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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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norddeutschen Territorien eingetreten ist. Es wird daher erlaubt sein, wenn
eine Stimme aus einem nichtpreußischen Ostseelande und dessen erster See¬
handelsstadt in aller Bescheidenheit es unternimmt, an die Existenz dieses
deutschen Küstenstriches zu erinnern und davon Zeugniß abzulegen, daß auch
in diesem Theile des deutschen Vaterlandes die ganze Bevölkerung von hin¬
gebender und thatkräftiger Theilnahme an dem entbrannten nationalen
Kampfe erfüllt ist und die von den deutschen Waffen bereits errungenen
herrlichen Erfolge mit einer Begeisterung feiert und preist, wie sie unser
ruhiger wallendes Blut vielleicht noch niemals mit so stürmischer Gewalt
ergriffen und fortgerissen hat. Wir wissen sehr wohl, daß wir in diesen
Aeußerungen nationaler Gesinnung vor anderen deutschen Städten und
Ländern nichts voraus haben, von manchen wohl auch noch übertroffen
werden. Aber je weniger wir bisher mit unseren auf Befreiung von einer
veralteten Landesverfassung gerichteten Bestrebungen vorzudringen vermocht
haben, desto mehr muß uns daran gelegen sein, es zur allgemeinen Aner¬
kennung zu bringen, daß durch die niederdrückenden Verfassungszustande
Mecklenburgs wenigstens unser nationales Bewußtsein keinen Schaden
gelitten hat.

In der Bürgerschaft der Stadt Rostock lebt noch die Erinnerung fort,
daß es eine Zeit gab, wo diese Stadt mit den zum Hansabunde geeinigten
Schwesterstädten, namentlich mit Lübeck, Wismar, Stralsund und Greifs¬
wald, eine Macht bildete, welche nicht nur den Landesfürsten gegenüber den
Schutz der bürgerlichen Freiheit übte, sondern auch im Kampfe mit den
nordischen Königreichen erfolgreich für die Sicherheit des deutschen Reiches
an seiner Seegrenze und für die Beschirmung der deutschen Handelsinteressen
wirkte. Rostock war mit seinen Orlogschiffen und Gewappneten namentlich
auch an dem großen und glücklichen Seekriege betheiligt, welcher von den
verbündeten Städten gegen König Waldemar von Dänemark in den Jahren
1368 bis 1370 geführt wurde und in dem Frieden von Stralsund, dessen
SOOjähriges Gedenkfest am 24. Mai dieses Jahres begangen ward, seinen
Abschluß fand. Noch im Jahre 1522 rüsteten Lübeck, Rostock und Wismar
eine Kriegsflotte gegen Dänemark aus und verheerten, in Verbindung mit
den Schweden, Bornholm, landeten auf Seeland, bedrohten Kopenhagen
und verbrannten Helsingör.

Diese Aeußerungen der Macht und Thatkraft liegen zwar in einer
fernen Vergangenheit und als die Erbschaft aus jener Blüthezeit hat Rostock
sich nur eine freiere Stellung innerhalb des Mecklenburgischen Staatswesens
und verschiedene Vorrechte bewahrt, deren Werth indessen längst ein zweifel¬
hafter geworden ist. Mit dem Verfall des Hansabundes trat es von dem


Grenzboten III. 1870. 40

norddeutschen Territorien eingetreten ist. Es wird daher erlaubt sein, wenn
eine Stimme aus einem nichtpreußischen Ostseelande und dessen erster See¬
handelsstadt in aller Bescheidenheit es unternimmt, an die Existenz dieses
deutschen Küstenstriches zu erinnern und davon Zeugniß abzulegen, daß auch
in diesem Theile des deutschen Vaterlandes die ganze Bevölkerung von hin¬
gebender und thatkräftiger Theilnahme an dem entbrannten nationalen
Kampfe erfüllt ist und die von den deutschen Waffen bereits errungenen
herrlichen Erfolge mit einer Begeisterung feiert und preist, wie sie unser
ruhiger wallendes Blut vielleicht noch niemals mit so stürmischer Gewalt
ergriffen und fortgerissen hat. Wir wissen sehr wohl, daß wir in diesen
Aeußerungen nationaler Gesinnung vor anderen deutschen Städten und
Ländern nichts voraus haben, von manchen wohl auch noch übertroffen
werden. Aber je weniger wir bisher mit unseren auf Befreiung von einer
veralteten Landesverfassung gerichteten Bestrebungen vorzudringen vermocht
haben, desto mehr muß uns daran gelegen sein, es zur allgemeinen Aner¬
kennung zu bringen, daß durch die niederdrückenden Verfassungszustande
Mecklenburgs wenigstens unser nationales Bewußtsein keinen Schaden
gelitten hat.

