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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Kriegsbriefe der Grenzboten.
Von der Armee des Kronprinzen.
I. Weißenburg und Wörth.

Erwarten Sie von dem ersten Bericht, den ich Ihnen nach den Auf¬
regungen eines Schlachttages sende, keine ausführliche Schilderung der Er¬
eignisse. Ich schreibe Ihnen, die Seele gehoben von Stolz und Freude über
unser Volk, unser Heer, unsere Feldherren. Die Armee des Kronprinzen --
gegenwärtig 3 Corps Preußen (6., 6. und 11,), 2 Corps Bayern, combinirtes
Corps Würtemberg und Baden -- hat in dem Gefecht bei Weißenburg am
4. August und in der Schlacht bei Wörth am 6. die Franzosen total ge¬
schlagen, ihre Kerntruppen, ihren namhaftesten Feldherrn Mac Mahon,
Chassepots, Mitrailleusen. Zuaven und Turcos, Alles überwunden und zer¬
schlagen durch deutsche Kraft und deutsche Hiebe. Es war grimmiger, heißer
Kampf; die Franzosen sind eine sehr tapfere und kriegerische Nation, wir
aber sind mehr, wir sind eine Nation von Kriegern. Wir sind ihnen über¬
legen nicht nur in Zähigkeit und Dauer, auch an Wucht und Energie des
Angriffs, an Ausbildung des einzelnen Soldaten, an Intelligenz und Hin¬
gabe der Offiziere und an großem Feldherrnsinn. Die beiden Gefechte haben
so sicher, als irdisches Urtheil überhaupt ist, herausgestellt, daß wir die Stär¬
keren sind, Wir mögen durch die unberechenbaren Zufälle eines großen Krieges,
durch unsere Fehlgriffe und durch kluge Gedanken des Gegners noch einen
und den andern Mißerfolg zu beklagen haben, und wir wollen uns hüten
vor Ueberhebung, -- aber seit gestern Abend ist deutlich geworden unserem
Heere, dem ganzen Europa, daß wir die größere und edlere Kriegskraft
haben. Und seit gestern weiß das der Kaiser und sein Heer so gut als wir.

Das sind Resultate der beiden Gefechtstage, welche weit über den Werth
der nächsten militärischen Erfolge herausgehen. Doch auch dieser ist sehr
bedeutend. Ein großes sehr schwieriges, sür nachhaltige Vertheidigung vor¬
züglich geeignetes Terrain ist den Franzosen entrissen, das Heer des Kaisers
in eine bedenkliche Lage gebracht, deren Consequenzen bei einem demnächst
bevorstehenden Angriff der großen Centrumarmee u. s. w. deutlich werden,
sich aber jetzt noch der Oeffentlichkeit entziehen. Und wir dürsen nach dieser
Einleitung auf einen guten und großen Erfolg des Feldzugs rechnen. Unsere
Feldherrnkunst hat so planvoll, still, weise eingeleitet, daß die militärische
Idee dieses Feldzuges sür eine der großartigsten Erfindungen der Kriegs-


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Kriegsbriefe der Grenzboten.
Von der Armee des Kronprinzen.
I. Weißenburg und Wörth.

Erwarten Sie von dem ersten Bericht, den ich Ihnen nach den Auf¬
regungen eines Schlachttages sende, keine ausführliche Schilderung der Er¬
eignisse. Ich schreibe Ihnen, die Seele gehoben von Stolz und Freude über
unser Volk, unser Heer, unsere Feldherren. Die Armee des Kronprinzen —
gegenwärtig 3 Corps Preußen (6., 6. und 11,), 2 Corps Bayern, combinirtes
Corps Würtemberg und Baden — hat in dem Gefecht bei Weißenburg am
4. August und in der Schlacht bei Wörth am 6. die Franzosen total ge¬
schlagen, ihre Kerntruppen, ihren namhaftesten Feldherrn Mac Mahon,
Chassepots, Mitrailleusen. Zuaven und Turcos, Alles überwunden und zer¬
schlagen durch deutsche Kraft und deutsche Hiebe. Es war grimmiger, heißer
Kampf; die Franzosen sind eine sehr tapfere und kriegerische Nation, wir
aber sind mehr, wir sind eine Nation von Kriegern. Wir sind ihnen über¬
legen nicht nur in Zähigkeit und Dauer, auch an Wucht und Energie des
Angriffs, an Ausbildung des einzelnen Soldaten, an Intelligenz und Hin¬
gabe der Offiziere und an großem Feldherrnsinn. Die beiden Gefechte haben
so sicher, als irdisches Urtheil überhaupt ist, herausgestellt, daß wir die Stär¬
keren sind, Wir mögen durch die unberechenbaren Zufälle eines großen Krieges,
durch unsere Fehlgriffe und durch kluge Gedanken des Gegners noch einen
und den andern Mißerfolg zu beklagen haben, und wir wollen uns hüten
vor Ueberhebung, — aber seit gestern Abend ist deutlich geworden unserem
Heere, dem ganzen Europa, daß wir die größere und edlere Kriegskraft
haben. Und seit gestern weiß das der Kaiser und sein Heer so gut als wir.

