrfeuer bestrichenen allmäligen Abfall. Die Bayern 2. Corps Dio.
Boehmer eröffneten tapfer den Angriff auf Weißenburg und hielten ihn
hin bis die beiden preußischen Armeecorps gegen die linke Flanke des Fein¬
des vorgeschoben waren, dann stürmten die Preußen den Gaisberg, mehrere
tausend Schritte ungedeckt, gegen Geschütze. Mitrailleusen, und das bestreichende
Gewehrfeuer schritten sie Bataillon neben Bataillon unter Trommelschlag die
Höhe hinauf, die Offiziere voran. Es war ein großartiger, furchtbarer, be¬
geisternder Anblick! Die Sprache hat keine Worte für die Spannung dieser
Viertelstunde: grausig tödteten die Kugeln des Feindes, es war ein Feuer
wie aus der Hölle, die Bataillone wurden durch Granaten und Kugelregen
zerrissen, die Offiziere an der Spitze fielen, die Tambours schlugen weiter, fast
ohne einen Schuß zu thun stiegen die gelichteten Reihen der 9ten Division
höher und höher, dann einige furchtbare Salven und mit Hurrah und Ba-
jonnet gegen den Feind. Er wich in schneller Flucht. Die Eroberung des
dominirenden Gaisberges erleichterte den Bayern ihre schwere Arbeit, die
Feinde in Weißenburg — meist Turcos — steckten die weiße Fahne auf
und ergaben sich. General Donay selbst war auf dem Gaisberg durch einen
Granatschuß zerrissen worden, als er die Mitrailleusenbatterie richten wollte.
Diese Kriegswerkzeuge hatten nur etwa 3 Schuß gethan. Das Resultat
unseres ersten Treffens waren ca. 1000 Gefangene, darunter viel des africani-
schen Turcogesindels, 1 Geschütz, und was General Blumenthal für den
unverhältnißmäßig größten Gewinn halten mußte, der Gewinn eines großen
Terrains von hoher Wichtigkeit, weit über die sogenannten Weißenburger
Linien hinaus, welche in unserer Zeit ferntragender Geschütze ihren Ruhm
und Schrecken verloren haben.

Am 3. August breitete sich die Armee in raschem Vormarsch über das
gewonnene Terrain — lange Hügellehnen mit mäßigem Abfall — aus, das
Corps Würtemberg-Bayern, welches bei Marau über den Rhein gegangen
war, wurde zur Deckung des linken Flügels herangezogen, der Vormarsch
ging nach Sulz, die Vortruppen besetzten das Terrain bis Wörth, durchsuchten
den Hagenauer Wald und bedrohten bereits die Schienenverbindung zwischen


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[0324] Wissenschaft gelten wird. Und der Deutsche darf, auch wenn er in den näch¬ sten Tagen noch nicht durch die Presse erfährt, was der Feind nicht lesen soll, darin den weisen Berathern des Heeres vertrauen. Das kleinere Gefecht bei Weißenburg verlief ganz genau nach den Dis¬ positionen des Obercommandos der 3. Armee. Die Division Donay lagerte Front gegen Norden in sehr fester Stellung auf der Höhe von der alten Feste Weißenburg bis zum Gaisberg, beide Stützpunkte befestigt, die Stadt durch alten Erdwall und feste Thore, der Berg durch Geschützemplacements, zwei zur Vertheidigung hergerichtete Häuser und einen vom Geschütz- und Gewehrfeuer bestrichenen allmäligen Abfall. Die Bayern 2. Corps Dio. Boehmer eröffneten tapfer den Angriff auf Weißenburg und hielten ihn hin bis die beiden preußischen Armeecorps gegen die linke Flanke des Fein¬ des vorgeschoben waren, dann stürmten die Preußen den Gaisberg, mehrere tausend Schritte ungedeckt, gegen Geschütze. Mitrailleusen, und das bestreichende Gewehrfeuer schritten sie Bataillon neben Bataillon unter Trommelschlag die Höhe hinauf, die Offiziere voran. Es war ein großartiger, furchtbarer, be¬ geisternder Anblick! Die Sprache hat keine Worte für die Spannung dieser Viertelstunde: grausig tödteten die Kugeln des Feindes, es war ein Feuer wie aus der Hölle, die Bataillone wurden durch Granaten und Kugelregen zerrissen, die Offiziere an der Spitze fielen, die Tambours schlugen weiter, fast ohne einen Schuß zu thun stiegen die gelichteten Reihen der 9ten Division höher und höher, dann einige furchtbare Salven und mit Hurrah und Ba- jonnet gegen den Feind. Er wich in schneller Flucht. Die Eroberung des dominirenden Gaisberges erleichterte den Bayern ihre schwere Arbeit, die Feinde in Weißenburg — meist Turcos — steckten die weiße Fahne auf und ergaben sich. General Donay selbst war auf dem Gaisberg durch einen Granatschuß zerrissen worden, als er die Mitrailleusenbatterie richten wollte. Diese Kriegswerkzeuge hatten nur etwa 3 Schuß gethan. Das Resultat unseres ersten Treffens waren ca. 1000 Gefangene, darunter viel des africani- schen Turcogesindels, 1 Geschütz, und was General Blumenthal für den unverhältnißmäßig größten Gewinn halten mußte, der Gewinn eines großen Terrains von hoher Wichtigkeit, weit über die sogenannten Weißenburger Linien hinaus, welche in unserer Zeit ferntragender Geschütze ihren Ruhm und Schrecken verloren haben. Am 3. August breitete sich die Armee in raschem Vormarsch über das gewonnene Terrain — lange Hügellehnen mit mäßigem Abfall — aus, das Corps Würtemberg-Bayern, welches bei Marau über den Rhein gegangen war, wurde zur Deckung des linken Flügels herangezogen, der Vormarsch ging nach Sulz, die Vortruppen besetzten das Terrain bis Wörth, durchsuchten den Hagenauer Wald und bedrohten bereits die Schienenverbindung zwischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/324>, abgerufen am 26.06.2024.