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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Schauplatz der großen Politik zurück. Als Theil eines kleinen, für sich un-
bedeutenden Staates war es seitdem vorzugsweise auf die inneren Ange¬
legenheiten angewiesen. Es hatte die Leiden der Kriege zu erdulden, in
welche Mecklenburg verwickelt wurde, konnte aber seinen Muth nur im stand-
haften Ertragen dieser Leiden beweisen. So war'es im dreißigjährigen, so
im nordischen und so auch in jenem Kriege mit dem ersten Napoleon, welcher
für Mecklenburg den Rheinbund, die Continentalsperre und im Jahre 1812
die Heeresfolge nach Rußland brachte, aus dessen Schneegefilden nur einige
wenige Krieger des mecklenburgischen Contingents in ihre Heimath zurück¬
kehrten. An der Erhebung des Volkes im März des Jahres 1813 nahm die
Stadt gleich dem ganzen Lande den freudigsten und aufopferndsten Antheil.
Zwei in Mecklenburg-Schwerin errichtete Freiwilligen-Regimenter zogen an
die Elbe und an die Eider in den Kampf und ein gleichfalls aus Freiwilligen
gebildetes Strelitzisches Husarenregiment nahm an allen großen Schlachten
der preußischen Armee, von Schlesien bis zum Montmartre, in ehrenvollster
Weise Theil.

Vielleicht noch edler und reiner steht im ganzen deutschen Volke die
Begeisterung für den jetzigen Krieg gegen die Franzosen da. Es fehlt ihr
jene Beimischung des Rachegefühls, welches damals in Folge vieljähriger
Knechtschaft und Beraubung durch die Fremdherrschaft erwachte, und sie wird
von einem klareren Gedanken über das Ziel der aufgebotenen Anstrengungen
getragen. Auch bei uns folgte man von den ersten Anfängen an den Aus¬
sichten auf den Krieg mit der lebhaftesten Sympathie für die deutsche Sache,
und es war, als ob man allgemein aufathmete, als der Krieg zur Gewißheit
geworden war. Mit begeistertem Jubel wurden an allen öffentlichen Orten
die eintreffenden Siegesnachrichten aufgenommen. Irgend ein Redner pflegte
dann der freudigbewegten Stimmung durch eine Ansprache und durch ein
donnerndes Hoch auf die deutschen Feldherren und Krieger Ausdruck zu geben.
So entstanden unvorbereitet, mitten unter dem Belagerungszustande, welcher
hier erklärt ist, öffentliche Volksversammlungen, welche das Friedensgesetz bei
uns von der Ertheilung polzeilicher Erlaubniß abhängig macht. Mehrfach
bildete sich auch noch mitten, in der Nacht ein gleichfalls nicht genehmigter
massenhafter Zug, welcher, Musik voran, den Weg nach dem Standbilde
des Helden der Befreiungskriege, des alten Vater Blücher, dessen Wiege in
Rostock stand, zu nehmen pflegte und hier noch einmal den patriotischen Ge¬
fühlen, von welchen Alle gehoben waren, durch Reden und Hochrufe Genüge
that. Aber auch in ernsterer Weise bethätigte sich die allgemeine Begeisterung.
Studenten, Schüler der ersten Klasse des Gymnasiums und andere waffenfähige
junge Männer traten zahlreich als Freiwillige in die Armee. Hilfsvereine
bildeten sich, welchen von allen Seiten in kurzer Zeit reiche Gaben zuflössen.


Schauplatz der großen Politik zurück. Als Theil eines kleinen, für sich un-
bedeutenden Staates war es seitdem vorzugsweise auf die inneren Ange¬
legenheiten angewiesen. Es hatte die Leiden der Kriege zu erdulden, in
welche Mecklenburg verwickelt wurde, konnte aber seinen Muth nur im stand-
haften Ertragen dieser Leiden beweisen. So war'es im dreißigjährigen, so
im nordischen und so auch in jenem Kriege mit dem ersten Napoleon, welcher
für Mecklenburg den Rheinbund, die Continentalsperre und im Jahre 1812
die Heeresfolge nach Rußland brachte, aus dessen Schneegefilden nur einige
wenige Krieger des mecklenburgischen Contingents in ihre Heimath zurück¬
kehrten. An der Erhebung des Volkes im März des Jahres 1813 nahm die
Stadt gleich dem ganzen Lande den freudigsten und aufopferndsten Antheil.
Zwei in Mecklenburg-Schwerin errichtete Freiwilligen-Regimenter zogen an
die Elbe und an die Eider in den Kampf und ein gleichfalls aus Freiwilligen
gebildetes Strelitzisches Husarenregiment nahm an allen großen Schlachten
der preußischen Armee, von Schlesien bis zum Montmartre, in ehrenvollster
Weise Theil.