Das sind Resultate der beiden Gefechtstage, welche weit über den Werth
der nächsten militärischen Erfolge herausgehen. Doch auch dieser ist sehr
bedeutend. Ein großes sehr schwieriges, sür nachhaltige Vertheidigung vor¬
züglich geeignetes Terrain ist den Franzosen entrissen, das Heer des Kaisers
in eine bedenkliche Lage gebracht, deren Consequenzen bei einem demnächst
bevorstehenden Angriff der großen Centrumarmee u. s. w. deutlich werden,
sich aber jetzt noch der Oeffentlichkeit entziehen. Und wir dürsen nach dieser
Einleitung auf einen guten und großen Erfolg des Feldzugs rechnen. Unsere
Feldherrnkunst hat so planvoll, still, weise eingeleitet, daß die militärische
Idee dieses Feldzuges sür eine der großartigsten Erfindungen der Kriegs-


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[0323] Kriegsbriefe der Grenzboten. Von der Armee des Kronprinzen. I. Weißenburg und Wörth. Erwarten Sie von dem ersten Bericht, den ich Ihnen nach den Auf¬ regungen eines Schlachttages sende, keine ausführliche Schilderung der Er¬ eignisse. Ich schreibe Ihnen, die Seele gehoben von Stolz und Freude über unser Volk, unser Heer, unsere Feldherren. Die Armee des Kronprinzen — gegenwärtig 3 Corps Preußen (6., 6. und 11,), 2 Corps Bayern, combinirtes Corps Würtemberg und Baden — hat in dem Gefecht bei Weißenburg am 4. August und in der Schlacht bei Wörth am 6. die Franzosen total ge¬ schlagen, ihre Kerntruppen, ihren namhaftesten Feldherrn Mac Mahon, Chassepots, Mitrailleusen. Zuaven und Turcos, Alles überwunden und zer¬ schlagen durch deutsche Kraft und deutsche Hiebe. Es war grimmiger, heißer Kampf; die Franzosen sind eine sehr tapfere und kriegerische Nation, wir aber sind mehr, wir sind eine Nation von Kriegern. Wir sind ihnen über¬ legen nicht nur in Zähigkeit und Dauer, auch an Wucht und Energie des Angriffs, an Ausbildung des einzelnen Soldaten, an Intelligenz und Hin¬ gabe der Offiziere und an großem Feldherrnsinn. Die beiden Gefechte haben so sicher, als irdisches Urtheil überhaupt ist, herausgestellt, daß wir die Stär¬ keren sind, Wir mögen durch die unberechenbaren Zufälle eines großen Krieges, durch unsere Fehlgriffe und durch kluge Gedanken des Gegners noch einen und den andern Mißerfolg zu beklagen haben, und wir wollen uns hüten vor Ueberhebung, — aber seit gestern Abend ist deutlich geworden unserem Heere, dem ganzen Europa, daß wir die größere und edlere Kriegskraft haben. Und seit gestern weiß das der Kaiser und sein Heer so gut als wir. Das sind Resultate der beiden Gefechtstage, welche weit über den Werth der nächsten militärischen Erfolge herausgehen. Doch auch dieser ist sehr bedeutend. Ein großes sehr schwieriges, sür nachhaltige Vertheidigung vor¬ züglich geeignetes Terrain ist den Franzosen entrissen, das Heer des Kaisers in eine bedenkliche Lage gebracht, deren Consequenzen bei einem demnächst bevorstehenden Angriff der großen Centrumarmee u. s. w. deutlich werden, sich aber jetzt noch der Oeffentlichkeit entziehen. Und wir dürsen nach dieser Einleitung auf einen guten und großen Erfolg des Feldzugs rechnen. Unsere Feldherrnkunst hat so planvoll, still, weise eingeleitet, daß die militärische Idee dieses Feldzuges sür eine der großartigsten Erfindungen der Kriegs- 41*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/323>, abgerufen am 26.06.2024.