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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Unrecht über manche Gesetze und Verordnungen, die der Bund uns bringt,
wie z. B. über die Schifferprüfungen und die Actiengesellschaften, durch welche
die enge büreaukratische Methode, von der man sich in Berlin noch nicht
losmachen kann, die freie Bewegung hemmt; man findet auch mit Recht das
Aversum zu hoch, welches Hamburg und Bremen für die Erhaltung der
Freihafenstellung auferlegt ist, weil diese Stellung kein Privilegium, sondern
eine durch das Interesse Deutschlands gebotene sei, für welche kein Strafgeld
verlangt werden müsse. Aber alles das sind verhältnißmäßig Nebensachen; in
den großen Hauptfragen hat sich Hamburg rasch in das Bundesverhältniß
eingelebt und seine Vortheile wohl zu würdigen gewußt. Unter diesen steht
in erster Linie die Erlösung von der dänisch-hannoverschen Nachbarschaft.
Niemand, der unsere Particulargeschichte der letzten SO Jahre nicht genauer
kennt, hat eine Ahnung von den Kämpfen, welche Hamburg, vom Bundes¬
tag in Stich gelassen, gegen den Neid Dänemarks und Hannovers mit
seinen schwachen Kräften hat führen müssen, wie jene beiden Regierungen
seine natürlichen Verkehrsadern künstlich zu unterbinden suchten, durch Tarif¬
zölle, Verbote Straßen zu bauen, Behinderung von Stromregulirungen u. s. w.
Jedes Zugeständnis; für Hinwegräumung solcher Hindernisse mußte mit
schweren Opfern erkauft werden. Das hat sich seit 1866 mit einem Schlage
geändert. In kürzester Frist wurden die unter wölfischen Regiment endlos
sich hinschleppenden Verhandlungen über Herstellung der Hamburg-Bremen-
Venloer Eisenbahn zum Abschluß gebracht, binnen zwei Jahren wird die
Elbe überbrückt und die große Linie eröffnet sein, welche rationell geführt
und auf die Bedürfnisse des Welthandels berechnet, die unnatürlich ver¬
zerrten Maschen des weiland hannoverschen Eisenbahnnetzes durchschneidet.
Die Abgrenzung des Freihafengebietes, die Errichtung eines Vereins-Ober-
zollamtes und einer Zollvereinsniederlage sind zu allseitiger Befriedigung
geordnet und damit die Bedingungen erfüllt, welche unsere von der Oertlich-
keit so hoch begünstigte Stadt immer mehr zum großen Mittelpunkt des
Welthandels machen werden.

Solchen Vortheilen gegenüber hat sich kein Verständiger über die er¬
höhte Militärlast beklagt. Theils weil es klar war, daß unsere früheren
geringeren Ausgaben wie bei allen Kleinstaaten lediglich ihren Grund darin
hatten, daß Preußen thatsächlich unsre Vertheidigung mit übernehme, theils
weil die Organisation unsres kleinen Contingentes, das keinem militärischen
Avancement Spielraum bot, eine Quelle von Verlegenheiten für die Regierung
war. Wunderbar rasch hat sich hier wie in Schleswig-Holstein die allge¬
meine Wehrpflicht eingebürgert, der einjährige Freiwilligendienst wird allge¬
mein gerade für unsre ^uuessö äores als eine heilsame Zucht erkannt und
für die hier allgemein gebräuchliche Entsendung junger Kaufleute nach trans-


Unrecht über manche Gesetze und Verordnungen, die der Bund uns bringt,
wie z. B. über die Schifferprüfungen und die Actiengesellschaften, durch welche
die enge büreaukratische Methode, von der man sich in Berlin noch nicht
losmachen kann, die freie Bewegung hemmt; man findet auch mit Recht das
Aversum zu hoch, welches Hamburg und Bremen für die Erhaltung der
Freihafenstellung auferlegt ist, weil diese Stellung kein Privilegium, sondern
eine durch das Interesse Deutschlands gebotene sei, für welche kein Strafgeld
verlangt werden müsse. Aber alles das sind verhältnißmäßig Nebensachen; in
den großen Hauptfragen hat sich Hamburg rasch in das Bundesverhältniß
eingelebt und seine Vortheile wohl zu würdigen gewußt. Unter diesen steht
in erster Linie die Erlösung von der dänisch-hannoverschen Nachbarschaft.
Niemand, der unsere Particulargeschichte der letzten SO Jahre nicht genauer
kennt, hat eine Ahnung von den Kämpfen, welche Hamburg, vom Bundes¬
tag in Stich gelassen, gegen den Neid Dänemarks und Hannovers mit
seinen schwachen Kräften hat führen müssen, wie jene beiden Regierungen
seine natürlichen Verkehrsadern künstlich zu unterbinden suchten, durch Tarif¬
zölle, Verbote Straßen zu bauen, Behinderung von Stromregulirungen u. s. w.
Jedes Zugeständnis; für Hinwegräumung solcher Hindernisse mußte mit
schweren Opfern erkauft werden. Das hat sich seit 1866 mit einem Schlage
geändert. In kürzester Frist wurden die unter wölfischen Regiment endlos
sich hinschleppenden Verhandlungen über Herstellung der Hamburg-Bremen-
Venloer Eisenbahn zum Abschluß gebracht, binnen zwei Jahren wird die
Elbe überbrückt und die große Linie eröffnet sein, welche rationell geführt
und auf die Bedürfnisse des Welthandels berechnet, die unnatürlich ver¬
zerrten Maschen des weiland hannoverschen Eisenbahnnetzes durchschneidet.
Die Abgrenzung des Freihafengebietes, die Errichtung eines Vereins-Ober-
zollamtes und einer Zollvereinsniederlage sind zu allseitiger Befriedigung
geordnet und damit die Bedingungen erfüllt, welche unsere von der Oertlich-
keit so hoch begünstigte Stadt immer mehr zum großen Mittelpunkt des
Welthandels machen werden.

Solchen Vortheilen gegenüber hat sich kein Verständiger über die er¬
höhte Militärlast beklagt. Theils weil es klar war, daß unsere früheren
geringeren Ausgaben wie bei allen Kleinstaaten lediglich ihren Grund darin
hatten, daß Preußen thatsächlich unsre Vertheidigung mit übernehme, theils
weil die Organisation unsres kleinen Contingentes, das keinem militärischen
Avancement Spielraum bot, eine Quelle von Verlegenheiten für die Regierung
war. Wunderbar rasch hat sich hier wie in Schleswig-Holstein die allge¬
meine Wehrpflicht eingebürgert, der einjährige Freiwilligendienst wird allge¬
mein gerade für unsre ^uuessö äores als eine heilsame Zucht erkannt und
für die hier allgemein gebräuchliche Entsendung junger Kaufleute nach trans-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/309>, abgerufen am 26.06.2024.