Vielleicht noch edler und reiner steht im ganzen deutschen Volke die
Begeisterung für den jetzigen Krieg gegen die Franzosen da. Es fehlt ihr
jene Beimischung des Rachegefühls, welches damals in Folge vieljähriger
Knechtschaft und Beraubung durch die Fremdherrschaft erwachte, und sie wird
von einem klareren Gedanken über das Ziel der aufgebotenen Anstrengungen
getragen. Auch bei uns folgte man von den ersten Anfängen an den Aus¬
sichten auf den Krieg mit der lebhaftesten Sympathie für die deutsche Sache,
und es war, als ob man allgemein aufathmete, als der Krieg zur Gewißheit
geworden war. Mit begeistertem Jubel wurden an allen öffentlichen Orten
die eintreffenden Siegesnachrichten aufgenommen. Irgend ein Redner pflegte
dann der freudigbewegten Stimmung durch eine Ansprache und durch ein
donnerndes Hoch auf die deutschen Feldherren und Krieger Ausdruck zu geben.
So entstanden unvorbereitet, mitten unter dem Belagerungszustande, welcher
hier erklärt ist, öffentliche Volksversammlungen, welche das Friedensgesetz bei
uns von der Ertheilung polzeilicher Erlaubniß abhängig macht. Mehrfach
bildete sich auch noch mitten, in der Nacht ein gleichfalls nicht genehmigter
massenhafter Zug, welcher, Musik voran, den Weg nach dem Standbilde
des Helden der Befreiungskriege, des alten Vater Blücher, dessen Wiege in
Rostock stand, zu nehmen pflegte und hier noch einmal den patriotischen Ge¬
fühlen, von welchen Alle gehoben waren, durch Reden und Hochrufe Genüge
that. Aber auch in ernsterer Weise bethätigte sich die allgemeine Begeisterung.
Studenten, Schüler der ersten Klasse des Gymnasiums und andere waffenfähige
junge Männer traten zahlreich als Freiwillige in die Armee. Hilfsvereine
bildeten sich, welchen von allen Seiten in kurzer Zeit reiche Gaben zuflössen.


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[0314] Schauplatz der großen Politik zurück. Als Theil eines kleinen, für sich un- bedeutenden Staates war es seitdem vorzugsweise auf die inneren Ange¬ legenheiten angewiesen. Es hatte die Leiden der Kriege zu erdulden, in welche Mecklenburg verwickelt wurde, konnte aber seinen Muth nur im stand- haften Ertragen dieser Leiden beweisen. So war'es im dreißigjährigen, so im nordischen und so auch in jenem Kriege mit dem ersten Napoleon, welcher für Mecklenburg den Rheinbund, die Continentalsperre und im Jahre 1812 die Heeresfolge nach Rußland brachte, aus dessen Schneegefilden nur einige wenige Krieger des mecklenburgischen Contingents in ihre Heimath zurück¬ kehrten. An der Erhebung des Volkes im März des Jahres 1813 nahm die Stadt gleich dem ganzen Lande den freudigsten und aufopferndsten Antheil. Zwei in Mecklenburg-Schwerin errichtete Freiwilligen-Regimenter zogen an die Elbe und an die Eider in den Kampf und ein gleichfalls aus Freiwilligen gebildetes Strelitzisches Husarenregiment nahm an allen großen Schlachten der preußischen Armee, von Schlesien bis zum Montmartre, in ehrenvollster Weise Theil. Vielleicht noch edler und reiner steht im ganzen deutschen Volke die Begeisterung für den jetzigen Krieg gegen die Franzosen da. Es fehlt ihr jene Beimischung des Rachegefühls, welches damals in Folge vieljähriger Knechtschaft und Beraubung durch die Fremdherrschaft erwachte, und sie wird von einem klareren Gedanken über das Ziel der aufgebotenen Anstrengungen getragen. Auch bei uns folgte man von den ersten Anfängen an den Aus¬ sichten auf den Krieg mit der lebhaftesten Sympathie für die deutsche Sache, und es war, als ob man allgemein aufathmete, als der Krieg zur Gewißheit geworden war. Mit begeistertem Jubel wurden an allen öffentlichen Orten die eintreffenden Siegesnachrichten aufgenommen. Irgend ein Redner pflegte dann der freudigbewegten Stimmung durch eine Ansprache und durch ein donnerndes Hoch auf die deutschen Feldherren und Krieger Ausdruck zu geben. So entstanden unvorbereitet, mitten unter dem Belagerungszustande, welcher hier erklärt ist, öffentliche Volksversammlungen, welche das Friedensgesetz bei uns von der Ertheilung polzeilicher Erlaubniß abhängig macht. Mehrfach bildete sich auch noch mitten, in der Nacht ein gleichfalls nicht genehmigter massenhafter Zug, welcher, Musik voran, den Weg nach dem Standbilde des Helden der Befreiungskriege, des alten Vater Blücher, dessen Wiege in Rostock stand, zu nehmen pflegte und hier noch einmal den patriotischen Ge¬ fühlen, von welchen Alle gehoben waren, durch Reden und Hochrufe Genüge that. Aber auch in ernsterer Weise bethätigte sich die allgemeine Begeisterung. Studenten, Schüler der ersten Klasse des Gymnasiums und andere waffenfähige junge Männer traten zahlreich als Freiwillige in die Armee. Hilfsvereine bildeten sich, welchen von allen Seiten in kurzer Zeit reiche Gaben zuflössen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/314>, abgerufen am 26.06.2024.