In der Bürgerschaft der Stadt Rostock lebt noch die Erinnerung fort,
daß es eine Zeit gab, wo diese Stadt mit den zum Hansabunde geeinigten
Schwesterstädten, namentlich mit Lübeck, Wismar, Stralsund und Greifs¬
wald, eine Macht bildete, welche nicht nur den Landesfürsten gegenüber den
Schutz der bürgerlichen Freiheit übte, sondern auch im Kampfe mit den
nordischen Königreichen erfolgreich für die Sicherheit des deutschen Reiches
an seiner Seegrenze und für die Beschirmung der deutschen Handelsinteressen
wirkte. Rostock war mit seinen Orlogschiffen und Gewappneten namentlich
auch an dem großen und glücklichen Seekriege betheiligt, welcher von den
verbündeten Städten gegen König Waldemar von Dänemark in den Jahren
1368 bis 1370 geführt wurde und in dem Frieden von Stralsund, dessen
SOOjähriges Gedenkfest am 24. Mai dieses Jahres begangen ward, seinen
Abschluß fand. Noch im Jahre 1522 rüsteten Lübeck, Rostock und Wismar
eine Kriegsflotte gegen Dänemark aus und verheerten, in Verbindung mit
den Schweden, Bornholm, landeten auf Seeland, bedrohten Kopenhagen
und verbrannten Helsingör.

Diese Aeußerungen der Macht und Thatkraft liegen zwar in einer
fernen Vergangenheit und als die Erbschaft aus jener Blüthezeit hat Rostock
sich nur eine freiere Stellung innerhalb des Mecklenburgischen Staatswesens
und verschiedene Vorrechte bewahrt, deren Werth indessen längst ein zweifel¬
hafter geworden ist. Mit dem Verfall des Hansabundes trat es von dem


Grenzboten III. 1870. 40
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[0313] norddeutschen Territorien eingetreten ist. Es wird daher erlaubt sein, wenn eine Stimme aus einem nichtpreußischen Ostseelande und dessen erster See¬ handelsstadt in aller Bescheidenheit es unternimmt, an die Existenz dieses deutschen Küstenstriches zu erinnern und davon Zeugniß abzulegen, daß auch in diesem Theile des deutschen Vaterlandes die ganze Bevölkerung von hin¬ gebender und thatkräftiger Theilnahme an dem entbrannten nationalen Kampfe erfüllt ist und die von den deutschen Waffen bereits errungenen herrlichen Erfolge mit einer Begeisterung feiert und preist, wie sie unser ruhiger wallendes Blut vielleicht noch niemals mit so stürmischer Gewalt ergriffen und fortgerissen hat. Wir wissen sehr wohl, daß wir in diesen Aeußerungen nationaler Gesinnung vor anderen deutschen Städten und Ländern nichts voraus haben, von manchen wohl auch noch übertroffen werden. Aber je weniger wir bisher mit unseren auf Befreiung von einer veralteten Landesverfassung gerichteten Bestrebungen vorzudringen vermocht haben, desto mehr muß uns daran gelegen sein, es zur allgemeinen Aner¬ kennung zu bringen, daß durch die niederdrückenden Verfassungszustande Mecklenburgs wenigstens unser nationales Bewußtsein keinen Schaden gelitten hat. In der Bürgerschaft der Stadt Rostock lebt noch die Erinnerung fort, daß es eine Zeit gab, wo diese Stadt mit den zum Hansabunde geeinigten Schwesterstädten, namentlich mit Lübeck, Wismar, Stralsund und Greifs¬ wald, eine Macht bildete, welche nicht nur den Landesfürsten gegenüber den Schutz der bürgerlichen Freiheit übte, sondern auch im Kampfe mit den nordischen Königreichen erfolgreich für die Sicherheit des deutschen Reiches an seiner Seegrenze und für die Beschirmung der deutschen Handelsinteressen wirkte. Rostock war mit seinen Orlogschiffen und Gewappneten namentlich auch an dem großen und glücklichen Seekriege betheiligt, welcher von den verbündeten Städten gegen König Waldemar von Dänemark in den Jahren 1368 bis 1370 geführt wurde und in dem Frieden von Stralsund, dessen SOOjähriges Gedenkfest am 24. Mai dieses Jahres begangen ward, seinen Abschluß fand. Noch im Jahre 1522 rüsteten Lübeck, Rostock und Wismar eine Kriegsflotte gegen Dänemark aus und verheerten, in Verbindung mit den Schweden, Bornholm, landeten auf Seeland, bedrohten Kopenhagen und verbrannten Helsingör. Diese Aeußerungen der Macht und Thatkraft liegen zwar in einer fernen Vergangenheit und als die Erbschaft aus jener Blüthezeit hat Rostock sich nur eine freiere Stellung innerhalb des Mecklenburgischen Staatswesens und verschiedene Vorrechte bewahrt, deren Werth indessen längst ein zweifel¬ hafter geworden ist. Mit dem Verfall des Hansabundes trat es von dem Grenzboten III. 1870. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/313>, abgerufen am 27.07.2024.