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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Der Gedanke aber, das 1648, 1681 und 1733 Geschehene rückgängig zu
machen, ist mehr als einmal aufgetaucht. Schon während derjenigen Periode
des östreichischen Ervfolgekrieges, wo die östreichischen Waffen ihre volle Ueber-
legenheit über die französischen entfalteten und Frankreichs eigenen Boden
heimsuchten, war namentlich von Lothringen die Rede; im Elsaß hatte 1793
während des Revolutionskrieges Oestreich seine Verbindungen, auf die es
rechnete. Ganz besonders aber erhob sich während der Friedensverhandlungen
von 1814 und 1815 unter deutschen Patrioten mit Macht das Verlangen,
das erstarkte Deutschland solle nicht blos, was das republikanische und n"po-
leonische Frankreich ihm entrissen habe, zurücknehmen; auch "was die Lilien
gesündigt", müsse ins Gedächtniß gebracht werden.

Wenn jemals, so ist heute Deutschland zu dem Bewußtsein der eigenen
Stärke gelangt und hat dies Bewußtsein gewonnen ganz wesentlich auf Un¬
kosten der Macht, an welche wir einst die Landschaften zu beiden Seiten
der Vogesen verloren. Da scheint denn an der Zeit, uns abermals dieser
Verluste zu erinnern. Deutschland wird prüfen, ob es nicht nach einem
Kampf, den es mehr als irgend einen der früheren, mit seinen eigenen, allein^
gen Kräften kämpft, auch mit vollerem Nachdruck als früher zu fordern habe,
was in den Tagen der Kraftlosigkeit seinen Händen entglitten.*)




Sie werden wissen wollen, wie die Mobilisirung der Bayrischen Armee
von Statten gegangen ist. Nach der Aussage Aller, die hierüber Auskunft
zu ertheilen im Stande sind, ist sie vollkommen glatt abgelaufen und auch
der Erfolg zeigt dies. Allerdings war einige Zelt das Gerücht in München
> verbreitet, daß in Rosenheim, Traunstein und einigen niederbayrischen Orten
es von Seiten der Wehrpflichtigen zu bedeutenden Revolten gekommen sei,
und man war geneigt, die Verbreitung dieser Nachricht der ultramontanen
Partei in die Schuhe zu schieben, allein mit Unrecht. Man hat offenbar die
kleinen Truppenkörper, die an die Landwehr-Commando^Sitze"abgesendet
wurden, um die einberufenen Mannschaften militärisch geordnet hereinzubringen,
mit Executions-Truppen verwechselt und daher der Irrthum, der einige Zeit
sehr niederschlagend wirkte. Mag immerhin nach norddeutschen Ansichten
und Begriffen unsere Armee etwas spät am Kampfplatz eingetroffen sein,
gegenüber den Rüstungen im Jahre 1866, die bereits Mitte April begannen,



S. 267 ist in einem Theil der Exemplare zweimal durch ein Versehen "sera>r" statt "Snonc"
gedruckt worden.

Der Gedanke aber, das 1648, 1681 und 1733 Geschehene rückgängig zu
machen, ist mehr als einmal aufgetaucht. Schon während derjenigen Periode
des östreichischen Ervfolgekrieges, wo die östreichischen Waffen ihre volle Ueber-
legenheit über die französischen entfalteten und Frankreichs eigenen Boden
heimsuchten, war namentlich von Lothringen die Rede; im Elsaß hatte 1793
während des Revolutionskrieges Oestreich seine Verbindungen, auf die es
rechnete. Ganz besonders aber erhob sich während der Friedensverhandlungen
von 1814 und 1815 unter deutschen Patrioten mit Macht das Verlangen,
das erstarkte Deutschland solle nicht blos, was das republikanische und n»po-
leonische Frankreich ihm entrissen habe, zurücknehmen; auch „was die Lilien
gesündigt", müsse ins Gedächtniß gebracht werden.

Wenn jemals, so ist heute Deutschland zu dem Bewußtsein der eigenen
Stärke gelangt und hat dies Bewußtsein gewonnen ganz wesentlich auf Un¬
kosten der Macht, an welche wir einst die Landschaften zu beiden Seiten
der Vogesen verloren. Da scheint denn an der Zeit, uns abermals dieser
Verluste zu erinnern. Deutschland wird prüfen, ob es nicht nach einem
Kampf, den es mehr als irgend einen der früheren, mit seinen eigenen, allein^
gen Kräften kämpft, auch mit vollerem Nachdruck als früher zu fordern habe,
was in den Tagen der Kraftlosigkeit seinen Händen entglitten.*)




Sie werden wissen wollen, wie die Mobilisirung der Bayrischen Armee
von Statten gegangen ist. Nach der Aussage Aller, die hierüber Auskunft
zu ertheilen im Stande sind, ist sie vollkommen glatt abgelaufen und auch
der Erfolg zeigt dies. Allerdings war einige Zelt das Gerücht in München
> verbreitet, daß in Rosenheim, Traunstein und einigen niederbayrischen Orten
es von Seiten der Wehrpflichtigen zu bedeutenden Revolten gekommen sei,
und man war geneigt, die Verbreitung dieser Nachricht der ultramontanen
Partei in die Schuhe zu schieben, allein mit Unrecht. Man hat offenbar die
kleinen Truppenkörper, die an die Landwehr-Commando^Sitze"abgesendet
wurden, um die einberufenen Mannschaften militärisch geordnet hereinzubringen,
mit Executions-Truppen verwechselt und daher der Irrthum, der einige Zeit
sehr niederschlagend wirkte. Mag immerhin nach norddeutschen Ansichten
und Begriffen unsere Armee etwas spät am Kampfplatz eingetroffen sein,
gegenüber den Rüstungen im Jahre 1866, die bereits Mitte April begannen,



S. 267 ist in einem Theil der Exemplare zweimal durch ein Versehen „sera>r" statt „Snonc"
gedruckt worden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/288>, abgerufen am 26.06.2024.